Der Babadook (2014)
Was dich nicht umbringt...
Buch und Regie: Jennifer Kent
Darsteller: Essie Davis, Noah Wiseman, Daniel Henshall
Intelligente Mogelpackung
Der Boom günstig produzierten Fließbandhorrors der letzten Jahre bringt selten Filme hervor, die die Zeit überdauern. Found-Footage-Schocker, Teenie-Schlitzer oder Geistergeschichten diesseits der 2010er sind in aller Regel mehr denn je günstig zusammengeschluderte Wegwerfprodukte, die auf dem Rücken viraler Marketingkampagnen ihre Kosten um ein Vielfaches wieder einspielen. Hier und da stechen exzellente Ausnahmen wie Oculus oder The Conjuring hervor - und manchmal surft auf dieser Trendwelle auch ein echter Trojaner in die Kinos. Der Babadook wäre so einer - nur vordergründig ein Horrorfilm, aber vielleicht gerade deshalb so furchteinflößend.
Es ist ein bisschen schwierig, zu beschreiben, was diesen australischen Indie-Film auf so vielen Ebenen zu einem so effektiven, klugen Grusler macht, ohne ihn zu verderben. Mein erster Impuls wäre, euch schon an dieser Stelle ins Kino zu schicken, wenn ihr nicht nur Horror, sondern auch traurige, psychologische Dramen schätzt. Ihr werdet es nicht bereuen. Tschüss und bis nächste Woche! Wer nicht komplett allergisch auf Spoiler reagiert, liest auf eigene Gefahr noch ein bisschen weiter.
Also, worum geht's? Um die alleinerziehende Witwe Amelia, deren Sohn Sam ein alles andere als leichtes Kind ist. Hyperaktiv und in steter Angst vor Monstern, die nur er sieht, konstruiert er tagein, tagaus improvisierte Fallen und macht seiner Mutter und seinem Umfeld allgemein das Leben schwer. Als Amelia ihm in einer langen Nacht das Buch von Mr. Babadook vorliest, das selbst den ausgeglichensten und tapfersten Zögling noch senkrecht im Bett stehen ließe, steigert sich das Kind in einen unerträglichen Wahn. Es ist doch ein Wahn? Oder spaziert des Nachts tatsächlich ein Monster durch das Haus? Was ist real, was Einbildung? Was ist der Babadook?
Schon beim Schreiben dieser Zeilen wird mir klar, dass diese Beschreibung generischer nicht klingen könnte. Aber das ist irgendwo auch der Trick: Autorin und Regisseurin Jennifer Kent und ihre fantastische Hauptdarstellerin Essie Davis nutzen diesen gespenstisch-austauschbaren Überbau geschickt, um dem Publikum eine psychologische Tragödie unterzujubeln, die gerade in der Entzauberung des titelgebenden Monsters den wahren Schrecken der Geschichte enthüllt. Davis ist die tragende Säule, die aufopferungsvoll die traumatisierte und sich verzweifelt an ihren Verstand klammernde Mutter gibt. Aber auch ihr Filmsohn, gespielt von Noah Wiseman bringt genau den richtigen Level an Aufrichtigkeit, Entrücktheit und Überzeugung mit, der so vielen Kinderdarstellern abgeht.
Schön auch, dass die meisten Effekte komplett praktischer Natur sind. Wo viele Filmmonster mit flachen, klebrigen CG-Effekten jede Magie verlieren, übt sich Jennifer Kent in kluger Zurückhaltung. Ihr werdet dieser Tage häufiger lesen, dies sei der schockierendste Film überhaupt und sowieso. Das liegt nicht zuletzt daran, dass niemand geringeres als der Regisseur des Exorzisten, William Friedkin (ja, der lebt noch), zuletzt mit vergleichbaren Superlativen um sich warf. Grusel ist immer subjektiv, aber selbst ich, der über die Jahre extrem weich geworden ist, was Horror angeht, würde diesen komplett auf Jump-Scares verzichtenden Film eher als immens verstörend und atmosphärisch bezeichnen.
Die Anbiederung an das gängige Grusel-Fast-Food ist rückblickend ein genialer Schachzug. Wenn es das braucht, um den Zuschauern im Kino einen deutlich klügeren Film unterzujubeln, als sie erwarten oder vielleicht wollen, ist das für mich in Ordnung. Der Babadook glänzt durch seine mit wenigen Worten auskommende Handlung, funktioniert als Gleichnis auf Familientragödien ebenso wie als effektive Spukgeschichte und ist gerade deshalb ein Besonderes und sehenswertes Stück Indie-Kino.
Der Babadook läuft seit Donnerstag im Kino. Geht ruhig mal wieder hin.
Was ist Freitagskino?
Jeder Mensch braucht mal Abwechslung. Wir alle mögen Kino, also schreiben wir (fast) immer freitags über Filme oder Serien. Keine Sorge, wir versuchen nicht, etablierten Filmkritikern große Konkurrenz zu machen, sondern einfach nur zu berichten, wie ein Film auf uns wirkte und ob wir dazu raten würden, ihm eine Chance zu geben. Welche Filme oder Serien das sind, hängt davon ab, was derjenige Autor in den letzten Wochen sah. Wir unterwerfen uns jedenfalls nicht vollends dem Diktat der Aktualität.
Es können aktuelle Blockbuster, ausgemachtes Genre-Kino, aber auch Arthouse-Geheimtipps sein, die noch im Filmspielhaus um die Ecke laufen. Die neueste Netflix-Serie kommt ebenso unter die subjektive Lupe wie ein alter HBO-Liebling, der sich nach Jahren unserem unter Umständen veränderten Geschmack stellen muss. Ebenso werden immer wieder nach Ewigkeiten wiederentdeckte Schätze zur Sprache kommen, überbewertete Klassiker oder unterschätzte Perlen. Wie gesagt, wir wollen euch damit nur ein wenig Diskussionsstoff über das zweitbeste Geek-Hobby liefern - und ein paar Inspirationen, was sich vielleicht lohnen könnte. Wir hoffen, euch macht die Rubrik genau so viel Spaß wie uns, auch wenn diese Sorte Unterhaltung zur Abwechslung mal nur bedingt interaktiv ist.