Die Eiskönigin, Kontroll, Adventure Time
Die zweite Disney-Renaissance, Erlösung in der Metro und kreative Ausbrüche.
Die Eiskönigin
Traumhaft
Ich bin ziemlich spät dran, was den ganzen Hype um Die Eiskönigin angeht. Als der Film in die Kinos kam, schreckten mich die ersten Trailer und Poster förmlich ab. Diese starke Fokussierung auf den Schneemann und das Rentier wirkten schrecklich primitiv. Natürlich zielte man mit solchen Szenen, die nicht einmal im fertigen Film vorkommen, auf die jüngste Generation ab. Genau deswegen verbuchte ich Die Eiskönigin gedanklich als langweiligen Kinderquatsch.
Wie man sich doch irren kann. Erst im Verlauf der letzten Monate bemerkte ich so langsam den fast schon beängstigenden Internetkult zum Film. Überall ploppten Cover zum Song 'Let It Go' oder 'Do You Want to Build a Snowman' in meinen YouTube-Empfehlungen auf. Ständig bemerkte ich Fanart oder Meldungen zu neuen Besucherrekorden in den Kinos. Es gab kein Entkommen. Schließlich bestellte ich mir vor ein paar Wochen die Blu-ray, um mich selbst von der ständig propagierten Qualität überzeugen zu können.
Nie wieder möchte ich so voreilig für einen Animationsfilm urteilen, nur weil sich die Promos nicht an mich richten. Die Eiskönigin erweckte in mir die gleiche Faszination, die ich vor 20 Jahren als Kind während der Disney-Renaissance verspürte. Für mich steht der Film auf einer Stufe mit persönlichen Lieblingen wie Der König der Löwen oder Aladdin. Eine ähnliche Entwicklung war bereits mit Rapunzel oder Ralph reichts abzusehen, doch Die Eiskönigin schafft den letzten Schritt, um sich als eine der besten Disney-Animation aller Zeiten zu etablieren.
Die sorgfältige Struktur der Handlung, glaubwürdige Charaktere, die sich weit von üblichen Märchenklischees entfernen, und ein Soundtrack, der sich seine fanatische Anbetung wirklich verdient hat. Darüber hinaus konnte ich an vielen Stellen fast nicht glauben, dass es sich hierbei um reine Animationen handelt. Zu jeder Zeit verhält sich der Schnee physikalisch korrekt und selbst kleinste Flocken sind erkennbar. Gepaart mit dem unverbrauchten Design des wunderschönen Norwegens ist Die Eiskönigin ebenfalls ein Urlaub für den Sehnerv. Falls ihr wie ich zuvor in das wahrscheinlich mikroskopisch kleine Lager an Leuten gehört, die den Film noch nicht gesehen haben, tut euch den Gefallen. Ich wüsste keinen Grund, warum Die Eiskönigin irgendjemandem nicht gefallen sollte.
Kontroll
Unerwartet
Kommen wir von märchenhaften Geschichten nun zu einem tristeren Thema: der ungarischen Metro. Genau dort spielt die gesamte Handlung von Kontroll. Vor über einer Dekade veröffentlicht, scheint niemand von diesem Film gehört zu haben. Eine Schande. Also ändern wir das.
Worum geht es? Oberflächlich betrachtet behandelt Kontroll das tägliche Arbeitsleben einer Kontrolleursgruppe der Budapester Metro. Nachdem der Film in wenigen Minuten die Rollen der einzelnen Mitglieder etabliert, schickt er sie zusammen mit dem Zuschauer auf die erste Fahrt. Man erlebt, mit welchen Personen und Problemen die Kontrolleure täglich konfrontiert werden, und schwankt dabei ständig zwischen Komödie und Drama. Obwohl oder gerade weil die meisten Situationen einen tragischen Unterton haben, leidet man mit den Charakteren und lacht dennoch über ihre Handlungen. Beispielsweise über den Neuling, dessen Probleme fast immer durch seine eigene Naivität entstehen. Ein anderes Mitglied der Gruppe leidet derweil unter Narkolepsie und schläft schlagartig ein, sobald er sich zu sehr aufregt. Man versteht leicht, warum der chaotische Haufen keiner anderen Arbeit nachgeht, findet die Truppe aber trotz ihrer zahlreichen Schwächen sympathisch.
Ein wenig anders verhält es sich beim Hauptcharakter Bulscú, der nicht nur in der Metro arbeitet, sondern seit einigen Wochen dort wohnt. Passend dazu verlässt der Film nicht ein einzigen Mal die düstere Station und zeigt die Rolltreppe zur Oberfläche nur als symbolischen Ausgang und Hürde für Bulscú. Bemerkenswert ist deswegen die herausragende Kameraführung. Außer man denkt aktiv darüber nach und versucht, die Anzahl an verwendeten Sets zu erkennen, fällt einem der einseitige Handlungsort nie auf. Fast jede Szene zeigt die Plattformen oder Züge aus einer anderen Perspektive. Ständig verfolgt die Kamera die Akteure aus einem neuen Winkel.
Wenn ich dem Film etwas ankreiden muss, dann die teils zu stark aufgedrückte Symbolik mancher Szenen. Anstatt das Gleichnis zwischen der Metro und Hölle dezenter anzumerken, schlägt man euch des Öfteren knallharte Bilder vor den Kopf, die selbst der unaufmerksamste Zuschauer mitkriegt. Genauso möchte Kontroll die Identität eines Mörders, der Leute auf die Gleise schubst, mysteriös und geheim halten. Anstatt wie in Fight Club schwer erfassbare Hinweise zu versteckten, wirft Kontroll lautstark mit seinen Anspielungen um sich, sodass trotz fehlender Auflösung keine unterschiedlichen Theorien entstehen können. Bereits die ersten Vermutungen bewahrheiten sich und der Film versucht erst gar nicht, mit den Erwartungen des Zuschauers zu spielen.
Von dieser Schwäche solltet ihr euch allerdings nicht aufhalten lassen. Allein die reale und bittere Darstellung des Kontrolleurslebens ist Grund genug, sich von Kontroll in seinen Bann ziehen zu lassen. Darüber hinaus überträgt sich mein Problem wohl nur auf wenige Leute, die sich von ihren Filmen mehr Geheimnisse wünschen.
Adventure Time
Mathematical!
Immer wenn ich Leuten begeistert von Adventure Time erzähle und ihnen anschließend gestehe, dass es sich dabei um eine Zeichentrickserie handelt, fange ich mir abwertende Blicke ein. Prinzipiell verstehe ich das auch. Aber wer sich in den Neunzigern für das Nachmittagsprogramm von Nickelodeon oder Cartoon Network begeisterte, findet in Serien wie Adventure Time die spirituellen Nachfolger.
Das Faszinierende an der Show ist ihr nicht enden wollender kreativer Ausschuss, bei dem sich jede Folge mit etwas vollkommen Neuem befasst. Während das Heldenduo Finn und Jake in einer Episode das Reich der Diebe besucht, treffen sie im nächsten zehnminütigen Abenteuer auf eine Katzenkolonie, in der sich alle Vierbeiner unter bemalten Kartons verstecken.
Keine Idee wirkt abgenutzt. Genauso verhält es sich bei den Zeichnungen. Nicht nur die Figuren und Hintergründe bleiben abwechslungsreich, sogar die Animationen der einzelnen Akteure wechseln zwischen minimalistischen Zeichnungen und grotesk detailverliebten Grimassen. Achtet nur einmal auf die Gesichter in dem unten eingefügten Teaser zu einer meiner Lieblinsfolgen. Es wirkt so, als würde man jeder Idee eine Chance geben, wenn sie nur verrückt genug ist. Adventure Time ist das Gegenteil von Stagnation.
Dazu gesellen sich die überaus liebevollen und teils sogar überraschend komplexen Charaktere, deren Geschichten sich im Verlauf der mittlerweile fünf Staffeln stets weiter vertiefen. Hauptfigur Finn, angetrieben durch seine starke Moral, Neugier und den Drang nach Abenteuern, erlebt trotz seiner hitzigen Verhaltensweise Momente des Wachstums, die meist durch die Hilfe anderer Figuren erfolgen. Zum Beispiel mithilfe seines besten Freunds Jake. Ein magischer Hund, der seinen Körper frei verformen kann. Oft bildet er das rationale Gegenstück, kann aber ebenso leicht seinem Enthusiasmus oder sogar der Faulheit verfallen.
Viele Nebenfiguren wie der Eiskönig oder das Vampirmädchen Marceline scheinen anfangs nur gewisse Klischees zu erfüllen, werden in späteren Episoden durch den Gebrauch von Hintergrundgeschichten jedoch weiter vertieft. Denn einer der wichtigsten Faktoren von Adventure Time ist die Hintergrundgeschichte der Welt. Als Zuschauer möchte man nicht nur den Abenteuern von Finn und Jake beiwohnen, sondern nebenher mehr über das zauberhafte Land von Ooo erfahren. Wer eine mit Ideen vollgestopfte Serie sucht, die neben verrücktem Humor auch leicht dramatische Momente und eine große Portion Menschlichkeit besitzt, darf sich Adventure Time nicht entgehen lassen. Zumindest wenn ihr damit leben könnt, eine 'Serie für Kinder' zu gucken.