Jason Bourne (2016), Kalter Hauch ("The Mechanic", 1972)
Verbales Ebola.
Regie: Paul Greengrass
Buch: Paul Greengrass, Christopher Rouse
Darsteller: Matt Damon, Julia Stiles, Tommy Lee Jones, Riz Ahmed
Schon klar. Drehbuchautor Tony Gilroy und Matt Damon kamen in der Vergangenheit nicht sonderlich gut miteinander zurecht. Und die Qualität der Bourne-Filme hat sowieso rapide abgenommen. Aber das ist doch keine Begründung, nach der Werbeunterbrechung mit Jeremy Renner und dem Austausch der Schreiberlinge einfach einen fünften Teil an die Reihe anzuhängen und alle Probleme zu ignorieren. Da bräuchte man doch vielleicht ein kleines Bisschen mehr. Eine gute Geschichte vielleicht. Oder wenigstens einen Grund, warum der Top-Agent erneut auf die Jagd gehen sollte.
Doch man kann weder das eine, noch das andere bieten. Man hat lediglich ein rostiges und klappriges Vehikel namens "Story", das einzelne Szenen über das seichte Fahrwasser schippern muss, damit der Protagonist möglichst als cool empfunden wird. Realitätsnähe - sofern wir bei einer Welt aus Intrigen und Geheimorganisationen überhaupt Ahnung von so etwas haben können - sucht man hier vergebens. Jason Bourne ist nur noch ein billiges Mittel zum Zweck und dessen Name lautet Profit.
So dürfen wir über zwei Stunden Matt Damon dabei beobachten, wie er tut, was er schon seit 2002 zum Brot verdienen gemacht hat: Er rennt vor Leuten weg, die in kleinen, dunklen Räumen auf ihre Monitore starren. Er hat eine Verfolgungsjagd im Auto und verschwindet genau dann, wenn die CIA denkt, sie hätte ihn schon im Sack. Zwischendurch ein paar Prügeleien mit einer so wackeligen Kamerafahrt, dass man zwischen Übelkeit und Drehwurm nicht mehr mitbekommt, was auf der Leinwand vor sich geht. Und das alles nur, um wieder einmal etwas herauszufinden.
Der Unterschied zu den letzten Malen liegt vor allem darin, dass dieser rote Faden totaler Mist ist und, wenn man es sich genau überlegt, den Ereignissen in der ersten Trilogie auch gehörig widerspricht. Die Drehbuchautoren schubsen den Protagonisten von Szene zu Szene, lassen ihn dabei aber nicht wie einen Profi wirken, sondern wie jemanden, der schlichtweg über interessante Skills verfügt, aber keinen blassen Dunst hat, was eigentlich passiert.
Da werden frisch geklaute, streng geheime Daten auch schon mal in einen PC mit Internetanschluss gesteckt und das Material noch vor Ort, mitten in der Stadt gesichtet. Die CIA erhöht die Auflösung von Kameraaufnahmen mit ihrem bloßen Willen, ihr Top-Killer verwechselt ein Sturm- mit einem Scharfschützengewehr und die Sicherheitsleute am Flughafen haben es nach vierzehn Jahren endlich geschafft, Bournes Gesicht durch den Scanner zu jagen. Was in Anbetracht der letzten Teile mehr Fragen aufwirft, als dass welche beantwortet würden.
In einer Geschichte, die gut und gerne auch in einer knappen Stunde hätte erzählt werden können, tauschen die Charaktere verbales Ebola miteinander aus, können von der Kamera nur schwer eingefangen werden und leisten sich einen Schwachsinn nach dem anderen. Entsprechend der Voraussetzung des Plots gehen sie dabei entweder wie benebelt und dämlich vor, oder aktivieren den neuesten Cheatcode und werden zu unantastbaren Supermännern. Was für ein ausgemachter Schwachsinn.
Agenten-Thriller sollten gut durchdacht und spannend sein, doch bei diesem Machwerk schlafen nicht nur die Füße ein. Der an der Kinokasse abgegebene Verstand hat sich längst den Hut genommen und ist nach Hause gegangen. Wer kann es ihm übel nehmen? Mit dem fünften Teil der Bourne-Reihe beweisen die Produzenten tadellos, dass der Agent mit dem eisigen Blick seinen Erfolgszenit überschritten und laut grölend die Talfahrt angetreten hat. Bester Beweis ist das Schauspiel von Matt Damon und Widersacher Tommy Lee Jones, der den CIA-Direktor Robert Dewey spielt. Beide sind an Lustlosigkeit kaum zu übertreffen und schlafwandeln durch die 123 Minuten.
Kalter Hauch (1972)
Regie: Michael Winner
Buch: Lewis John Carlino
Darsteller: Charles Bronson, Jan-Michael Vincent, Keenan Wynn
In wenigen Wochen startet "The Mechanic: Resurrection" in den deutschen Kinos. Der Film ist eine Fortsetzung des Action-Thrillers "The Mechanic" aus dem Jahr 2011, der seinerseits ein Remake von Michael Winners "Kalter Hauch" darstellt. Der Film dreht sich um den Auftragskiller Arthur Bishop (Charles Bronson), der ein Experte darin ist, seine Morde wie Unfälle aussehen zu lassen. Er ist skrupellos und lehnt nie einen Auftrag ab und so ist er auch bereit, seinen Freund und Bezugsperson Big Harry (Keenan Wynn) zu erledigen, als man ihn dazu auffordert. Das hat zur Folge, dass der Sohn von Harry, Steve (Jan-Michael Vincent), sich an Bishops Versen heftet. Nicht jedoch, um seinen Vater zu rächen, sondern weil er vom Besten lernen will.
Der Klassiker hat selbst heute wenig von seinem Reiz verloren, da er sich viel Zeit beim Entfalten der Geschichte lässt, ohne dass die gesamte Erzählung sich zu sehr zieht und Desinteresse provoziert. So kommt die erste Viertelstunde ohne jeglichen Dialog aus - stattdessen sieht man, wie Bishop sich gezielt und eiskalt auf seinen Job vorbereitet und diesen umsetzt. Man kommt ohne große Action aus und konzentriert sich auf das, was in einem Film wie diesem wirklich wichtig ist: der Plot.
Arthur und Steve genießen ein spannendes Wechselspiel miteinander und ihre widersprüchlichen Gefühle für den jeweils anderen sind für das Publikum fast greifbar. Sie schätzen sich, sie hassen sich. Es entbrennt eine Rivalität und echte Freundschaft. Die sexuelle Anziehung zwischen den beiden ging in der Umsetzung von Buch zu Film zwar fast zur Gänze verloren, doch man kann noch immer sehen, welch besondere Beziehung die beiden verbindet. Es hat seinen Reiz und ist äußerst spannend, den Fortlauf der Geschichte zu beobachten, sofern man bereit ist, sich darauf einzulassen.
"Kalter Hauch" setzt nämlich kein großes Bedürfnis in den Vordergrund, zu gefallen. Die gesamte Machart ist eigen, für die heutige Zeit etwas eingerostet und losgelöst von den meisten Richtlinien, denen andere Filme gleichen Genre zur damaligen und heutigen Zeit unterworfen waren und sind. Im Laufe der Minuten wandelt sich das Gesicht des Films und zeigt düstere Einblicke in das Gedankenreich eines Psychopathen. Steve erweist sich als waschechter Sadist und Bishop ist ein abgebrühter Mistkerl. Sympathieträger gibt es hier kaum und gerade das macht diesen Thriller aus.
Obwohl von mir bereits angedeutet wurde, dass die Action hier nicht viel zu melden hat, ist sie durchaus vertreten. Es kracht und rummst an allen Ecken. Doch diese Szenen sind Übergänge, Teile eines Ganzen. Im großen Bild haben sie nicht viel Mitspracherecht an der Farbwahl und dienen lediglich der visuellen Untermalung. Im Grunde genau andersherum, als wir es heute viel zu oft vorgesetzt bekommen.
Natürlich hat auch "Kalter Hauch" seine Schwächen und Logiklöcher. Aber ich empfehle jedem, der mit dem Alter dieses Kunstwerks kein Problem hat und sich für die Psyche von besonders düsteren Gesellen interessiert, einen Blick zu riskieren. Mit der späteren Bronson/Winner-Produktion "Ein Mann sieht rot" kann er sich zwar nur schwerlich messen, doch gerade deswegen sei mit dem Finger auf ihn gezeigt: wenige wissen noch, dass es diese Perle überhaupt je gab.