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Jurassic World (2015)

Noch mal dieses Gefühl?

Regie: Colin Trevorrow
Buch: Rick Jaffa, Amanda Silver, Derek Conolly, Colin Trevorrow
Darsteller: Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Vincent D'Onofrio, Irrfan Khan

Aber jetzt zerbeiß ich's!

"So ist das also", sagt Chris Pratt's Dinosaurier-Trainer an einer Stelle, als er sich damit abfindet, dass er wohl als Mageninhalt eines alten, geschätzten Bekannten enden wird. Für den Zuschauer kommt dieser Moment schon deutlich früher, nämlich als dieser Nachfolger eines der für viele von uns bewegendsten Filme aller Zeiten ohne große Umschweife damit rausrückt, worum es geht: Um einen 150-Millionen-Dollar-B-Movie, einen Monsterfilm mit einem Hybrid-Kaiju als alleinige Handlungstriebfeder.

In diesem Fall ist das gleichermaßen ein Versagen und eine große Stärke des Films, dem die Action und das Spektakel wirklich gut gelingen. Aber bevor die Ereignisse im dritten Akt sämtliche Rest-Räson aus dem Fenster werfen und man auf einmal eine erstaunlich gute Zeit im Kino verlebt, sitzt man ein wenig mit schrägem Mund im Kinosaal.

Bis dahin kommt man nur schwer darüber hinweg, dass die Geschichte um einen im Labor zusammengepantschten Super-Saurier nur einen gedanklichen Halbschritt von B-Movie Quatsch wie Sharktopus entfernt ist. Trevorrow und sein Team an Autoren bekommen es durchaus hin, das im Filmkontext und aus Sicht des Parks zumindest wie eine halbwegs gute Idee erscheinen zu lassen, sodass man erst einmal an Bord ist. Auch der Gedanke, dass die monströse Laborkreation Indominus Rex nicht von Natur aus schlecht ist, sondern durch Eingesperrtsein und Isolation in ihre mörderische Identitätskrise schlittert, ist ein guter.

Leider untergräbt der Film ihn, wie so viele seiner zentralen Handlungsideen irgendwann - in diesem Fall, als sich I-Rex in einer zugegeben ausgezeichneten Szene auf einmal sehr wohl kommunikativ verhält. Und dann die ganzen Versatzstücke, die den Film an sich wie ein aus verschiedenen Elementen zusammengeklaubten Hybriden wirken lassen: Soldaten, deren Vitalparameter neben einem Passfoto in der Zentrale eingeblendet werden, nur damit sich die EKG-Linien nach ihren unweigerlichen Off-Screen-Toden in blutrote Geraden verwandeln können. Dann natürlich die obligatorischen Handys und Funkgeräte, die aus dramaturgischen Gründen ihren Dienst versagen, kurz bevor 20 Jahre den Elementen ausgesetzten Nachtsichtgeräte noch anstandslos anspringen. Und ebenso lang nicht bewegte Jeeps, die nichts weiter brauchen als die unerträglich praktischen Kenntnisse zweier Kids (deren Eltern sich vielleicht scheiden lassen wollen, oh Graus!) über die Reparatur genau dieses Fahrzeugmodells. Ach, und die Kinder sind - natürlich - die über die Jahre entfremdeten Neffen der Park-Managerin, die sich nur mal locker machen müsste, um taff und glücklich zu werden.

An vielen Stellen strapaziert der Film unnötig die willentliche Naivität, die man dem mittlerweile widerlegten Gedanken entgegenbringt, Dinosaurier aus den Mageninhalten von in Bernstein versiegelten Blutsaugern zu rekonstruieren. Das beginnt mit nicht vorhandenen Evakuierungsroutinen in Jurassic World und der wissentlichen Entwicklung und Unterbringung eines wahren Tausendsassas des Tötens am Rande eines verdammten Freizeitparks - noch dazu in einem noch nicht komplett fertiggestellten Gehege. Und dann haben wir von lebensgroßen, hochauflösenden 3D-Hologrammen noch nicht gesprochen, die in der Lobby die Besucher auch ohne Holo-Lens begrüßen. Technologie, von der wohl auch Star Wars noch zehn bis 20 Jahre entfernt ist.

Egal, in den USA reichte das, um in nur zwei Wochen 400 Millionen Dollar einzuspielen. Das bricht so viele Rekorde, dass es ebenso anstrengend wie wenig zweckdienlich wäre, sie hier aufzulisten. Und ich muss zugeben, ich wurde auch gut unterhalten. Immerhin sind das hier immer noch Dinosaurier, noch dazu mit allen Mitteln der Effektkunst in Szene gesetzt. Die Abwesenheit der damals wie heute so überzeugenden animatronischen Stan-Winston-Kreaturen schmerzt ein bisschen, Teil eins sieht immer noch irgendwie realer und beeindruckender aus. Aber vor allem auf der Zielgeraden von Jurassic World an packt es den kleinen Jungen im Innern dann aber doch noch ordentlich am Kragen.

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Chris Pratt liefert unterdessen nach seinem flapsigen Halsabschneider in Han-Solo-Manier (Guardians of the Galaxy) gleich noch einen kernig-charmanten Indiana-Jones-Verschnitt hinterher. Er erweckt allgemein den Eindruck, dass er nichts falsch machen kann und Typen wie Harrison Ford eben doch noch nicht ausgestorben sind. Witz, Charisma und Intensität - echtes Filmstar-Material. Der Rest ist vorhersehbar. Bryce Dallas Howard (Ron Howards Tochter, war mir bisher nicht bewusst) macht das Beste aus dem dünnen Material, das man ihr gab, Vincent D'Onofrio (Daredevils Kingpin) gibt den üblichen Militär, der selbstverständlich andere Anwendungsgebiete für die Tiere im Sinn hat. Dass Irrfan Khan als Milliardär und Parkbesitzer einen wahrhaften Philanthropen spielen darf, ist da fast schon eine echte Überraschung.

Am Ende ist es ein häufig dummer, aber eben doch effektiver Monsterfilm. Das ist genau das, was ernsthafte Filmkritiker in allen Abstufungen von Abschätzigkeit bis interessierter Zurkenntnisnahme über den ersten Teil sagten. Doch der war bei allem Spektakel eine Lehrstunde in Sachen Demut vor der Natur. Jurassic World fehlt dagegen der Zauber und die Ehrfurcht vor seinen Kreationen ein gutes Stück weit. Man bekommt keine Gelegenheit, sich wie Dr. Alan Grant mit weichen Knien vor einem Brachiosaurier zu fühlen. Spaß macht es trotzdem, klar. Doch während man sich daran ergötzt, was dutzende Tonnen schwere Kampfechsen an kollateralem und anderweitigem Schaden so anrichten können, macht einen der Film irgendwie zum bisschen zum Komplizen von D'Onofrios zwielichtigem Militaristen, der die Dinos am liebsten als Waffe sähe. Und das schmeckt im Abgang irgendwie bitter. So ist das also...

Was ist Freitagskino?

Jeder Mensch braucht mal Abwechslung. Wir alle mögen Kino, also schreiben wir (fast) immer freitags über Filme oder Serien. Keine Sorge, wir versuchen nicht, etablierten Filmkritikern große Konkurrenz zu machen, sondern einfach nur zu berichten, wie ein Film auf uns wirkte und ob wir dazu raten würden, ihm eine Chance zu geben. Welche Filme oder Serien das sind, hängt davon ab, was derjenige Autor in den letzten Wochen sah. Wir unterwerfen uns jedenfalls nicht vollends dem Diktat der Aktualität.

Es können aktuelle Blockbuster, ausgemachtes Genre-Kino, aber auch Arthouse-Geheimtipps sein, die noch im Filmspielhaus um die Ecke laufen. Die neueste Netflix-Serie kommt ebenso unter die subjektive Lupe wie ein alter HBO-Liebling, der sich nach Jahren unserem unter Umständen veränderten Geschmack stellen muss. Ebenso werden immer wieder nach Ewigkeiten wiederentdeckte Schätze zur Sprache kommen, überbewertete Klassiker oder unterschätzte Perlen. Wie gesagt, wir wollen euch damit nur ein wenig Diskussionsstoff über das zweitbeste Geek-Hobby liefern - und ein paar Inspirationen, was sich vielleicht lohnen könnte. Wir hoffen, euch macht die Rubrik genau so viel Spaß wie uns, auch wenn diese Sorte Unterhaltung zur Abwechslung mal nur bedingt interaktiv ist.

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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