Logan - The Wolverine
Ein Film, den man so nicht erwarten konnte.
Regie: James Mangold
Buch: James Mangold, Scott Frank, Michael Green
Darsteller: Hugh Jackman, Patrick Stewart, Dafne Keen, Boyd Holbrook, Richard E. Grant, Stephen Merchant, u.a.
Kinostart: 02. März
Superheldenfilme können vieles sein - warum nicht auch ein Roadmovie-Western?
Die X-Men hatten sich für mich überlebt. Ich hatte mit jedem einzelnen der Filme Spaß, allen voran Erste Entscheidung und Days of Future Past, aber sie steckten mit ihrem "Was, wenn es so was wirklich gäbe"-Ansatz bis zum Hals in der Vergangenheit und ignorierten einfach, dass diese Figuren und diese Kräfte mit der wahren Welt nicht so wirklich zusammenpassen wollten. Auf der Avengers-Seite des Marvel-Personals stellt sich dieses Problem nicht so recht. Die Welt, die sie bewohnen, ist nur im Namen und im Aussehen die unsere, der Rest ist - nun ja - Comic-artig überhöht, in erster Linie geht es um die verschmitzte Freude an fantastischen Stoffen. Es sind lebendig gewordene Comics, das machen nicht nur die übertriebenen Kostüme klar, gegen die sich die X-Men von Beginn an wehrten, ja, sich sogar über sie lustig machten.
Ich ging deshalb mit verhaltener Vorfreude und in erster Linie, weil ich Jackman und besonders Patrick Stewart sehr schätze, an Logan heran. Und, tja, was soll ich sagen: was für ein packender Film! Und wenn ich "packend" sage, meine ich nicht die Sorte, die einem die Visage zu einem breiten Grinsen verzieht, weil das alles so unglaublich cool ist und man kaum die nächste Szene abwarten kann. Ich meine einen Film, der einen packt, schüttelt, ohrfeigt, einem vielleicht ein Knie in die Magengrube mitgibt und dann schnaufend im Dreck liegen lässt. Es ist ein schonungsloser und über lange Strecken richtiggehend freudloser Film, schwer zu gucken und ertragen, ohne jedoch wirklich nihilistisch zu werden.
Im Jahr 2029 ist es um Wolverines Gesundheit nicht mehr gut bestellt. Die Welt gleicht der des ersten Mad Max, nicht nur, weil er sich entlang der mexikanischen Grenze als Chauffeur einer eigenen Limousine verdingt, sondern weil die Gesellschaft kurz vor dem Kollaps scheint. Noch nicht ganz drüber, aber schon auf dem Weg in Richtung Klippe, wie es scheint. Mutanten sind mittlerweile Mangelware und was mit ihnen passierte, darüber verliert der gesamte Film in einem seiner größten Geniestreiche weniger als drei Sätze. In einem verrosteten Wasserturm pflegt der Titelheld einen dementen, 90-jährigen Professor X (Patrick Stewart in einer Darbietung, die einem das erste Mal das Unbegreifliche begreiflich macht, dass auch dieser Goldschatz von einem Schauspieler nicht ewig unter uns weilen wird). Das klingt warmherziger, als es in der Praxis ist, denn wenn das mächtigste Gehirn der Welt sich nicht mehr selbst kontrollieren kann, müssen es eben harte Drogen richten.
Unter diesen Vorzeichen engagiert eine Unbekannte einen sichtlich dem Verfall ausgelieferten Logan dazu, ein kleines Mädchen namens Laura (Dafne Keen) mit seiner Limousine zur kanadischen Grenze hinauf zu kutschieren. Der Rest ist sicher nicht frei von Klischees, in der Umsetzung aber fabelhaft gelungen, weil Jackman und Stewart in Charles Xaviers wachen Momenten wunderbar zweigeteilter Meinung darüber sind, was mit dem Mädchen zu tun sei. Roadmovie- und Western-Motive durchziehen einen der finstersten Filme dieser Art, der häufig dann, wenn man denkt, er könnte nicht mehr gemeiner werden, schonungslos einen draufsetzt.
Zudem scheint es, Mangold und Jackman hatten für Wolverines letzten Auftritt noch einiges an aufgestauten Gewaltausbrüchen loszuwerden. Gleich die erste Szene unterstreicht, weshalb Wolverine schon immer einer der beliebtesten Superhelden war. Er ist eben kein Saubermann, schreckt vor tödlicher Gewalt nicht zurück. Sie derart ausformuliert und hartgekocht in einer 120-Millionen-Dollar-Produktion zu sehen, ist nicht einmal mehr überraschend. Es ist ein echter Schock. Vor allem, wenn sie von Dafne Keens kleiner Laura kommt, die mit Logan mehr gemeinsam hat, als der zunächst denken mag. Von ihr kommen die vermutlich spektakulärsten und kompromisslosesten Kampfszenen. Nicht sauber durchchoreographiert, sondern wild und kreischend wie ein wildes Tier, aber effektiv und absolut tödlich.
Dieses ungleiche Trio bestens aufgelegter und ihre Figuren treu umsorgender Darsteller auf seinem verhängnisvollen Roadtrip auf der Flucht vor übermächtigen und skrupellosen Verfolgern zu beobachten, ist trotz der nicht immer unvorhergesehenen Wendungen fast durchweg faszinierend. Wenn Mangold den Vorhang vor einer geheimen Nemesis lichtet, die man sich auf keinen Fall spoilern lassen sollte, ist das pure, gemeine Magie. Ab diesem Punkt wird dieser Film zu der Terminator-Fortsetzung, die es niemals gab - nur eben mit mittlerweile locker ebenso ikonischen Figuren.
Perfekt ist Logan bei Weitem nicht und ihr werdet von mir keine Superlative der Marke "der beste Marvel-Film" lesen. Nicht nur, weil ich solche Vergleiche nicht besonders schätze, sondern weil er so anders ist, dass er gewissermaßen außer Konkurrenz läuft. Jüngere X-Men-Fans (auch "reifere" Kinder, vertraut mir) haben hier absolut nichts zu suchen und selbst vielen Erwachsenen dürfte dieser Film schlichtweg zu trostlos oder brutal sein. In der Mitte hätte man vielleicht eine gute Viertelstunde kürzen können und dass das Drehbuch den aufopferungsvollen Darstellern ganz am Schluss eine unpassende Portion Wehmut in den Mund legt, nahm ich ihm kurz übel, bevor mich der Film mit einer finalen Geste zum Abschied dann doch wieder emotional am Schlafittchen hatte.
Und jetzt? Die Bekundungen, dass dies Jackmans letzter Auftritt als Wolverine sei, waren wohl nicht gelogen, während die Rahmenhandlung Logans es schwer macht, in diesem Universum weitere X-Men-Geschichten zu erzählen. Es würde mich nicht wundern, wenn das hier der Film vor dem nächsten, diesmal richtigen Reboot wäre. Mit neuer Darstellerriege und einem Ton, der nicht so schizophren zwischen den Welten wandelt wie die zu ihrer Zeit tollen, aber mittlerweile überholten ersten Filme der Serie. Nach diesem Streifen wäre es auch problemlos möglich, das Universum mit Ausnahme von geeigneten Einzelfilmen, etwa von Deadpool, komplett ruhen zu lassen. Das Einzige, was schwerer zu ertragen wäre als dieser Film, wäre jedoch, wenn ihn Fox mit einem Federstrich ungeschehen machte wie seinerzeit den dritten X-Men durch die Geschehnisse von Days of Future Past. Alles, nur nicht das. Bitte!
Was ist Freitagskino?
Jeder Mensch braucht mal Abwechslung. Wir alle mögen Kino, also schreiben wir (fast) immer freitags über Filme oder Serien. Keine Sorge, wir versuchen nicht, etablierten Filmkritikern große Konkurrenz zu machen, sondern einfach nur zu berichten, wie ein Film auf uns wirkte und ob wir dazu raten würden, ihm eine Chance zu geben. Welche Filme oder Serien das sind, hängt davon ab, was derjenige Autor in den letzten Wochen sah. Wir unterwerfen uns jedenfalls nicht vollends dem Diktat der Aktualität.
Es können aktuelle Blockbuster, ausgemachtes Genre-Kino, aber auch Arthouse-Geheimtipps sein, die noch im Filmspielhaus um die Ecke laufen. Die neueste Netflix-Serie kommt ebenso unter die subjektive Lupe wie ein alter HBO-Liebling, der sich nach Jahren unserem unter Umständen veränderten Geschmack stellen muss. Ebenso werden immer wieder nach Ewigkeiten wiederentdeckte Schätze zur Sprache kommen, überbewertete Klassiker oder unterschätzte Perlen. Wie gesagt, wir wollen euch damit nur ein wenig Diskussionsstoff über das zweitbeste Geek-Hobby liefern - und ein paar Inspirationen, was sich vielleicht lohnen könnte. Wir hoffen, euch macht die Rubrik genau so viel Spaß wie uns, auch wenn diese Sorte Unterhaltung zur Abwechslung mal nur bedingt interaktiv ist.