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Front Mission Evolved

Experiment misslungen

Als Fan ist man erst einmal skeptisch, wenn Square in Zusammenarbeit mit einem guten, aber nicht überragenden westlichen Studio ihre rundenbasierte Mech-Serie in ein Action-Format transformiert. Vor allem, wenn man bedenkt, wie wenig sich in dem Sub-Genre der Mech-Kämpfer in den letzten Jahren getan hat. Selbst From Software, die nach vielen Jahren Mittelmäßigkeit mit dem knallharten Demon's Soul endlich mal wieder einen echten Hit abliefern konnten, haben bei der anderen großen Mech-Serie, Armored Core, in der aktuellen Konsolengeneration nur Bockmist fabriziert.

Nun also Double Helix, die sich mit ihren westlichen Wurzeln eigentlich an den genialen Mechwarrior-Teilen orientieren könnten. Doch die Zusammenarbeit mit den Japanern hat scheinbar auch ihren Preis. Front Mission Evolved hat zwar leichte westliche Einflüsse, insbesondere was die Figuren angeht, aber gerade beim Storytelling und beim eigentlichen Gameplay geht man ganz klar japanische Wege. Eine Richtung, die bei Mech-Titeln die letzten Jahre eigentlich nur in die Hose ging.

Und nein, die Wucht und Brillianz eines Mechwarriors wird eigentlich zu keinem Zeitpunkt erreicht. Dazu ist Front Mission Evolved über weite Strecken technisch und spielerisch klar unterlegen. Ja, die Zwischensequenzen sind schön bombastisch und die Story bietet eigentlich alles, was man als Trash-Fan erwartet. Hier geht es nicht nur um das Wohl einzelner, sondern gleich um die ganze Welt. Es werden Vater-Sohn-Beziehungen abgefertigt, kleine Liebeleien und dramatische Opferungen. Kurz: Die cheesigen Helden müssen mit Verlust und Schuld umgehen. Das "ganze" Gefühlsspektrum, typisch japanisch eben.

Blechdosen-David gegen Blechdosen-Goliath. Ratet mal, wer gewinnt.

Zeitlich spielt der Third-Person-Shooter ca. 30 Jahre nach Front Mission 5. Die Welt ist inzwischen in fünf Supernationen unterteilt. Europa, Asien, Ozeanien, Nordamerika und Russland leben relativ friedlich nebeneinander her. Im Weltraum über der Erde sorgen Orbital-Aufzüge für reges Treiben und man belauert sich gegenseitig. Immer wieder kommt es zu kleineren Grenzkonflikten, doch im Prinzip lebt man 2157 im Frieden. Bis, ja bis mal wieder irgendein Vollidiot auf die Idee kommt, mit einem verschlagenen Plot die Menschheit bis an den Abgrund zu führen.

Und na ratet mal, wer den Karren aus dem Dreck fahren soll? Ihr. Genauer gesagt Dylan Ramsey, der wie sein Namensvetter Freeman eigentlich als Ingenieur arbeitet. Und dieser niemand, der natürlich in einem supergeheimen Prototyp-Wanzer (ja, so heißen die Teile) sitzt, muss nach einer mysteriösen Invasion den bösen Machenschaften auf den Zahn fühlen. Okay, die Zwischensequenzen sind nett inszeniert und es wird wirklich jedes Trash-Thema bedient. Trotzdem wirkt die Geschichte auf Dauer ein wenig fade. Was zum Teil auch an seltsamen Detailentscheidungen liegt.

Während nämlich das Mech-Design herrlich futuristisch (japanisch) daherkommt, sieht das Cockpit aus wie in meinem Golf. Unangeschnallt sitzen die gelackten Piloten zwischen ein paar blinkenden Paneelen und versuchen mit zwei wackeligen Dildos die sauteuren Kampfmaschinen zu steuern. Das kommt wohl dabei heraus, wenn sich westliche Designer um japanische Roboter kümmern. Man, man, man, in solchen Momenten wünsche ich mir endlich einen Mechwarrior- oder Zone-of-the-Enders-Nachfolger herbei.

Auch optisch bietet Front Mission Evolved weder Fisch noch Fleisch. Roboter super, Umgebung eine Katastrophe. So wenig Details gab es wirklich selten zu sehen. Selbst das Xbox-Mechwarrior bot anfang des Jahrttausends zerstörbare Gebäude und offene, glaubhafte Areale.

Das Super-Duper-E.D.G.E.-System verlangsamt die Gegner und markiert sie mit viel roter Farbe.

Bei Front Mission Evolved kann man dagegen nur ein paar Kisten und Säulen zerstören. Im Vergleich zu einem Bad Company 2 eine echte Lachnummer. Hallo, die Dinger sind 13 Meter hoch und tragen Massenvernichtungswaffen mit sich herum. Wieso bleibt dann diese dämliche Lagerhalle auch nach dem hundertsten Raketentreffer wie angewurzelt stehen. Kleiner Tipp an Double Helix: Schaut euch mal den neuen Mechwarrior-Trailer an. So sieht ein Mechspiel im Jahr 2010 aus.

Immerhin: Das Gameplay funktioniert unter den beschränkten Rahmenbedingungen und viel zu engen Karten eigentlich recht gut. Beschleunigt durch Raketenantrieb rast ihr durch die Level und liefert euch mit dem feindlichen Blechdosen relativ spannende, abwechslungsreiche Gefechte. Besonders die taktischen Möglichkeiten der komplett umbaubaren Wanzer samt Perks holen hier mal wieder die Kohlen aus dem Feuer. Dank Dutzenden Waffen, Bauteilen und Spezialfähigkeiten gibt es Hunderte mögliche Varianten, um einen Level zu bezwingen. Nahkämpfer stürmen mit Schild und Schwert voran, Raketen-Fans schnappen sich eine dicke Bazooka und einen Schulterraketenwerfer - und wer sich die Probleme lieber auf Entfernung vom Hals schafft, packt das Riesenscharfschützengewehr aus und verwandelt das Standard-Kanonenfutter mit zwei Treffern in Altmetall.