Frostpunk 2 lässt mich ein politisches Tauziehen im ewigen Eis verwalten
Mit eis-erner Faust?
Ach, du lieber Himmel! Natürlich war mir klar, dass nicht nur die Kohle knapp sein würde, sondern bald auch die Speisekammern. Aber soll ich jetzt wirklich die Alten aus der Stadt verbannen, damit der Rest mehr zu essen hat? Vor diese Wahl stellt mich Frostpunk 2, als ich es ein paar Stunden lang auf einem Event von Entwickler 11 bit gespielt habe.
Dabei handelte es sich um den Einstieg. Die ganz schwierigen Entscheidungen standen vermutlich also noch gar nicht an. Und trotzdem hatte ich sowohl mit dem erwähnten Dilemma als auch vielen weiteren vertrackten Situationen schon alle Hände voll zu tun. In Frostpunk 2 verwaltet man nämlich nicht nur die relativ überschaubare Stadt des Vorgängers, sondern eine schnell daraus entwachsene Metropole, in der neben Leben und Tod auch die Interessen verschiedener Fraktionen auf dem Spiel stehen.
Kann euch doch egal sein? Vorsicht: Als neuer Verwalter, der sich erst beweisen muss, steht euer Ansehen auf dem Spiel, das von jeder Aktion ins Positive oder Negative beeinflusst wird. Und fallt ihr dabei auf ein nicht mehr tragbares Minimum, werdet ihr politisch abgesägt. Tatsächlich habe ich das am Ende meiner Sitzung sogar „geschafft“. Das Ergebnis war ein ruhmloses Game Over. Diese Gefahr schwebt daher über allen Entscheidungen, die man in Frostpunk 2 trifft.
Dabei ist vieles durchaus vertraut – nicht unbedingt aus dem Vorgänger, aber aus anderen Aufbau-Titeln. Nehmt zum Beispiel das Anlegen neuer Distrikte der Marke Wohngegend, Industrieviertel, Ressourcengewinnung, Nahrungsherstellung oder Gewerb… Verzeihung: Logistikgebiet. Sollen die Distrikte zusätzlich bestimmte Funktionen erfüllen, etwa Forschung betreiben, müssen dort außerdem entsprechende Einrichtungen gebaut werden.
Und ich will an dieser Stelle gleich erwähnen, wie verdammt cool Frostpunk 2 nicht nur im Allgemeinen aussieht, sondern wie stilvoll das ist, wenn die Stadt Stück für Stück ins ewige Eis hineinwächst, während altmodische Lautsprecherdurchsagen durch die schmutzigen Gassen hallen. Selbst die Menüs empfinde ich als ausgesprochen edel, weshalb es Spaß macht, diesem New London beim Wachsen zuzusehen. Spätestens wenn man Expeditionen in die Umgebung entsendet, um dort vergrabene Rohstoffe anderer Siedlungen zu entdecken oder Kolonien zu errichten, nimmt New London nämlich eine Größe an, die weit über seine Dimensionen im Vorgänger hinausgeht.
Zum reinen Zuschauen bleibt aber freilich wenig Zeit, den ständig gilt es irgendwo ein Loch zu stopfen. Da sterben etwa Kinder, weil es in New London noch keinen geregelten Bildungsweg gibt. Das könnte man einfach ignorieren. Man könnte aber auch einen von zwei Gesetzesentwürfen zur Abstimmung bringen und bestimmen, dass Kinder im Gewerbe ihrer Eltern angelernt werden, um das allgemeine Einkommen zu erhöhen. Oder aber man schreibt Schulbildung vor, was die finanzielle Situation weiter verschlechtert, aber der Forschung zugutekommt.
Und soll man Nahrungsmittel auf natürlichem Weg herstellen oder eine Hungersnot durch das Verwenden chemischer Methoden lindern, damit aber Krankheiten riskieren? Soll man Flüchtlinge wieder aufnehmen, die sich aufgrund der Überbevölkerung an heißen Quellen im Umkreis der Stadt niedergelassen haben? Soll man die zentrale Kohleförderung vorantreiben, indem man den industriellen Abbau vorantreibt, dadurch aber womöglich später wiederum vor der Wahl steht, ob man neue Filteranlagen erforschen, das Problem der Luftverschmutzung anderweitig lösen oder es gar ignorieren will.
Jede dieser Verzweigungen hat Folgen, die vielleicht kein sofortiges Umdenken erfordern, aber in entscheidender Weise die weitere Entwicklung beeinflussen – mal ganz davon abgesehen, dass sich viele der Entscheidungen auf das Wohlwollen der sehr unterschiedlichen politischen Fraktionen auswirken. Und das bekommt man spätestens dann zu spüren, wenn der Senat eine Entscheidung treffen soll.
Denn dort braucht jede Gesetzesänderung eine Mehrheit und falls man die nicht bekommen würde, kann man einzelnen Parteien Versprechungen machen, um sich deren Stimmen zu sichern. Wobei manche Fraktionen gar nicht erst verhandeln, wenn ein Vorschlag ihren Idealen widerspricht. Vielleicht setzt man dann einfach das komplette Gremium pauschal „unter Druck“ – eine Notlösung, die sicherlich deshalb immer zur Verfügung steht, um spielerische Sackgassen zu verhindern. Die sich allerdings auch sehr negativ auf das eigene Ansehen auswirkt.
Mir gefällt diese Art der Diplomatie richtig gut, weil sie sich um Werte und Zugeständnisse dreht und sich nicht nur auf die Verteilung verschiedener Ressourcen auswirkt. Das politische Wirken kommt meinem ersten Eindruck nach jedenfalls hervorragend rüber, da das Tauziehen unter verschiedenen Interessen ständig spürbar ist. Ich meine: Es gibt ja sogar diejenigen, die irgendwann den Kohle-Generator abschalten wollen! Ob sich die Herstellung von Kleber verhindern lässt, konnte ich allerdings noch nicht herausfinden.
Ähnlich wie bei The Alters habe ich in den ersten Stunden natürlich nur einen überschaubaren Eindruck davon erhalten, was Frostpunk 2 am Ende ausmachen wird. Allerdings finde ich dieses Verwalten einer unter schwierigen Bedingungen wachsenden Stadt schon mal klasse. Ich freue mich deshalb sehr darauf, die Grenzen von New London immer weiter über das ewige Eis zu schieben und die widersprüchlichen Interessen seiner Bevölkerungsgruppen zu balancieren.