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Für eine Handvoll Dollar mehr – Eine Bilanz der Generation DLC

Herunterladbare Inhalte sind die beste Idee der scheidenden Ära PS360, aber es hapert an der Umsetzung.

Ich bin niemand, der häufig oder mit großer Regelmäßigkeit Geld für herunterladbare Inhalte ausgäbe. Dennoch sind sie eine elegante Lösung für eine ganze Reihe von Herausforderungen, die sich den Herstellern und Entwicklern von Videospielen heutzutage stellen. Sie sind keinesfalls eine erzwungene Änderung der Gepflogenheiten dieses Mediums. Auch wenn es in Zeiten teilweise überbordender Spielzerfaserung mit diversen Vorbestellerboni bei verschiedenen Händlern und dergleichen nicht so scheinen mag, ist das 'Konzept DLC' durchaus ein evolutionär entstandenes Produkt. Das Ergebnis natürlicher Marktauslese.

Mit DLC nimmt ein Publisher zumindest bei einem kleinen, aber potenziell wertvollen Teil seiner Spielerlöse den Einzelhandel und private sowie kommerzielle Weiterverkäufer aus der Rechnung. Durch ihre Entwicklung beschäftigt man Teile der heutzutage mithin gewaltigen Entwicklungsteams sinnvoll in den Phasen, in denen sie andernfalls wenig bis gar nichts zu tun hätten. Während des Bug-Fixings oder wenn das Gold-Muster zur Zertifizierung und anschließend zum Presswerk rausgeht. Und nicht zuletzt mildern sie das Cashflow-Problem von Teams, die normalerweise nur alle paar Jahre ein Produkt in die Läden bringen, das Geld in die Kassen spült.

Was haben sie sich dabei gedacht!?

Den besten Ruf haben herunterladbare Inhalte trotzdem nicht, was einigen frühen Fehltritten und auf der bis heute andauernden Suche vieler Hersteller nach dem richtigen Weg zur Last zu legen ist. Und das ist bedauerlich, denn DLC ist auf dem besten Wege, sich in eine Richtung zu entwickeln, die dieses Medium wirklich voranbringt - wenn die Spieleschaffenden sie denn finden.

Fehlgeleiteter Mut zur Lücke: Assassin's Creed II.

Die inhärente Abneigung der Darreichungsform DLC - außer, wenn es um die fast allenthalben beliebten Multiplayer-Erweiterungen für einschlägige Shooter-Platzhirsche geht - bei einem ordentlichen Teil der Zielgruppe ist dabei in jedem Fall hausgemacht. Der vielleicht prominenteste und prägendste Lapsus in dieser Hinsicht unterlief seinerzeit Ubisoft bei Assassin's Creed II. Kapitel 12 und 13 reichte man einfach als Bezahl-DLC nach, während das Spiel seine Sequenzen im Pausemenü für jeden sichtbar bis 14 zählte. Patrice Desilets' Bestätigung, dass die Zusatz-Level ursprünglich tatsächlich Teil der Kampagne waren, prägt bis heute das Verständnis vom DLC, der noch eine Generation zuvor Teil des veröffentlichten Hauptspiels gewesen wäre.

Doch das muss aus mehreren Gründen so nicht stimmen: Tatsächlich wurde schon damals die Entscheidung auf kreativer Seite getroffen, weil AC II einfach zu groß war, um es zum angepeilten Zeitpunkt fertigzubekommen. Zum anderen waren die "Schlacht um Forli" und "Fegefeuer der Eitelkeiten" zwei in höchstem Maße vernachlässigbare Episoden, die mehr unnötiges Streckwerk waren. In dem ansonsten so tollen Abenteuer wären sie, so kurz vor dem Showdown, irgendwie fehl am Platz gewesen. Im Nachhinein war ich froh, dass mir der Entwickler diesen Knüppel nicht schon im Hauptspiel zwischen die Beine geschmissen hatte. Die Tatsache, dass die Auslassung der Kapitel 12 und 13 nur auffällt, weil sie eben im Menü so auffällig durch Abwesenheit glänzten, spricht Bände über die Bedeutung, die diese beiden Spielabschnitte für Assassin's Creed II als Ganzes hatten. Ich bezweifle sogar, dass sie es in einer Welt ohne DLC zwingenderweise auf die Disc geschafft hätten.

Die Natur der Sache

In jedem kreativen Feld verändert sich das Produkt während seiner Entstehung unentwegt. Ein Blick in jede beliebige "Deleted Scenes" Blu-ray aus dem Filmregal bestätigt, dass viele Unterhaltungsprodukte durch mutige Schnitte an Qualität gewinnen, selbst wenn die Quantität leiden muss. Es sei denn natürlich, man hat einen Streifen von Ridley Scott in der Hand, aber Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel. Auch die Spielentwicklung ist so ein fließender Prozess. Ganze Handlungsstränge, Gruppen von Figuren und reihenweise Level fallen halb oder sogar schon ganz fertig der Schere zum Opfer, weil sie aus diversen Gründen nicht passen. Hier haben die Entwickler und Hersteller in toten Produktionsphasen die Gelegenheit, bereits angefangenes Material, in das Geld und Zeit geflossen sind, doch noch in ein Produkt zu verwandeln. Ein Großteil der Zusatzinhalte, so wie wir sie heute bekommen, würde ohne die Möglichkeit des DLCs überhaupt nicht existieren. In gewisser Weise erhöht dies nur die Auswahl der Fans. Das hat weniger mit übertriebener Geldgier zu tun, als mit dem Willen, eine Gelegenheit zu nutzen, die es vor zehn Jahren noch nicht gab.

Die Kasumi-Kampagnenverlängerung ging in Ordnung.

Das geht natürlich so weit, dass schon zu Beginn der meisten Produktionen ein Ziel für monetaresierbare Post-Launch-Inhalte ausgegeben wird. Wenn die Entwickler ihre Sache jedoch richtig machen, haben wir es hier im schlimmsten Fall mit Resteverwertung schwankender Qualität zu tun, die kein spürbares Loch im Hauptspiel hinterlässt. Ob man so etwas braucht, ist eine andere Frage, die die Presse nur in Einzelfällen vehement bejaht. Auf Metacritic etwa verortet die aggregierte Kritikermeinung etwa die vier Mass-Effect-2-DLCs mit ausgewertetem Metascore (von "Shadow Broker" bis "Kasumi") im Schnitt mit zwanzig Punkten weniger als das Hauptspiel. Das war zwar mit 96 Meta-Prozent blendend gut bewertet, doch es wird schnell klar, wohin die Reise geht, wenn man sich ähnliche Titel mit Story-DLC anschaut.

Bei Mass Effect 3 (93 Prozent im Schnitt) kommt ein weiteres Quartett Zusatzinhalte von "Citadel" bis "From the Ashes" im Schnitt sogar nur auf 68 Punkte. Obwohl hüben wie drüben immer ein paar Highlights darunter sind, lässt sich eine ähnliche Bilanz lässt für Dragon Age: Origins ziehen. Und zwischen den Assassin's-Creed-Hauptspielen und ihren DLC-Ablegern gibt es vergleichbare Wertungsgräben, die nur noch tiefer werden, wenn man sie neben die User-Meinungen des Review-Aggregators hält. Es ist zusätzlicher Content, inhaltlich vor, während oder nach der Haupt-Geschichte der jeweiligen Vorlage angesiedelt und qualitativ von passabel bis sehr gut. In den seltensten Fällen aber wirklich essenziell, was die Frage, ob die Spieler hier nicht doch wirklich für wichtige Teile des Hauptspiels doppelt zur Kasse gebeten werden, noch einmal mit Nachdruck verneint.

Die dunkle Seite

Mit dieser Art Inhalt solltet weder ihr noch ich ein Problem haben und schlicht mit eurem Portemonnaie wählen. Ein Schaden entsteht uns dadurch nicht, während die Entwickler der Spiele, die wir so lieben, davon profitieren. In Schieflage gerät dieses Bild, wenn es um andere, viel schlimmere Entgleisungen geht. Hier wird es teilweise wirklich hässlich, wenn Electronic Arts etwa seit Jahren mit jedem neuen Tiger Woods für dieselben optionalen Bonus-Kurse die Hand aufhält, anstatt seinem Franchise ein Gedächtnis für die Käufe seiner treuen, wiederkehrenden User einzuimpfen.

"An anderer Stelle errichten Hersteller wie Capcom einen Zaun um Inhalte, die sich schon ab Werk auf der Disc befinden, die man aber trotzdem für teures Geld bezahlt."

Einige Figuren des 'DLCs' zu Street Fighter X Tekken befanden sich bereits auf der Disc.

An anderer Stelle errichten Hersteller wie Capcom einen Zaun um Inhalte, die sich schon ab Werk auf der Disc befinden, die man aber trotzdem für teures Geld bezahlt. Hier geht es zwar im Grunde um das Prinzip und darum, ob die Darreichungsform okay ist. Es ist trotzdem eine Praxis, die sich einfach nicht richtig anfühlen will, Fertigungsrealitäten hin oder her. Etwas älteren Datums, aber nicht weniger berüchtigt ist Ubisofts Prince-of-Persia-Reboot, dessen echtes Ende nur als Bezahl-Epilog zu haben war. Ich hätte mit dem Finale, so wie es das Hauptspiel zeigte, gut leben können. Doch Ubisoft war fest entschlossen, mich daran zu erinnern, dass der schön nihilistische Schluss nicht der wahre Jakob war.

Auch bei Konami - Lords of Shadow - oder Electronic Arts - Dead Space 3 - oder Capcom - Asura's Wrath - reicht man mittlerweile die "echten" Enden zu einzelnen Spielkampagnen in teilweise sehr wiedergekäuten Spielumgebungen und zu viel zu hohen Preisen nach. In eine ähnlich ärgerliche Kerbe, wenn auch aus anderen Gründen, schlägt mit Need for Speed: Most Wanted erneut ein EA-Produkt, das kürzlich im Rahmen der SimCity-Kasteiung des Konzerns auf meine Festplatte wanderte. Ich freute mich riesig auf Criterions Open-World-Raser, bis ich merkte, dass der Titel all seine ungezählten DLC-Autos sichtbar in die Welt stellt. Bei gefühlt jedem zweiten Wagen, an den ich heranfuhr, blinkte am unteren Bildschirmrand statt der Umsteigen-Taste die Aufforderung zum Kauf. Ich war noch nie so schnell davon kuriert, eine Open-World-Umgebung erkunden zu wollen, wie hier. Mittlerweile ist das Spiel wieder gelöscht und ich bin ziemlich sicher, dass das auch so bleibt.

Licht am Ende des Tunnels

Dies sind nur wenige Paradebeispiele für Titel, die sich ohne Transaktion nie mehr komplett anfühlen und in denen die nachträgliche Veröffentlichung zusätzlicher Inhalte irreparablen Schaden am eigentlichen Produkt angerichtet hat. Ignorieren ist aus unterschiedlichen Gründen unmöglich, die Auslassungen lassen den User unbefriedigt zurück. In diesen Fällen nimmt der eigentlich gesunde Menschenverstand und das effiziente Wirtschaften der Hersteller eine Form an, die den Kunden und das Spiel komplett aus den Augen verliert. Die 'Pferderüstung' von Bethesdas Elder Scrolls IV: Oblivion (2,50 Euro immerhin!) wirkt dagegen richtiggehend drollig.

Ah, good times! ... Moment Mal!

Die zahllosen Versuche der verschiedenen Hersteller, ihre Spiele in kleinen Stückchen zu Geld zu machen, sagen viel darüber aus, dass die Findungsphase der Industrie noch nicht abgeschlossen ist. Die digitale Revolution scheint sie überrumpelt zu haben, auf den vielen Wegen, die sich im Zuge dessen auftaten, irren einige noch ziellos umher - oder besser gesagt: Sie haben ein Ziel. Sie wissen nur noch nicht, ob sie an der letzten Kreuzung auf die richtige Straße gesetzt haben. Dass ihre Ansätze so vielgestaltig daherkommen, macht aber auch Hoffnung. Ausgerechnet EA hat mit dem Ressourcen-DLC von Dead Space 3 eine annehmbare Blaupause für eine neue Art von Monetarisierung geliefert, an der sich niemand stören muss. Wer so mogeln möchte, kann das gegen Geld tun, alle anderen freuen sich über ein Schürf- und Crafting-System, das sich trotzdem belohnend und gut ausbalanciert anfühlt.

Die Hersteller haben die Macht des DLC erkannt, wissen jetzt, was er für sie tun kann. In der nächsten Generation müssen sie konsequenter darauf schauen, wie sie damit ihrem Kunden und dem Produkt den besten Dienst erweisen. Einige wenige wissen das bereits: ein 2K, das mit Minerva's Den BioShock 2 um eine brillant geschriebene, frische Episode ergänzte, die das komplette Basisspiel aufwertete. Ein Rockstar, das zwei Krimis im GTA-IV-Universum veröffentlichte, die weit besser waren, als die Vorlage, oder mit Undead Nightmare seinen Spätwestern Red Dead Redemption auf den Kopf stellte. Nicht zu vergessen Ubisoft, die jüngst mit Far Cry 3: Blood Dragon die Actionwelt von vorgestern auf eine mit rosa Plüsch verzierte Schippe nahm.

Die internen Diskussionen über gewisse Berührungsängste der Zielgruppe hätte ich gerne belauscht.

Diese Beispiele zeigen, wozu DLC in seinen besten Momenten fähig ist, wenn er mit den Erwartungen der Fans spielt und auf dem Rücken eines bereits existierenden Spiel- und Regelwerks etwas Neues erschafft. In dieser Form ist er nicht nur das bestmögliche Resultat für den Spieler, sondern auch für die Entwickler selbst. Mussten sie in den vergangenen drei Jahren der Entwicklung des Hauptspiels ihre Kreativität an die Leine legen, können sich im Anschluss daran kleinere Unter-Teams richtig die Hörner abstoßen und schräge Ideen verwirklichen. Hier erwachsen auch aus großen Studios mutige und unerprobte Geschichten, die bei der Geschäftsführung, die den Aktionären Rechnung schuldig ist, als nur schwer vermittelbar gelten. Hier entstehen die Balladen über schwule Tonys oder Michael-Biehn-Liebesbriefe aus Montreal.

Ziehen die Hersteller aus diesen Glücksfällen die richtigen Schlüsse, wächst DLC in der nächsten Generation weit über die Rolle der Cashflow-Pumpe hinaus. Er kann zu einer effektiven Testumgebung für waghalsige und exotische Einfälle werden und vermeintlich tote Spielkonzepte in den Augen der Publisher wiederbeleben. Und wenn es für diese Erkenntnis zunächst Pferderüstungen und zig nachgereichte Enden gebraucht hat, dann ist es das trotzdem wert gewesen.

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