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Fullbright Presents: Toilet Spiders – Das neue Spiel des Gone-Home-Machers lässt mich fragend zurück

Die spinnen, die Spinnen!

Hmm… Spinnen, die aus Toiletten kriechen. Wobei man erst direkt in die Keramik glotzen muss, bevor das passiert. Die Spinnen sind dann tödlich, warum auch immer – es sei denn, man hat eine Blendgranate dabei, denn die beseitigt, warum auch immer, das Problem. Außerdem kann man mit Glühbirnen von außen auf Toiletten schießen. Falls sich dann eine Spinne darin befindet, stirbt sie. Warum auch immer.

Ich befürchte, dass mich Steve Gaynor mit Fullbright Presents: Toilet Spiders, einem Mix aus Surival-Horror, Roguelike und Wandersimulator, leider komplett auf dem kalten Fuß erwischt. Dabei hatte ich sofort zugeschlagen, als der einer der kreativen Köpfe hinter Gone Home, Tacoma sowie der meiner Meinung nach ersten guten DLC-Erweiterung ihrer Art, Minerva’s Den für BioShock 2, die Veröffentlichung seines ersten Spiels als Solo-Entwickler bekanntgab.

Moment mal: Was ist denn mit den anderen Mitgliedern von Fullbright? Die haben das Studio im vergangenen Jahr verlassen und das Spiel, welches damals bereits in Arbeit war, Open Roads, mitgenommen. Der Grund war offenbar Gaynors Verhalten vor allem seinen weiblichen Mitarbeiterinnen gegenüber, mit dem er ihnen wohl vor allem Kompetenz absprach. Laut eigener Aussage hat er sich das zu Herzen genommen, ist seitdem als Solist unterwegs und hat nun sein erstes nur von ihm gemachtes Spiel veröffentlicht.

Das ist nicht als Urteil gedacht, sondern damit ihr den Namen des Studios mit den doch sehr überschaubaren Produktionswerten in Verbindung bringen könnt. Wobei die auch damit in Verbindung stehen, dass Gaynor unter Fullbright Presents eine Reihe kleinerer Titel veröffentlichen will. Und das gerade mal knapp sechs Euro günstige Toilet Spiders macht den Anfang.

Worum es da geht? Als nicht näher beschriebener „Freiwilliger“ – einer von drei – findet man sich in einem leeren Raum wieder. Eine Tür öffnet sich dort und schon kann man ein recht geradliniges Gebäude mit gelegentlichen Türen rechts und links des Wegs erkunden. Neben Glühbirnen findet man dort besagte Blendgranaten, einen Geigerzähler, jede Menge Toiletten und eine verschlossene Tür.

Es versteht sich von selbst, dass sich der Schlüssel zu dieser Tür in einer der Toiletten befindet, weshalb man so lange in jeder von denen danach suchen muss. Spieler mit Zwangsstörungen sowie solche mit einer regen Geruchsfantasie klatschen in die Hände. Auf jeden Fall sind sowohl Schlüssel als auch Spinnen und sämtliche Gegenstände bei jedem Run anders verteilt, weshalb man anfangs munter das Zeitliche segnet, um daraufhin als nächster der drei Freiwilligen weiterzumachen, bis man irgendwann den Ausgang oder das endgültige Game Over erreicht. Erst dann geht es mit neu gemischter Zufallsverteilung wieder komplett von vorne los.

Fullbright Presents: Toilet Spiders

Das Blöde daran: Das ist überhaupt nicht spannend. Es ist auch nicht lustig oder subversiv. Mag sein, dass ich das alles nur nicht sehe. Zumindest bin ich laut Steam aber eine knappe halbe Stunde durch alle Räume gerannt, bevor ich den Ausgang freigeschaltet habe. Dann ist etwas passiert, das mir ein weiteres Game Over bescherte. Die Lust, es noch mal zu versuchen, ist anschließend allerdings ausgeblieben.

Das Spiel ist ja eine reine Rechenaufgabe der Marke Grundschularithmetik. Wie viele Blendgranaten habe ich zur Verfügung, um welche Toiletten gefahrlos zu öffnen? Auf welche Toiletten muss ich eine Glühbirne werfen, um die eventuell darin befindliche Spinne zu töten (diese Mechanik erscheint mir nach wie vor selten dusselig, weil sie nicht den geringsten Sinn ergibt) und welche ungeöffneten Toiletten kann ich ignorieren, weil ich weiß, dass es sich eine Spinne darin gemütlich gemacht hat? Der Geigerzähler schlägt nämlich nur in Räumen aus, in denen sich eine Spinne aufhält.

Zu allem Überfluss sind lediglich die Spinnen und Gegenstände zufällig verteilt, während die Räume nicht prozedural angeordnet werden, sondern immer exakt gleich aussehen. Da liest man dann auch jedes Mal dieselben Notizen mit der bislang komplett nebensächlichen Geschichte.

Und nur, um das klar zu sagen: Außerhalb der Toiletten herrscht nicht die geringste Gefahr. Dabei versprühen das Kriechen und Krabbeln hinter der Wand beziehungsweise in Lüftungsschächten sowie ein paar weitere Geräusche durchaus gelungenes Grusel-Flair. Überraschend angegriffen wird man aber nie. Nicht einmal die Schatten bewegen sich, obwohl eine Notiz genau das suggeriert.

Ist das Ganze etwa nur ein Seitenhieb auf sämtliche Spiele, die eins der vorhandenen Elemente enthalten? Immerhin ist Toilet Spiders noch nicht fertig, sondern befindet sich im Early Access. Weitere Inhalte sollen daher noch dazukommen. Ich sehe im Moment nur überhaupt nicht, wie die das Erlebnis sinnvoll bereichern könnten. Tatsächlich müsste ich mich zwingen, noch mal von vorn zu beginnen – um dann immer noch nicht zu wissen, wie ich unter Zeitdruck den Ausgang erreichen soll.

Wie gesagt: Ich habe nach dieser eigenwilligen halben Stunde mehr Fragen als alles andere. Wobei ich nicht einmal böse wäre, wenn mir schlicht der Blick für ein größeres Ganzes fehlen würde. Ich sehe hier nur nicht einmal, dass es irgendein größeres Ganzes überhaupt geben könnte. Eventuell hat es Gaynor bei seinem ersten Solo-Projekt also einfach nur die kreative Sprache verschlagen, wer weiß. Ich kann mit seinen Toilettenspinnen jedenfalls nichts anfangen.

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Benjamin Schmädig Avatar
Benjamin Schmädig: Für ihn ist WipEout 2097 der Grund, aus dem es Videospiele gibt – aber auch Indiesachen, Shooter sowie fast alles, das mit Weltraum zu tun hat. Sucht gute Storys, knackige Herausforderungen und freut sich, wenn die grauen Zellen nicht unterfordert werden.
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