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Fuse - Test

Was passiert, wenn man allen gefallen will.

Es gibt im Fünften der sechs langen Level von Fuse zwei Zeilen Dialog, die durchaus hilfreich sind, das zentrale Problem dieses Spiels zu erörtern. Nachdem sich zu einem der fliegenden Whistler-Feinde noch eine zweite dieser besonders hartnäckigen Drohnen gesellt, fragt einer aus dem vierköpfigen Heldenquartett: "Noch einer!? Das kann doch nicht deren ernst sein!?" Anführer Dalton wendet daraufhin ein, die Sache bliebe so immerhin interessant. Ein Austausch, der zwar mit einem ironischen Unterton vorgetragen wird, aber trotzdem den großen Irrtum Insomniacs entlarvt. Einfach den Gegner-Zähler mal zwei zu multiplizieren, ist alles eben andere als ein cleverer Kniff, um das Spielerinteresse hochzuhalten.

Diese Sorte Vorhersehbarkeit ist es, die den spielerischen Fahrplan des Koop-Shooters für vier bestimmt. Gang, Lüftungsschacht-Gitter aufdrücken, dahinter in einem Raum voller hüfthoher Deckung eine Ladung gesichtsloser Gegner ummähen. Tür hacken, dann die kurze Klettersequenz und im Anschluss wieder ein paar Soldaten, diesmal samt Riesen-Roboter - wenn man Pech hat, in doppelter Ausführung. Mehr Tricks beherrscht Fuse nicht, auch wenn ich die mittlerweile obligatorischen Zipline-Schlittereien, die jede Mission an ein bis zwei Stellen unterbrechen, ungerechterweise unterschlagen habe. Dass sich dieses Schema durch jede der recht traditionellen Agentenfilm-Kulissen zieht und selbst im All nicht wesentlich variiert wird, sagt eigentlich schon alles aus.

In jedem Level kommt es zur Konfrontation mit diesen Mechs, die gegen Fuse-Effekte mehr oder weniger immun sind.

Dabei kann man es durchaus als Kompliment an die Basics des Spiels auffassen, dass dieses Strickmuster tatsächlich noch unterhaltsam genug ist, sich an einem Wochenende mit einer Handvoll Fremder oder Freunde durch die kurze Kampagne zu kloppen. Nicht, dass man sich in zwei Wochen noch daran erinnern würde, aber solide spielbar ist Fuse immer, was vor allem an den vier unterschiedlichen Waffensystemen liegt. In einem speziellen Fall sind sie sogar für ein exzellentes Machtgefühl gut: Naya Deverauxs Warp Rifle verwandelt Feinde mit einem flirrenden Soundeffekt in Schwarze Löcher, die sich in verheerenden Kettenreaktionen durch die Reihen der Feinde fressen.

Liebeslied an ein Gewehr

Wenn man so in Sekundenschnelle einen ganzen Raum beinahe alleine auskehrt, ist das ein großartiges Gefühl, das Beste eigentlich, was Fuse zu bieten hat. Und ihr spürt es das erste Mal nach circa zwanzig Minuten der Kampagne. Alles andere, was das Spiel danach auffährt, sind ungezählte Wiederholungen dieses einen erhabenen Moments. Nur der Hintergrund ändert sich. Aus dem Militärbunker wird eine Unterwasserbasis, die wiederum einer eingeschneiten Gebirgsfestung Platz macht und so weiter. Alles schon mal gesehen, und sobald man erkennt, wo in den aufgeblasenen Schießbuden der Ausgang ist, weiß man auch schon, hinter welcher Ecke Bonus-Exp, Geld oder Audiologs "versteckt" liegen.

Bei aller spielerischer und stilistischer Gleichförmigkeit verliebt man sich dennoch ein bisschen in das ohrenbetäubende, hohle Endloshallen der sich in Nichts auflösenden Körper, wenn man mit Naya den Quantentod nur so durch die Gegend rotzt. Das geht so weit, dass man die notgedrungenen Wechsel zu konventionellen Kalibern, wenn mal wieder die Super-Spritze im Leerlauf zündet, schlimmer findet, als sie eigentlich wären. In eine ähnliche Richtung gehen die übrigen Agenten, die zwar ebenfalls über interessantes Spielzeug verfügen, gegen Nayas Geschütz aber schlicht langweilig sind. Nur sporadisch gibt man ihnen eine Chance, um dann ziemlich schnell wieder zu der Britin zurückzuschalten.

Bei aller spielerischer und stilistischer Gleichförmigkeit verliebt man sich dennoch ein bisschen in das ohrenbetäubende, hohle Endloshallen der sich in Nichts auflösenden Körper.

Wer diese Biester näher als zwei Meter an sich ranlässt, hat ein Problem.

Izzys Kristallisier-Kanone ist nach einigen Upgrades zwar ebenfalls für befriedigende Domino-Effekte gut und Jacobs Präzisions-Armbrust hat zumindest taktisch ihren Wert. Beide entlarven jedoch die Feinde mit ihrem etwas schwachen Trefferfeedback als Kugelschwämme erster Güte. Dalton, der vermeintliche Hauptcharakter, trägt einen Schild vor sich her, der zwar als Kugelfang spaßig zu benutzen ist. Nach drei bis vier seiner verheerenden, trichterförmigen Kurzstrecken-Energieentladungen ist aber dessen Fuse-Batterie leer und der menschliche Kleiderschrank muss auf die einschläfernden Sturmgewehr-, Schrotkanonen- oder Pistolen-Derivate zurückgreifen, die den Rest des ungleich farbloseren Arsenals ausmachen. Mit ihnen dauern die Kämpfe nur noch länger, was vor allem bei den robotischen Widersachern, die in gefühlt drei verschiedenen Ausführungen daherkommen, schwer ins Gewicht fällt. Einige Scharmützel ziehen sich so einfach endlos in die Länge.

Kein Shooter mehr ohne Skilltree

Die Fertigkeitenbäume der Agenten steigern zumindest bis zu ihrer Mitte das Interesse an den einzelnen Figuren ein wenig, sobald die Sekundärskills hinzukommen. Ehrensache, dass Naya auch hier mit ihrer Unsichtbarkeit eindeutig der Liebling bleibt. Die Anderen besitzen in erster Linie taktisch brauchbare Sekundärskills - etwa eine heilende Sonde oder brennende Armbrustbolzen. Doch keine ist so nützlich wie die klassische Tarnkappe. Mit ihr bereitet es durchaus Freude, einer feindlichen Stellung in die Flanke zu fallen und als unsichtbarer Killer mit einem satten Ruck Köpfe in anatomisch nicht ratsame Richtungen zu verdrehen.

Ist der letzte Bösewicht gefällt, gibt es noch den Echelon-Modus, eine Art Horde-Variante, in der man sich Wellen um Wellen verschiedener Angreifer stellt. Er erinnert in gewisser Weise an den Mehrspieler-Modus von Mass Effect 3. Da man aber seine Charaktere aus der Kampagne nutzt, gibt es im Anschluss an die Kampagne nicht mehr so viel Interessantes freizuschalten. Wem die sechs Missionen noch nicht zu viel Ballerei waren, der findet hier ein gutes halbes Dutzend Karten mit dynamischen Zielen. Eine solide lebenserhaltende Maßnahme für diejenigen, die mit dem Spiel auf einer Wellenlänge sind.

Bei den Fertigkeiten gibt es einige Überschneidungen.

Viel Gerede gab es im Vorfeld um die Umgestaltung und Umbenennung von Fuse. Tatsächlich blieb inszenatorisch von dem Titel, den Insomniac seinerzeit als Overstrike auf der E3 2011 präsentierte, nichts übrig. Und damit ist nicht nur der Stil gemeint, der nach einigen Fokusgruppentests von Pixar-eskem Cartoon-Charme auf pseudo-grimmig umgemodelt wurde. Aus der Agenten-Ballerei, die fest entschlossen war, mit der Materie Spaß zu haben, wurde auch inhaltlich ein homogener Brei, der sich nicht erinnern kann, ob er mal flapsig oder ernst sein wollte. Fuse versagt auf diese Weise gleichzeitig beim Humor und bei seinen ernsteren Charaktermomenten kläglich.

Überhaupt ist die Präsentation so dröge wie selten in einem Spiel von EA oder Insomniac. Denkt dran: Diese Jungs haben Ratchet & Clank erschaffen, ein Duo, das demnächst durchaus zu Recht seinen eigenen Animationsfilm bekommt. Hier puzzeln sich eure Agenten mit Humor-Handicap die Handlung aus Funksprüchen aus der Zentrale zusammen, die sie entweder über animierten Kartenbildschirmen oder im Schritttempo im laufenden Einsatz annehmen. Zur Not vor Türen, die so lange hermetisch verschlossen bleiben, bis euer Kommandant aufgelegt hat. Viel zu erleben gibt es in der seichten Geschichte ohnehin nicht, bevor sie nach sechs Stunden auf einem unnötigen Cliffhanger endet. Nimmt man dann noch das starke Kantenflimmern, die glanzlosen Effekte und die beliebige Inneneinrichtung der meisten Räume hinzu, bleibt ein Spiel, dessen Ambitionen erstaunlich niedrig gesteckt scheinen.

In dem Versuch, niemanden zu verschrecken, hat Insomniac ein Spiel erschaffen, über das keiner Feuer und Flamme werden dürfte. Die Basics sind da: Wenn ein eingespieltes Team eine Funken stiebende Kakofonie abbrennt und sich diverse Waffeneffekte zu eindrucksvollen, wenngleich letztlich bedeutungslosen Kombos verketten - machen wir uns nichts vor: tot ist tot, egal, welche Waffenmixtur dazu geführt hat - meldet das Spieler-Hirn hier flotte, passable Unterhaltung. Aber mehr ist es zu keinem Zeitpunkt. Nichts will so richtig hängen bleiben. Außer den prinzipiell funktionierenden Mechaniken zieht einen wenig vorwärts. Fuse ist unaufdringliche, unverbindliche, aber noch vor dem Ende tendenziell uninteressante Action nach Schema F. In dieser Form hätte es wohl auch der ursprüngliche Stil nicht gerichtet, aber es hätte zumindest eine Identität gehabt.

6 / 10

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Fuse

iOS, PS3, Xbox 360

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