FUSER von Harmonix - Was nicht sein sollte, funktioniert wunderbar
Mix and Match.
Lange Zeit war es still geworden um Harmonix, die Erfinder von Guitar Hero und Rock Band. Nun, nicht unüblich bei einem so nah an der Musik orientierten Laden, eine kreative Pause muss sein, vor allem, wenn die Welt recht deutlich gesprochen hat, dass Plastikinstrumente kein Massenmarkt mehr sind. Nicht, dass es keine Fans mehr gäbe, siehe hier. Aber ja, etwas Neues musste her. FUSER ist nun das Ergebnis dieses Schaffensprozesses.
Ich muss dabei zugeben, dass ich selbst in Sachen Musik eher sortiert vorgehe. Ich höre viele Genres, aber gemixt wird dabei selten, zumindest solange man von gelegentlichen Mainstreamtätern wie Daft Punk, die ein wenig mix&matchen, absieht. FUSER ist aber die absolute Essenz des Mischens von Genres und Beats. Hätte mir jemand erzählt, dass das funktioniert, ich hätte kein Wort geglaubt. Tat ich auch nicht, als vor dem Anspielen beschrieben wurde, was das sein soll. Beliebig aus 100+ Tracks aus fünf Jahrzehnten Drums, Lyrics, Base oder Keyboards zusammenwerfen, in Sekundentaktung wenn man möchte, und das Spiel passt on the fly alles so an, dass es sich immer noch nach Musik anhört? Sorry, nein, glaube ich nicht.
Fünf Minuten später sah ich nicht nur, dass es irgendwie funktioniert, sondern richtig gut! Das, was da aus Blue Oyster Cult, Lady Gaga, Post Malone und Lizzo direkt zusammengeworfen wurde klang nicht nur wie Musik, es klang wie gute Musik! Fliegernder Wechsel zum Riff von Old Town Road, passt immer noch, nahtloser Wechsel von Don't Fear the Reaper zum Rockafeller Skank - woraufhin ich jetzt erst mal eine halbe Stunde alte Fatboy-Slim-Videos gucken musste - und schon klingt es immer noch ... ziemlich gut. Ehrlich gut. Ich sollte das aufnehmen und irgendwo ein Copyright-Flag auslösen.
Der Trick des Spiels ist, erst einmal jeden Song in vier Bestandteile zu trennen, die ihr "droppen" könnt, sprich auf eine der vier Positionen des Pults ziehen. Diese sind passend zu den Pad-Tasten farblich markiert und je nach Song etwas unterschiedlich. Don`t Fear the Reaper ist mit Drums, Base, Lead und Vocals sehr klassisch besetzt. Lady Gaga hat einen Beat, zwei Keyboard-Tracks und den Gesang, Lizzo hat noch Horns dabei, während J. Balvin und Willy Williams - ich tue einfach mal so, als wüsste ich wer das ist - in Mi Gente etwas nutzen, was ich eine Effect-Line nennen würde. Oder Störgeräusche, je nach Laune.
Wie gesagt, es gibt vier Plätze zum Droppen und es muss nicht von jeder Farbe einer besetzt sein. Ihr könnt euch vier Mal Vocals oder vier Mal Base droppen, aber das führte dann zu etwas seltsamen Ergebnissen. Nicht mal FUSERs ausgezeichnete Mixing-Routinen können da immer was retten. Aber zwei gegenläufige Betas zum Beispiel können Sinn machen und erlaubt ist am Ende eh erst mal was gefällt. Der nächste Trick des Mixens ist, dass es zum Beispiel bei Pop-Songs mit sonst viel Text nicht alle Strophen nimmt, sondern es auf markante Passagen und manchmal nur ein paar Zeilen aus dem Refrain beschränkt. Auch andere Elemente sind auf ihre markanten Strukturen reduziert, die man sofort erkennt, die sich dann aber mit ein wenig automatisierter Geschwindigkeitsabstimmung verbinden lassen. Von Reggae zu Post-Punk bis zu Party-EDM sind es dann nur eine Handvoll gezielte Drops und es klingt den ganzen Weg entlang irgendwie wie echte Musik. Nun, relativ, meine eigene Definition echter Musik ist deutlich konservativer, aber ja, das ist solide Party-Mucke.
Das allein wäre ein nettes Experiment, aber noch kein Spiel. Also gibt es fünf Sterne, die ihr erreichen könnt. Wie? Indem ihr erst einmal punktgenau auf den Takt dropped. Das ist gar nicht so einfach und wenn es auf den Schlag meint, dann meint das Spiel auf den Schlag, nicht eine Zehntelsekunde später. Dann gibt es ein Publikum und als der unabhängige Künstler, der ihr seid und der mit seiner Musik seinen Weg gehen will, hört ihr natürlich auf alles, was ein Nappel während der Show auf Twitter postet. Da kommen dann Sachen wie "Mehr Pop!" oder "Mach Gitarre, Alter!" und solche Dinge halt. Droppt diese in dem kurzen Zeitfenster der Anfrage, dann gibt es Punkte. Passt den perfekten Moment für einen kompletten Break ab, indem ihr alle vier Tables schon mal mit dem nächsten Track vorauswählt leider lässt sich nur ein Track in die Warteschlange legen - und dann auf den Punkt alle wechselt. Ihr habt einen Pitch-Meter und auch ganz klassisch Aufgaben, die so ähnlich wie Publikumsanfragen laufen, nur etwas technischer. Erfüllt davon so viele wie möglich und holt die Punkte.
Und das ist es auch erst mal. Wer denkt, dass das im Vergleich zu Guitar Hero oder auch modernen Games wie Aviciis Rhythm-Game einfach sei, dürfte nach ein paar Runden eines Besseren belehrt werden. Zwischen einem wählerischen Publikum, der harten Taktansage und den Aufgaben habt ihr wenig Zeit, euren Kreationen zu lauschen. Das artete schnell in Arbeit, Können und Gefühl für Musik aus, so wie man es von einem Harmonix-Spiel erwartet. Es wird aber aber auch einen Party-Modus geben, indem ihr ohne Zeitlimit oder Aufgabendruck einfach Beats droppen könnt, als gäbe es kein Morgen. Ganz so also, wie ich mich betrinken muss, um manchen dieser Songs hier überhaupt lauschen zu können, aber das kommt wohl bei einer wilden Mischung immer vor. Trotzdem, wenn ein Stern davon abhängt, dass ich LMFAO droppe, dann kriege ich diesen Stern halt nicht.
Es wird einen Multiplayer geben - kein Kommentar derzeit - und auch weitere Spielmodi - auch kein Kommentar - und irgendwie ganz vielleicht irgendwann einen Crossover mit Rock Band, aber wohl eher nicht. Dass mehr Musik später in einem Shop warten wird, ist relativ klar - und auch Tonnen um Tonnen an Outfits für die Mixer auf den erstaunlich kreativen und monumentalen Party-Bühnen im Hintergrund. Aber das ist alles für später und für den Moment nicht so wichtig.
Wichtig ist, dass das, was wie eine bescheuerte Idee um drei Uhr nachts auf einer hirntoten EDM-Rave klingt, hier von den Musik-Experten bei Harmonix in ein sowohl funktionierendes wie auch meist wohlklingendes Erlebnis verwandelt wurde. Ich hatte wirklich und ehrlich akustischen Spaß dabei, in FUSER zusammenzuwerfen was nicht zusammengehört und einiges davon klang auch für meine Ohren richtig gut. Ob mir das Spiel so richtig Laune bereiten wird, weiß ich noch nicht - im Sinne von, ich kann es nicht abschätzen. Es ist schon nicht einfach, den ganzen Wünschen und Anweisungen zu folgen, ohne Frage, hier steckt eine valide Herausforderung drin. Was aber natürlich fehlt, ist der "Make Believe"-Faktor der Plastikgitarre. Ich tippe halt auf einem Pad herum. Aber dann wiederum mache ich Musik, die noch nie jemand vorher gehört hat - 400 Spuren, jede mit jeder kombinierbar ... -, das ist schon ziemlich cool. Also ja, Vorfreude auf das Produkt und die Musik ist jede Menge vorhanden und ehrlich gesagt reicht das sogar in diesem Falle.
Entwickler/Publisher: Harmonix / NCSoft Erscheint für: PC, Xbox One, PS4, Switch - Geplante Veröffentlichung: Herbst 2020 - Angespielt auf Plattform: PC