Gabriel Knight: Sins of the Fathers 20th Anniversary Remake - Test
Wenn man sich den Stil und den Charme dazu denkt…
Gabriel Knight: Sins of the Fathers war Sierra, ihr Wesen und ihre Ambitionen, in einer Box zusammengefasst auf der Höhe ihres zweiten goldenen Zeitalters (das erste dürfte so um Kings Quest 4 herum gewesen sein). Fantastische Grafiken, die nicht nur technisch, sondern vor allem durch ein ungewöhnliches, faszinierendes Art-Design herausstachen. Ein Script, das nicht auf Rätseln, sondern auf einer echten Handlung basierte. Charaktere, die sich nur bedingt in einem Satz zusammenfassen ließen. Ein monströser Aufwand, das Spiel so gut klingen zu lassen, wie es nur ging, indem man alles an Sprechern mit Rang und Namen besetzte und diesen Leuten auch Zeilen an die Hand gab, mit denen sie was anfangen konnten. Es war dank einiger etwas unausgegorener Rätsel nicht unbedingt das beste der Sierra-Adventures, aber auf jeden Fall eines, das man in seiner ursprünglichen CD-ROM-Talkie-Form erlebt haben sollte, wenn man behaupten will, dass man sich zumindest vage mit Adventures auskennt. Ein Klassiker also.
Einen Klassiker als Remake neu zu gestalten beinhaltet fast mehr Risiken, als es sich aufzuzählen lohnt. Ich will dieses Review in einer sinnvollen Länge halten, aber man kann schon sagen, dass Gabriel Knight: The Sins of the Fathers 20th Anniversary Remake sich fast aller schuldig macht. Fangen wir mit den Sprechern an: Damals ein All-Star-Cast, heute eine Truppe, die ich grob unter ganz „okay, tut nicht weh" zusammenfassen würde. Bräuchte kein Mensch ein Remake von, jedenfalls nicht so. Die Grafik wurde in Pinkerton Roads eigene Engine gequetscht, die entweder nicht in der Lage ist, die zuvor vorhandene düstere Stimmung, entstanden aus einem Spiel von Licht, Schatten und Farben, einzufangen oder niemand machte sich die Mühe, das zu tun. In dieser Form ist es zu bunt, zu sauber, zu hell und mitunter sehen gerade die Animationen furchtbar aus. Die gelegentlichen Clipping-Fehler lassen wir einfach mal kurz außen vor. Patches kommen sicher noch, sie werden gebraucht, aber selbst dann würde dieses Spiel wie jedes seelentote Abenteuer der letzten sieben Jahre aussehen, deren Namen ich längst vergessen habe.
Die Musik Gabriel Knights war ein Meilenstein in seinen variantenreichen Kompositionen und ich kann sagen, dass ich darauf mehr als auf alles andere gespannt war, zumal Robert Holmes wohl selbst daran gearbeitet hat. Nun, die Enttäuschung ist groß. Alle wichtigen Themen sind da, aber sie klingen entweder unnötig überproduziert, ohne das Material an die Klangfülle anzupassen, oder erstaunlicherweise dünner und fiepsiger, als es zuvor der Fall war. Etwas, das leider auch auf das Hauptthema zutrifft, das ich mir nun weiterhin in der leicht rauschend Midi-Version von damals anhören muss.
Bevor es zur letztlich doch alles rettenden Story geht: Wie hat man wohl die Teile angefasst, die ich beim Original heutzutage nicht mehr verteidigen würde, namentlich eine Reihe der Rätsel und gewisse Aspekte der Steuerung? Letztere war im Original insoweit ein Problem, dass das Inventar recht schnell sehr voll und unübersichtlich wurde. Dieses Problem wurde tadellos gelöst. Auch die restliche Bedienung entspricht dem heutigen Komfortstandards. Per Space-Taste wird euch alles Klickbare angezeigt. Ein Doppelklick bringt euch zur nächsten Location, ohne lange Laufanimationen sehen zu müssen - wahrlich kein Vergnügen in dieser Fassung. Und auch die Möglichkeiten zur Interaktion wurden so gelöst, dass ihr alles bequem benutzen, ansprechen, nehmen oder sonst was damit tun könnt. Es spielt sich ordentlich.
Die Rätsel selbst schwankten im Original zwischen seltenen Anflügen von Brillanz, viel vom üblichen „Kombiniere dies mit dem" und ein paar Momenten, in den Mäuse flogen - mein Favorit war der de facto unsichtbare Schalter für den Ventilator, den ihr erkennen und benutzen müsst, bevor die Schlange zuschlägt. Es dauerte lange, zu erkennen, was einen tötet, und viel, viel, viel länger, um überhaupt zu erkennen, dass da ein Schalter war. Solche Schwierigkeiten umschifft das Remake, indem es entweder das Timing leicht verändert oder zumindest dank der Anzeigefunktion solche Suchspiele ausbleiben. Warum man allerdings der Meinung war, mehr Schiebepuzzles einfügen zu müssen, entzieht sich mir. Meine Philosophie bei Schiebepuzzles ist einfach: Wenn man die Möglichkeit hat, eines einzubauen, sollte man drauf verzichten. Immer und überall. Vor allem in Resident Evil 4. Und hier natürlich auch. Aber trotzdem und im Großen und Ganzen: Der Charme der guten Puzzles bleib erhalten, die schlechten wurden abgemildert. An der Spielbarkeit als Adventure gibt es nicht viel auszusetzen, vor allem da der Schwierigkeitsgrad auch mit den Komfortfunktionen immer noch ganz ordentlich ausfällt.
Die Handlung und mit ihr praktisch jede der gut geschriebenen Textzeilen blieb erhalten, und das ist auch der Grund, warum ihr auf jeden Fall entweder das Original oder eben das Remake spielen solltet. Einen solchen fast subtilen, stimmungsvoll im Aufbau und der Ausgestaltung der Dramaturgie inszenierten Thriller bekommt man in diesem Medium nun wirklich nicht oft - und Sins of the Fathers ist immer noch ganz vorn mit dabei. Das Mysterium entwickelt sich mit jedem Rätsel, das ihr löst, und jedem neuen Gespräch, das ihr führt. Ihr wollt wissen, was passiert und wie es enden wird? Nein, ich werde nicht spoilern, aus Rücksicht auf die wahrscheinlich letzten drei Spieler, die es noch nicht kennen. Belassen wir es einfach dabei, dass dies eine Handlung ist, die eure Zeit und Aufmerksamkeit redlich verdient hat.
Und nu? Ehrlich gesagt hatte ich schon nach einem Viertel des Weges durch Gabriel Knight: Sins of the Fathers Remake keine Lust mehr, mich damit zu befassen, weil ich stets im Hinterkopf hatte, wie das Original klang und sich anfühlte. Sicher, die Monsterpixel der VGA-Zeit kann sich nicht mehr jeder geben, aber trotz ihrer kleinen Anzahl pro Screen gaben sie dem Spiel damals eine Eigenständigkeit, einen Stil und Charme, der unverwechselbar war und perfekt passte. So gut die Geschichte immer noch ist, so solide sich die Rätsel gehalten haben, es ist einfach dieser Aspekt, der nicht mitgenommen wurde. Das Remake wirkt visuell austauschbar. Ich sehe eine der Location und denke, dass dieses Szenario ja ein wenig wie Gabriel Knight aussieht, aber nie wirklich "Ja! DAS ist Gabriel Knight, so muss das wirken!". An keiner Stelle. Gleiches gilt für die Musik und die Sprecher. Es ist gut genug, es funktioniert, um das Spiel zu tragen. Aber es war damals schlicht besser. Womit sich die Frage nach dem Sinn dieses Remakes und danach, ob es einen gibt, wohl auch ein wenig klärt...
Um fair zu sein und trotz meiner eigenen negativen Einstellung dem Remake gegenüber ehrlich zu bleiben: Diese Wertung entspricht der Qualität des Spiels als eigenständiges Adventure und für sich selbst genommen.