Game Dev Story
Kreativ genug?
Gehört habe ich das erste Mal von Game Dev Story vor ein bis zwei Monaten. Irgendwo in der britischen Edge gab es einen kleinen Artikel dazu. Sah nett aus, wurde aber vom Herbst/Winter-Programm sofort wieder aus meinem Kurzzeitgedächtnis gelöscht. Doch nachdem dieser ungewöhnliche Titel gestern in der Infinity-Blade-Kommentaren gleich mehrmals genannt wurde und auch mein Kollege von seinen süchtig machenden Qualitäten erzählte, wurde diese kleine Perle gleich anschließend auf mein iPhone geladen und die olle Touchscreen-Gurke erst vier Stunden später nach mehreren bösen Beschimpfungen meiner Freundin aus der Hand gelegt.
Und nein, Game Dev Story ist, ganz wie auch Infinity Blade, nicht perfekt. Aber: Die Kombination aus simplem Aufbaustrategie-Spiel und Videospiel-Thematik passt wie die Faust aufs Auge. Da ich selbst ein wenig Erfahrung auf dem Gebiet habe, war ich begeistert, mit wie viel Liebe zum Detail das Auf und Ab eines Spielproduzenten eingefangen wurde. Vor allem optisch versprüht der Titel mit seiner Pixelgrafik einen Charme, der besonders Retro-Fans im Sturm erobert. Doch auch inhaltlich wurde von Kairosoft die Welt der Computer- und Videospiele gekonnt porträtiert.
Los geht alles mit einer kleinen Zwei-Mann-Bude, zwei Plattformen (PC und Microx SX) und 500.000 Dollar. Das Ziel? Eine wahnsinnig erfolgreiche, bekannte und natürlich auch reiche Software-Bude aus dem Boden zu stampfen. Spielerisch irgendwo zwischen Wirtschaftssimulation und Farmville angesiedelt, geht es erst einmal ans Leute einstellen. Eure zukünftigen Angestellten besitzen verschiedene Werte, die ihr Können in dem jeweiligen Fach symbolisieren. Programmierung, Szenario, Grafik und Sound. Noch dazu eine Power-Leiste, die darstellt, wie schnell der gute Mann ausgelaugt ist.
Steuern müsst ihr die kleinen Kerle nicht. Sie bewegen sich relativ autark in dem Büro hin und her, generieren Spaß, Kreativität, Grafik, Sound und Bugs. Doch bevor ihr mit der Entwicklung loslegt, geht es erstmal an die Auswahl des Projektes. Ihr bestimmt die Plattform, das Genre, das Thema und ein Ziel, auf das ihr hinarbeitet. Soll das Spiel qualitativ hochwertig oder schnell produziert sein? Wollt ihr viel Erfahrung daraus ziehen oder vor allem jede Menge Geld?
Besonders wichtig ist dabei die Kombination aus Genre und Thema. Ein Piraten-Puzzle ist weit weniger erfolgreich als ein Action-Titel mit kriegerischem Hintergrund. Während eine Dating-Simulation Verkaufsrekorde bricht, versackt ein Ninja-Adventure auf den hinteren Plätzen. Wer sich mit Spielen ein wenig auskennt, bekommt schnell ein Gefühl dafür, was funktioniert und was nicht. Danach geht es dann in die Entwicklung. In verschiedenen Stadien müsst ihr dann einen Schreiber, einen Art Direktor und einen Sound Ingenieur beauftragen. Je nachdem, wie hoch seine Werte sind, fließen dann die Punkte auf das Spielkonto.
Um die Qualität nach oben zu schrauben, könnt ihr mit dem nötigen Kleingeld freie Mitarbeiter einstellen oder aber Kreativitätsboosts kaufen. Ihr trainiert eure Angestellten, befördert sie mit Entwicklungspunkten einen Level nach oben oder ersetzt sie schlicht und ergreifend durch bessere Konkurrenten. Besondere Vorkommnisse, etwa der Wunsch eines Mitarbeiters, ein Spiel qualitativ nach oben zu befördern, oder ein Stromausfall, sorgen für etwas Abwechslung. Am Ende noch ein wenig Werbung und los geht es in den harten Alltag eines Game-Studios.
Überraschend realistisch ist dabei das Auf und Ab der Hardware-Generationen. Die Entwickler haben sich recht eng an die Geschichte der Videospiele gehalten. Die Konsolen haben zwar einen anderen Namen, aber das NeonGon hat gegen das IES genausowenig Chancen, wie das NeoGeo gegen den NES. Außerdem bedeutet jeder Generationswechsel einen enorme Investition. Ein Entwicklungskit kostet Millionen, wer dann nicht mehr genug Geld für ein vernünftiges Spiel hat, liegt schnell auf dem Trockenen. Zum Glück gibt es immer den PC als Ausweichplattform. Verkauft sich zwar nicht ganz so gut, kostet dafür aber viel weniger.
Um das Spiel nicht allzu einfach zu machen, wurden ein paar Mechaniken eingebaut, zum Beispiel eine sinkende Fangemeinde, wenn man immer das gleiche Spiel produziert. Doch unterm Strich genügt es, zwei bis drei sehr erfolgreiche Kombinationen ständig auszutauschen, um einen Erfolg nach dem anderen einzufahren. Überhaupt mangelt es dem Endgame etwas an Abwechslung. Ja, mit der Zeit werden die Studios immer größer und das Personal-Managment immer wichtiger, doch dank dem Energie-Getränk Dead Bull kann man schwächelnde Programmiersklaven schnell wieder auf die Beine bringen. Nachteile gibt es dabei keine.
Auch der Zusammenhang zwischen Wertungen und Verkaufszahlen wirkt aus der Luft gegriffen. Selbst schlecht bewertete Titel landen auf dem dritten oder vierten Platz. Und selbst einigermaßen gute Titel werden in der Luft zerrissen. Vielleicht sind die platten Kommentare der Kritiker als Seitenhieb auf die Medien zu verstehen. Ganz so dämlich sind wir aber dann doch nicht.
Wirklich gelungen ist der Kampf gegen die Hardware-Spirale. Gegen Ende hin wird es immer schwerer, mit den steigenden Entwicklungskosten Schritt zu halten. Ein Flop, ein böser Stromausfall genügt, um ein Studio in den Ruin zu treiben. Schade, das selbst hochwertige Mitarbeiter, die ausgeruht und auf dem höchsten Level agieren, manchmal nur Mist produzieren. Das mag so nicht ganz unrealistisch sein, ärgern tut es einen aber trotzdem, weil man zuvor viel Zeit und Geld in ihre Ausbildung gesteckt hat. Trotzdem bleibt man am Ball, bis man endlich eine eigene Konsole entwickelt hat und die Spitze der Verkaufscharts erreicht. Doch Vorsicht: Solch ein wirtschaftliches Abenteuer verschlingt Millionen und kann euer blühendes Unternehmen schneller in den Ruin führen, als ihr „Atari" rufen könnt.
Ach ja, nach 20 Jahren und ca. 5 Stunden Spielzeit ist eure erste Firma automatisch am Ende der Fahnenstange angelangt. Als finaler Score dienen euer meistverkauftes Spiel und euer größter Profit. Zumindest bis ihr euch in das nächste Abenteuer stürzt.
Ja, auch Game Dev Story ist großartig und funktioniert, wie alle Strategiespiele, auf dem iPhone einfach hervorragend. Es ist ein nahezu perfektes Indie-Spiel, das die meisten Großproduktionen aus dem Hause EA, Ubisoft und THQ alt aussehen lässt. Das Spiel lebt vor allem von der unverbrauchten Thematik und dem robusten Spielprinzip. Der Kick, wenn man wieder ein neues Spiel veröffentlicht, die harten Kritiker-Wertungen und die rauschenden Verkaufszahlen sorgen für genug Motivation, um weiterzumachen. Das ist nicht sonderlich raffiniert, aber so suchterzeugend, dass ihr die 2,99 Euro nicht bereuen werdet. Deshalb gibt es von dem bösen Kritiker eine wunderbare 9/10. Zusammen mit Infinity Blade und geoDefense das Beste, was der Appstore zu bieten hat.
Die Game Dev Story gibt es für 2,99 Euro im Appstore.