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Game Dev Tycoon – Test

REDE! MIT! MIR! Bitte … Warum war 'Zombielovers 666' schon wieder ein Flop …?

Es gibt Tests, die machen einfach keinen Spaß. Wie gerne würde ich jetzt Game Dev Tycoon hochleben lassen, das Erstlingswerk zweier Unbekannter. Wie gerne würde ich schreiben, dass es nicht nur durch einen innovativen Kopierschutz von sich Reden machte, sondern dass dahinter auch der Geheimtipp der Saison steht. Selbst wenn er zu 87,6 Prozent geklaut ist. Was ihren beißenden Spott Kopierern gegenüber wieder seltsam wirken lässt.

Zwei Dinge jedoch machen bei diesem wirklich und ehrlich vorhandenen Wunsch einen Strich durch die Rechnung. Zum einen ist es wirklich und ohne Debatte ein direkter, teilweise sehr dreister Klon des inzwischen schon Mobile-Klassikers Game Dev Story und zum anderen funktionieren manche Dinge, so wie sie hier gedacht sind, einfach nicht so richtig. Das Erste kann ich verzeihen, auch wenn ich nicht sicher wäre, dass Kairosoft es tun wird. So oder so, auf dem Desktop gibt es Game Dev Story nicht und nehme ich nichts davon wirklich krumm. Der zweite Punkt ... hier wird es problematisch.

Es beginnt in der Garage ...

Schreibt Spiele. Verkauft sie. Das ist alles. Reicht auch!

Eure Aufgabe ist simpel. Schreibt Spiele und verkauft sie! Der Ablauf ist zunächst absolut simpel und wird erst nach und nach etwas komplexer. Wählt eine Plattform - zu Beginn gibt es den PC und einen C64-inspirierten Heimcomputer als Auswahl -, ein Thema - Sci-Fi, Sport, Mittelalter und mehr -, ein Genre und es geht los. In drei Stufen der Entwicklung, die sich fest über etwa drei Spielmonate hinzieht, wählt ihr die Details aus. Jedes Mal habt ihr drei Regler, welche Prioritäten ihr setzen wollt. Grafik, Sound oder Spielwelt, lieber doch mehr Dialoge und dafür eine schlechtere KI und so weiter. Während der Entwicklung fliegen dann Punkte auf Design und Technik, den beiden Werten, die irgendwie die Qualität des Spiel definieren. Das „Irgendwie" ist dabei das große Problem, aber dazu später mehr.

Sind die letzten Bugs beseitigt, die ebenfalls als Punkte hochsegeln, wird das Spiel veröffentlicht und die Wertungen der Magazine urteilen über Sieg oder Niederlage, Verkaufsrenner oder Dümpel-Ware. Und auf zur nächsten Runde. Nach und nach wird das Leben komplexer, indem ihr neue Techniken erforscht. Dies geht über Forschungspunkte, die ihr während jeder Entwicklung sammelt. Erforscht neue Grafik-Engines, Soundfeatures, multiple Enden, Multiplayer, Full-Motion-Video und, und, und. So ziemlich alles, was in den letzten 30 Jahren als Spielmechanik seinen Weg in dieses Medium fand, dürft ihr auch in eure Titel holen.

So ziemlich alles, was in den letzten 30 Jahren als Spielmechanik seinen Weg in dieses Medium fand, dürft ihr auch in eure Titel holen.

... und geht über das große Büro ...

Natürlich kann ein Typ in der Garage das nicht mehr stemmen, also wächst mit dem Erfolg das Büro und das Team, was mehr laufende Kosten bedeutet, aber eben auch, dass ihr die Arbeit verteilen könnt. So hochgerüstet geht es dann an die mittleren bis großen Projekte, in denen ihr eure Leuten gezielt Aufgaben übertragt. Es ist der Weg aus der Garage bis hin zum großen Studio für die AAA-Projekte.

Feedback ist in der Entwicklung nicht optional.

Dieser Teil ist überraschend komplex und variantenreich. Ihr dürft sogar für große Publisher produzieren, die euch gewisse Auflagen geben, etwa, welche Plattform oder welches Genre es sein soll und vor allem die Punktzahl, die man bei den Wertungen erwartet. Diese teilweise schwachsinnigen Vorgaben - ein Business-Action-Spiel auf dem Gameboy, das eine Acht im Schnitt haben soll?? - zu erfüllen, ist herausfordernd und unterhaltsam zugleich. All das ist facettenreicher als das Vorbild Game Dev Story, es lässt vieles differenzierter zu. Neue Engines für neue Features entwickeln zu müssen, ist ein sinnvoller Gedanke, aber am Ende bringt das alles nicht so viel.

Game Dev Tycoon redet einfach nicht mit euch. Ihr produziert ein Spiel, wie ihr denkt, dass es passen müsste. Ein Militär-Strategiespiel braucht viel KI, wenig Grafik, gute Missionen, wenig Dialoge. Dachte ich mir so. Wurde nichts. Na egal, erst mal was anderes, drei Spiele später an den Reglern herumgefummelt, alles etwas austariert, wieder ein Flop mit miesen Wertungen und Verkaufszahlen. Zwei Dutzend Mal habe ich es seitdem versucht, über oberes Mittelmaß in diesem Genre kam ich mit dieser eigentlich ganz normalen Konstellation nicht. Egal ob auf PC oder Konsole, fast egal, wie die Parameter standen, es ging nicht. Für Rollenspiele dagegen hatte ich nach kurzer Zeit eine fast sichere Formel, für Rennspiele auch, für Adventures ging dann wieder gar nichts.

... mit vielen solcher 'Prioritäten'-Screens ...

Die „Tests" sind ein Witz. „Brauchte mehr Technik". Ok ... und was da so genau? „Adventure und Mittelalter sind eine tolle Kombination." Ok, und warum habe ich dann nur 2 Punkte eingesammelt? „Reine Zeitverschwendung". Nur nicht zu genau werden. „Ein Meilenstein." Warum? Es hatte genauso viele Design- und Technik-Punkte wie das Letzte dieser Art, was ist jetzt anders? Leider sehe ich das Spiel dazu nicht, woher so ich das also wissen? Dazu kommen noch Faktoren wie Alters-Zielgruppe, Trends oder zu häufige Wiederholungen, die zumindest teilweise etwas besser nachvollziehbar sind, teilweise jedoch auch wieder unter den Tisch fallen. Welche Plattform für welche Zielgruppe interessant ist, das könnt ihr euch aussuchen. Eine Analyse in Auftrag geben oder es sonst wie nachschlagen war nicht möglich.

All das macht das Experimentieren gerade im späteren Stadium des Spiels zu einem sehr frustrierenden Erlebnis, bei dem ihr schnell pleitegeht. Denn selbst ein halbes Dutzend mittelmäßiger Erfolge reicht manchmal nicht, um die laufenden Kosten zu zahlen, geschweige denn zu forschen, eine neue Engine zu entwickeln und mit dem Rest der Welt mithalten zu können. Am besten fuhr ich noch mit meiner Patentformel für RPGs, bei denen ich dann immer das Thema wechselte. Das genügte den Leuten offenbar, um nicht gelangweilt zu sein, aber es reichte eben nie für den Mega-Hit. Habt ihr den erst einmal, dann habt ihr auch für ein Weilchen ausgesorgt. Aber ohne sinnvolles Feedback ist der Weg vom Flop dorthin sehr, sehr anstrengend. Echte Spieleentwickler haben Millionen von Möglichkeiten, Prognosen zu erstellen und ihre Spiele-Erfolge und Misserfolge auszuwerten. Mir würde eine Einzige davon schon reichen, damit ich nicht ständig im Dunklen rühren muss.

Viele Chancen, aber noch nicht angekommen.

Es ist klar, dass sicherer Erfolg nicht so simpel planbar sein sollte, das war eine der großen Schwächen der zu einfachen Vorlage Game Dev Story, aber ich brauche zumindest ein paar Hinweise, worauf sich Erfolg und Misserfolg gründen, um sinnvoll agieren zu können. Das muss ja auch nicht in Zahlenwüsten ausarten, aber praktisch gar nichts ist ein bisschen zu wenig. Es ist auch ärgerlich, dass ich keinen Einfluss auf die Entwicklungsdauer habe. Ist das Finanzpolster dick genug, würde eigentlich nichts dagegen sprechen, die Leute sechs oder zwölf Monate an dem perfekten Spiel schrauben zu lassen, ohne dass ich immer abwägen muss, welche Features ich in der knappen Zeit berücksichtigen kann. Diese Option haben Luxus-Studios wie Blizzard oder Rockstar, warum ich sie hier nicht auf Wunsch bekomme, erschließt sich leider nicht. Zeitlimits im Rahmen von Publisherverträgen sind ja verständlich, auch wenn Firmen wie Gearbox und Co. sie nicht immer einhalten, aber bei Eigenproduktionen sollte es diese Option geben.

Es ist ärgerlich, dass ich keinen Einfluss auf die Entwicklungsdauer habe.

... bis hin zu den großen Studios mit Motion Capturing.

Trotz allem ist Game Dev Tycoon beileibe kein schlechtes Spiel, nur eines, das in diesen Punkten nicht ganz zu Ende gedacht wirkt. Die Tiefe all der Optionen, die hineinflossen, die Publisher-Optionen, Multi-Genre-Titel, die ganzen Spielefeatures, die ihr in euren Engines unterbringen könnt, all das geht weit über das Vorbild hinaus. Die Verwaltung der Belegschaft könnte noch etwas übersichtlicher sein und klarer den hier differenzierteren Aufgaben zugeordnet werden. Hieß in Game Dev Story ein Entwicklungsabschnitt Grafik, war klar, dass hier jemand mit einem Grafik-Wert ran muss. In Tycoon erschließt sich nicht so einfach, wer gut für was ist, aber mit der Zeit kommt ihr dahinter. Dieser Teil des Erkundens macht aber noch Spaß, im Gegensatz eben zum Austarieren, was man eigentlich im Feinen und Groben an den Spielen selbst so tut.

Mehr Komfort wäre auch bei den Statistiken und der eigenen Spielhistorie wünschenswert. Es gibt keine simplen Tabellen, welche Titel am besten liefen und vor allem, wie ihre Rezeptur der Schieberegler genau aussah. Ein großer Hit lässt sich im Nachhinein nicht mehr aufschlüsseln, was ein echtes Manko angesichts der später großen Zahl an Optionen ist. Es gibt eine Sequel-Funktion, mit der ihr eine Fortsetzung starten könnt, aber diese gibt nur die Plattform und die Genre-Kombination wieder, der Rest ist vergessen. Sehr schade, denn wenn alle Optionen wie beim Vorgänger voreingestellt wären, ließe es sich leichter experimentieren.

Die Benutzerführung scheint komplett auf Touch ausgelegt. Die rechte Maustaste wird so gut wie nie benutzt, alles lässt sich über große, fingerfreundliche Regler einstellen und so würde ich jetzt mal davon ausgehen, dass Kairosoft früher oder später dann auch auf Mobile-Geräten mitbekommt, dass da dreiste Konkurrenz unterwegs ist. Ansonsten dürft ihr technisch nicht viel erwarten. Die Grafik ist so sauber und klar gezeichnet, wie sie irrelevant ist. Gleiches gilt für den Sound. Ist vorhanden, reicht.

Alle Konsolen erscheinen dann, wann sie auch in der Realität kamen. Das Dreamcast bekommt seinen Abgesang, die Entstehung von CD-i und Playstation eine Erwähnung, es ist alles da.

Game Dev Tycoon - Trailer

Wo man sich dagegen wie auch das Vorbild Mühe gab, war die Spielehistorie in groben Punkten und mit leicht verdrehten Namen nachzuzeichnen. Alle Konsolen erscheinen dann, wann sie auch in der Realität kamen. Das Dreamcast bekommt seinen Abgesang, die Entstehung von CD-i und Playstation eine Erwähnung, es ist alles da. Sogar die Test-Redakteure, die mal Gutes und mal weniger Nettes über eure Kunstwerke verbreiten, kennt man irgendwoher. Jörg Longer? Kommt mir irgendwie bekannt vor. Gut, dass ich nicht so bekannt bin, von Martin Oger hatte ich in der Schulzeit schon genug.

Es ist schwierig. In Game Dev Tycoon stecken ganz viele tolle Ideen, die eines meiner absoluten Lieblings-Mobile-Spiele noch einmal gewaltig ausbauen und eigentlich zu einem weit besseren Spiel machen würden. Leider gibt es keine Möglichkeit, all diese neue Macht zur Entwicklung des perfekten Spiels in sinnvollen Bahnen zu lenken. Gebt mir ein paar Tabellen, zeigt mir, wie sich meine Flops und Hits zusammensetzten, kurz gesagt: Game Dev Tycoon, rede mit mir!

Trotzdem habe ich jetzt über 15 Stunden gespielt und werde sicher noch ein paar mehr versenken. Leider waren viele davon auch mit Trial-and-Error-Frust zugemüllt, der nicht hätte sein müssen. Es ist ein Drahtseilakt zwischen dem Jubel, wenn mal was gelingt und dem Absturz, weil man dann wieder nicht wirklich nachvollziehen kann, woran es so viele Male scheitert. Ich will es lieben, all seine kleinen Andeutungen, Ausgestaltungen und vielen Optionen, aber bisher mag ich es nur. Sollte Greenheartgames mit seinen Updates hier noch mal nachbessern, kann ich hier die Wertung druntersetzen, die ich gerne unter mehr meiner eigenen Spiele gesehen hätte. Ich hoffe aber, dass ich zumindest deutlich machte, warum das hier leider noch nicht möglich ist. Der eine, entscheidende Schritt, den ich damit diesem an sich wundervollen kleinen Spiel voraus wäre.

6 / 10

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