Game of Thrones, Episode 1: Iron from Ice - Test
Die, die im Spiel um den Thron unter die Räder kommen.
Ich war zwiegespalten, als Telltale ankündigte, ein Spiel zu HBOs Fantasy-Serie Game of Thrones zu entwickeln. Dass sie die Lizenz für das vielleicht erfolgreichste, mindestens aber zweiterfolgreichste aktuelle Fernsehspiel überhaupt bekamen, nötigte mir reichlich Respekt ab. Aber die Bücher und ihre TV-Umsetzung sind so spezifisch und detailliert in ihrer geopolitischen Landschaft, dass es riskant erschien, einfach die Geschicke einer Familie von Stark-Fahnenträgern nachzuzeichnen, die bisher haargenau einmal im Vorbeigehen erwähnt wurde.
Im Fall von The Walking Dead ist es kein Problem ist, einfach das Schicksal anderer normaler Menschen als den Protagonisten des Comics oder der Serie während des globalen Weltuntergangs zu inszenieren. Bei haargenau umrissenen Fantasykontinenten wie Westeros läuft man dagegen schnell Gefahr, in Richtung Fan-Fiction umzukippen, die man sich lieber spart, weil sie in diesem fiktionalen Kontext ohnehin nie wirklich stattfand. Mit der ersten Episode im Rückspiegel lässt sich aber sagen, dass diese Bedenken weitestgehend unbegründet waren.
Das Spiel gibt sich mit Auftritten von Lena Headey, Peter Dinklage (nach Destiny hier zum Glück wieder in Bestform), Natalie Dormer und Iwan Rheon als Cersei und Tyrion Lannister sowie Margaery Tyrell und Ramsay Snow größte Mühe, sich im Kanon von Game of Thrones zu legitimieren. Alle sprechen ihre Rollen ausgezeichnet und sehen ihren Darstellern sogar wirklich ähnlich. Der neue, an Ölfarben gemahnende Look, bei dem die Hintergründe häufig impressionistisch verschwimmen, stützt die an die TV-Produktion angelehnte Art-Direction zudem wirklich ausgezeichnet.
Es gibt Momente, in denen man sich zum Beispiel nicht sicher ist, ob das Verhalten eines gewissen Charakters wirklich in den Zeitrahmen zwischen die dritte und vierte Staffel passt. Und über eine andere Figur erfuhr ich ein wenig mehr, als ich wollte, was mein Bild von ihr im Vergleich zur Serie leicht verschob. Doch das können subjektive Eindrücke sein. Im Allgemeinen sind die Auftritte der aus dem TV bekannten Charaktere gut gelungen und alles andere als gimmickhaft.
Die Stars hier sind aber die toll geschriebenen und geschauspielerten neuen Figuren aus dem Umfeld des Hauses Forrester, die als kleiner und nicht gerade mächtiger Nordclan nach der Red Wedding zwischen die Fronten geraten. Telltale vermittelt selbst in Kurzauftritten einen geschliffenen Begriff davon, was die Charaktere ausmacht. Einige schließt man direkt ins Herz, anderen steht man wegen einzelner Zeilen schon argwöhnisch gegenüber.
An der grundlegenden Formel änderte man nichts, allerdings hatte ich gefühlt wieder mehr Freiraum, herumzulaufen, einige Dinge aufzuheben und einzustecken und mich mit Charakteren zu unterhalten. Auch die Actionszenen schienen mir deutlich weniger behelfsmäßig und viel besser spielbar. Viel wichtiger jedoch: schon in Episode eins traf ich mehr und schwierigere Entscheidungen als gefühlt über einen Großteil von The Wold Among Us hinweg. Das ist natürlich auch dem Szenario geschuldet. Wenn man als knabenhafter Regent eines Adelshauses ins kalte Wasser geworfen wird und den Fortbestand seiner Familie in seiner Hand hat, steht von Moment zu Moment einfach mehr auf dem Spiel. Als älteste Forrester-Schwester Mira steht man in King's Landing unterdessen vor der Frage, wem man Vertrauen kann und ob man dieses Vertrauen zum Schutz seiner Familie missbrauchen möchte oder nicht.
Überhaupt macht Telltale klar, dass das Game-of-Thrones-Format der wechselnden Erzählperspektiven ihnen eigentlich wie auf den Leib geschnitten ist. Die Handlungen und Entscheidungen der verschiedenen Spielercharaktere beeinflussen und bedingen einander und schon jetzt ahnt man nach dieser ersten von sechs Folgen, dass auch hier niemand wirklich sicher ist. Das ist ein Gefühl, das ich seit Heavy Rain nicht mehr hatte, das mit der im Vorfeld lautstark kommunizierten Prämisse "jeder der Hauptcharaktere kann sterben" für feuchte Finger sorgte, obwohl es am Ende dann nicht ganz stimmte.
Technisch wird es allerdings langsam an der Zeit, dass Telltale vor allem sein Animationssystem überarbeitet. Die Gesichter sind noch ausdrucksstark genug, so lange die Kamera nicht zu nah an sie heranfährt, aber mehr als einmal ertappte ich mich dabei, wie ich dachte, "so läuft doch keiner". Gerade wenn man einige Figuren aus dem Fernsehen wiedererkennt, fallen die roboterartigen Bewegungen ins Gewicht. Ansonsten wurde die Gestaltung mit dem neuen Ölfarbenfilter aber sehr fingerfertig und ästhetisch passend gewählt.
Aller gerechtfertigten Skepsis zum Trotz spielen die Themen und Geschichten von Game of Thrones Telltale also ausgezeichnet in die Karten. Der Fan-Fiction-Faktor ist verschwindend gering, die Darbietungen überzeugend und die Beschwerlichkeiten der Familie Forrester genau der Art, wie sie einem kleinen Haus des Nordens nach dem angeblichen Verrat der Starks wohl widerfahren würden. Wo mir die zweite Staffel von The Walking Dead zu ziel- und trostlos verlief und der Tod jeder Figur eigentlich eine Erlösung war, steht es bei Game of Thrones anders. Wie auch in Buch und Fernsehen bekommt es diese Geschichte immer wieder hin, dem Spieler eine Trostkarotte vor die Nase zu halten, die man fast in in Armlänge wähnt. Und wenn dann für einen bestimmten Charakter doch alles unverhofft den Bach runter geht, trifft einen das umso härter. Es wird ein harter Winter!