Untitled Goose Game - Test: Gans schön frech!
Gefiedertes Chaos.
Stellt euch vor, ihr seid eine schreckliche Gans. Denn das seid ihr in Untitled Goose Game. Und ihr lebt nahe einer Stadt voller Menschen, die einfach ihren Alltag leben möchten. Und ihr hasst sie. Einfach so. Zudem ihr habt eine eigene Taste für das Schnattern der Gans! Welches andere Spiel kann das von sich behaupten? Es sind die drei zentralen Punkte, mit denen die Entwickler ihr Spiel beschreiben. Und wenn euch das allein nicht reizt, dann seid ihr hier falsch.
Untitled Goose Game zieht seine Faszination nicht allein, aber vor allem aus der Tatsache, dass ihr hier mit einer Gans schnatternd durch die Gegend lauft und die Bewohner der Stadt terrorisiert. Ein Spiel, das dabei mit wenigen Tasten auskommt, mit denen ihr viel anstellt. Und dabei ist es zugleich eine Gelegenheit, um eure grauen Zellen ein wenig auf Trab zu bringen, wenn ihr überlegt, wie ihr eure Aufgaben erfüllt, die euch das Spiel stellt.
Die Stadt ist in verschiedene Bereiche aufgeteilt und in jedem davon habt ihr eure eigene To-do-Liste, die es mit eurer Gans zu erfüllen gilt. Das reicht von simplen Anforderungen wie dem Betreten eines Gartens bis hin zu Aufgabenstellungen, bei denen euer Grips ein wenig mehr gefragt ist. Dinge, die nicht auf den ersten Blick auf der Hand liegen, bei denen es zum Teil erforderlich ist, bis zu einem gewissen Grad um die Ecke zu denken. Wie ihr einen Fernsehauftritt absolviert oder eine Frau dazu bringt, euch eine Schleife um den Hals zu binden, lässt sich mit ein wenig Denkarbeit herausfinden.
Eines haben so gut wie alle Ziele gemeinsam: Ihr geht damit den Bewohnern auf den Keks. Ihr klaut Objekte von ihnen und lockt eine Verkäuferin in die Garage, um sie dann vorübergehend darin einzusperren. Oder lauft schnatternd hinter einem flüchtenden Kinder hinterher, dem ihr dabei die Schnürsenkel öffnet, damit es beim Sturz seine Brille verliert, die ihr dann gegen eine andere austauscht. So gemein seid ihr.
Und das macht einfach großen Spaß. Wie gesagt, ist der Lösungsweg bei manchen Aufgaben sofort erkennbar, bei anderen hilft experimentieren und die Sandbox-Spielwelt lädt in jedem Fall dazu ein. Im Grunde ist nicht zwingend erforderlich, die Aufgabenliste abzuarbeiten. Lauft einfach so durch die Gegend - wie oft ich mich dabei ertappte, das Kind schnatternd durch die Stadt zu jagen -, richtet Chaos an, verschleppt Gegenstände oder erschreckt die Bewohner. Untitled Goose Game weckt somit die Experimentierfreude in euch. Und den Leuten dabei zuzusehen, wie sie euer Durcheinander im Anschluss daran in Ordnung bringen, hinterlässt ein befriedigendes Gefühl.
Stealth-Aspekte stehen dabei nicht im Vordergrund. Vereinzelt ist es hilfreich, im richtigen Moment nicht im Blickfeld eines Bewohners zu sein. Davon abgesehen lässt sich das meiste bewältigen, indem ihr einfach wild herumlauft und eure Gänsefüße in die Hand nehmt. In diesem Sinne gibt es ebenso wenig ein "Game over". Gelingt euch was nicht beim ersten Versuch, wagt sofort den nächsten Anlauf oder beschäftigt euch in der Zwischenzeit mit was anderem - es liegt an euch.
Das trägt mit zum guten Spielgefühl bei, das Untitled Goose Game vermittelt. Das Spiel bestraft euch nicht, wenn was in die Hose geht oder nicht so läuft wie geplant. Hier und da ist es Trial and Error, wenngleich es ohne Ladebildschirme und sonstige Hindernisse auskommt. Es geht immer und immer weiter. Bei manchen Aufgaben fragt ihr euch im ersten Moment, wie das hinzukriegen ist, mit einem wachsamen Blick auf die Umgebung ist vieles davon selbsterklärend zu lösen. Wie ihr einen im Garten sitzenden Engländer dazu bringt, seinen Tee auszuspucken? Schaut euch die große Glocke direkt hinter ihm ein wenig näher an. Als Gans manipuliert ihr Umgebung und Bewohner gleichermaßen, um sie für eure Zwecke einzusetzen.
Das funktioniert zum großen Teil ganz gut. Die Physik-Systeme des Spiels unterstützen das realistische Verhalten von Tiefkühlboxen, Harken und diversen anderen Objekten, wenngleich einzelne Dinge eher fummeliger zu handhaben sind, zum Beispiel ein Fußball. Dieser lässt sich nicht mit eurem Schnabel packen und festhalten, was die Sache delikater macht. Ebenso wenig braucht ihr euch Sorgen darüber zu machen, dass Dinge verloren gehen. Das Spiel ist so designt, dass das nicht passiert. Objekte tauchen erneut auf, ob automatisch oder beim erneuten Start des Spiels, ebenso lassen sich Bereiche zurücksetzen. Wie gesagt: Steine legt euch Untitled Goose Game nicht unnötig in den Weg.
Mit eurer Gans schnattert ihr euch dabei nahtlos und ohne Ladezeiten von einem Bereich der Stadt zum nächsten, nach und nach schaltet ihr sie frei. Alle sind individuell gestaltet, von Gartenbereichen bis hin zu feineren Gegenden. Die Steuerung der Chaos stiftenden Gans ist indes fein ausgearbeitet. Es fühlt sich - soweit sich das als Nicht-Gans beurteilen lässt - realistisch an und sieht so aus. Beinahe würde man annehmen, die Entwickler hätten eine Gans zu Motion-Capturing-Aufnahmen bestellt.
Bleibt die Frage nach dem Langzeitspaß: Untitled Goose Game ist kein außerordentlich langes Spiel. Ich würde sagen, dass dies kein Nachteil ist. Es macht das Beste aus den paar Stunden Spielzeit, die es bietet, ohne dabei den kritischen Punkt zu überschreiten, an dem es sich zu stark ähnelt und in Monotonie umschlägt. Wobei das Spiel versteckte Aufgaben bietet und euch vor die Herausforderung stellt, alle Missionen eines Bereichs in weniger als sechs Minuten zu erfüllen. Keine leichte Angelegenheit, zugleich erhöht es die Spieldauer um einige Stunden, wenn ihr das machen möchtet.
Untitled Goose Game ist im Endeffekt ein einzigartiges Spiel, was allein dafür sorgt, dass es interessant ist. Einzigartigkeit ist natürlich nicht in jedem Fall mit Interesse gleichzusetzen, in diesem Fall trifft das aber definitiv zu. Schnatternd eine Stadt in Aufruhr zu versetzen, ähnelt nichts, was ihr bis jetzt erlebt habt - es sei denn, ihr beteiligt euch an einigen Rollenspielen der eher merkwürdigen Art. In der kurzen Zeit als Gans habt ihr eine Menge Spaß und wer gerne experimentiert, findet hier viel (Schaden-)Freude daran, diesem Dörfchen alle möglichen Streiche zu spielen. Ich hoffe, es bleibt nicht das erste und einzige Gänse-Abenteuer.
Entwickler/Publisher: House House/Panic - Erscheint für: PC, Switch, Xbox One, PS4 - Preis: 19,99 Euro - Erscheint am: erhältlich (PC und Switch) - Gespielte Version: Switch - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: nein