Gauntlet - Test
Totgesagte haben manchmal doch noch eine Auferstehung übrig. Aber nicht mit voller Lebensenergie.
Na, das ist ja mal eine Überraschung. Hätte nicht gedacht, dass mich der Name noch mal reizen würde. Letztens spielte ich mir einem Freund ein paar Minuten Gauntlet 4 auf dem Mega Drive und wir waren uns einig, dass man Gauntlet heutzutage eigentlich nicht mehr genießen kann. Zu plump, zu chaotisch, zu langweilig. Es gibt halt Spiele, die altern besser als andere, aber Gauntlet und sein Minimal-Action-Dungeon-Crawling riss es einfach nicht mehr.
So ging es mit gemischten Gefühlen an Gauntlet - jetzt wieder ohne Nummern, eigentlich müsste aber eine 9 hinter dem Namen stehen. Der erste Eindruck war schockierend. Mann, ist das Ding hässlich. Die vier Helden gehen ja noch als niedlich durch, aber der Rest... Wenn dieses Spiel ein Problem hat, dann ist es seine triste Farblosigkeit. Grau und Braun dominieren in den Dungeons, alles sieht irgendwie beliebig aus. Proto-Dungeons. Aber okay, auf geht es und in einer recht schlauen und kurzen Einlage muss jeder Spieler erst mal alle vier Helden kurz in einem Mini-Tutorial antesten und hier wurde das Interesse langsam geweckt.
Es war schon immer so bei der Serie, dass alle Angriffe und Techniken der einzelnen Helden sich wirklich grundlegend unterscheiden, und das wurde beibehalten. Der Krieger und der Elf sind relativ leicht zu handhabende Einsteigerfiguren. Der eine hackt sich durchs Leben, der andere kommt durch selbiges mit Dauerfeuer auf dem rechten Stick und ein paar Bomben, um schwere Situationen zu überstehen. Beide lassen sich schnell meistern. Die auf Defensive ausgelegte Valkyrie mit ihrem Captain-America-Schildwurf ist schon deutlich anspruchsvoller zu handhaben.
Der Magier aber schließlich ist eine Figur, an die bin ich selbst noch nicht herangekommen. Ich hatte jedoch das Glück, in einer Runde zu spielen, in der jemand diese Figur meisterlich beherrschte. Um einen Zauber zu wirken, müsst ihr schnell nacheinander zwei der drei Elemente und dann eine Richtung drücken. Eis, Energie und Feuer lassen sich zu insgesamt neun Sprüchen kombinieren. Ehrlich gesagt, ich krieg es einfach nicht so richtig auf die Reihe. Man muss sich richtig einspielen, aber dann ist es faszinierend, wie der Magier Sprüche schleudert, Feinde einfriert, sich praktisch teleportiert und so auf dem Feld aufräumt.
So jemanden hat man auch gern an der Seite, denn eines muss klar sein: Allein ist Gauntlet nur der halbe Spaß. Wenn überhaupt. Das war schon immer so, das hat sich nicht geändert und so solltet ihr zumindest mit einem Freund fest rechnen können. Alleine grindet man vielleicht für ein wenig Gold, um die zahlreichen extrem praktischen und variationsreichen Extrawaffen kaufen zu können, aber so richtig klickt es erst mit drei oder vier Helden. Vor allem weil es nur theoretische Koop-Modus ist. Eigentlich sind alle nur hinter dem Gold her.
Stirbt ein Spieler, lässt er knappe zehn Prozent seines Goldes fallen, das er bisher in der Stage sammelte. Da auch das Sammeln schon ein harter Kampf ist - wer zuerst kommt, sammelt es ein, Pech für die anderen -, gibt es so noch eine willkommene Gelegenheit, ein wenig Gold extra abzugreifen. Ich ertappte mich immer wieder, wie ich lieber einen Kollegen in der Ecke stehen ließ und so tat, als hätte ich meine eigenen Sorgen. Nur um mich dann über seinen Kadaver herzumachen. Fünf Sekunden später wird respawnt, und zwar problemlos so lange, wie die Party noch Revival-Münzen hat, die man durch Goldsammelei aufbaut. Auch das gilt es zu beachten. Lässt man seine Kollegen zu oft im Stich, war es das mit dem Überleben und keiner bekommt was. Es sind simple Dynamiken, aber sie funktionieren.
Zumindest für eine kurze Weile. Es gibt 12 Level mit je drei Stages, die sich alle Mühe geben, ein wenig Abwechslung reinzubringen. Mal ist es reines Dungeon-Wandern, mal ein kurzer Rush, mal verfolgt euch ein unbesiegbarer Tod, mal ist es komplett finster, mal wartet ein Boss. Am Ende ist es jedoch in der Regel ein Raum, in dem hirnlose Gegner auf euch einstürzen. Sie sind in der Übermacht und das Spiel ist eine Studie in Crowd-Control plus gleichzeitigem Ausschalten der Respawn-Punkte der Monster.
Hat man erst mal eine gute Taktik, ist man auch nur minimal als Team eingespielt, dann wird das Ganze zur Routine. Der Magier hält sie in Schach, der Elf sprengt eine Schneise, der Krieger zerlegt den Spawnpunkt. Brachte uns auf Hart fast durch das ganze Spiel. Andere Teams haben andere Taktiken, aber habt ihr erst mal eure gefunden, gibt es wenig Grund, davon abzuweichen. Sicher, mitunter ist die Panik groß und vor allem die großen Bosse können euch schon ganz gut beschäftigen. Aber die mathematisch genaue Abstimmung eines eingespielten Hochlevel-Teams in Diablo ist hier sicher nicht nötig. Selbst allein hatte ich mit dem Elfen schon bald sehr solide Taktiken, selbst bei den klar auf Koop ausgelegten Bossen. Es ist am Ende des Tages immer noch Gauntlet, und das ist halt... nun, ich will nett sein. Es ist einfach gestrickt.
Trotzdem, es spielt sich einfach gut, und das ist bei dem Genre ein ganz heftiger Bonus. Mal schnell solo eine halbe Stunde Gold horten macht zwischendurch Spaß. Mal kurz am Abend mit einem Freund einen Run laufen, ein paar Extras aufleveln, Gauntlet ist eben auch kurzweilig. Nur einen Fehler dürft ihr nicht machen: Stellt im Optionsmenü niemals den „Classic"-Grafikmodus ein. Ich weiß nicht, was das sein soll. Das wirkt wie ein Früh-90er-Digitalisierungsunfall. Es ist praktisch nicht zu erkennen, was man überhaupt sieht. Ein paar Minuten habe ich probiert, die Augen zusammenzukneifen, um zu sehen, ob es eins dieser komischen 3D-Bilder ist. War es aber wohl nicht. Also schnell aus und nie wieder an. Nein, schon in „normal" ist Gauntlet kein Hingucker, aber nach dieser Erfahrung sieht es wie Witcher 3 aus.
Gauntlet war die kleine Überraschung der Woche. Mit nichts gerechnet und doch gut und kurzweilig unterhalten worden. Nichts Anspruchsvolles, sicher kein Konkurrent für Diablo, Torchlight oder Van Helsing, aber darin liegt auch sein Reiz. Einfach mal zu dritt oder viert - am besten direkt vor einem Monitor oder TV versammelt - durch die Dungeons schlenzen. Der Magier liefert dabei sogar eine Herausforderung, sein Arsenal zu meistern, der Rest macht sein simpleres Action-Ding und für ein, zwei Stündchen habt ihr Spaß, als wäre es 1985. Danach wird es jedoch zu schnell zur Routine. Die Gauntlet-Saga ist noch nicht am Ende, das ist die gute Nachricht. Es macht doch noch Spaß, auch das hört man sicher gern. Aber die Reihe war halt auch noch niemals, egal wann in den letzten 30 Jahren, der Spieleolymp schlechthin. Und daran hat sich auch nichts geändert.