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Gears of War: Judgment – Test

Wenn der Kampagnen-Blues einsetzt, dann muss man halt mal umdenken.

Das war´s es jetzt aber, oder? Ich frage nur, weil man das ja eigentlich schon mit Gears 3 fürs Erste dachte und was soll jetzt schon noch kommen? Nun, Gears of War: Judgment war das, was ich erwartete. Schwache Geschichten, der Trilogie hinten angeklatscht. Perfekt, um sich einen Test lang darüber auszulassen und die Sinnlosigkeit dieses Titels wie den Vollmond anzuheulen. Aber es kommt am Ende ja doch immer alles anders. Selbst wenn ich recht behalten sollte.

Baird? Sidekick-Baird? Wer will´s wissen...

In Judgments Aufbau offenbart sich, dass People Can Fly zwar den Auftrag und durchaus auch einen guten Teil des Talents hatte, dieses Spiel zu machen, nur fehlte ihnen jede Richtung, wo es hingehen sollte. Zwei Kampagnen werden abgespult, beide vor dem Final von Gears 3, und keines der Kapitel würde ich als essenziell für die Geschichte betrachten. Das, was passiert tauchte bisher als Randnote auf und es wäre völlig ok gewesen, wenn es dabei geblieben wäre.

Stell Dir vor, Du bist im Team, für das sich keiner so richtig interessiert.

In der weit umfangreicheren Geschichte folgt ihr Damon Baird, Cole, Onyx und dem Russen - er hat einen Namen, aber zum einen vergesse ich ihn immer, zum anderen ist er der einzige relevante Russe, also kann er auch so heißen - und ihrem großen Kriegsverbrechen. Das Problem mit Spielen, die nicht nur in ihrem Ausgang sowieso bekannt sind, sondern diese Nebengeschichte auch noch selbst wiederum als Rückblick erzählen, ist, dass es keinen Spannungsbogen gibt. Die vier stehen vor dem Kriegsgericht, ihr wisst in der ersten Stunde, was sie getan haben, ihr wisst, wenn ihr die Rückblicke spielt, dass sie es tun werden, es ist eine bereits erfüllte Prophezeiung, die sich abspielt. Zugucken kann jedoch mitunter auch Spaß machen, selbst wenn ihr wisst, was kommt. In jedem der ersten vier Abschnitte spielt ihr im Solo-Durchgang eine der Figuren - im immer verfügbaren Koop mit wie immer bis zu drei weiteren Leuten wird natürlich gemixt -, im Letzten dann noch einmal Baird.

Selbst der Cole-Train bleibt in Judgment weit hinter seinem sonstigen Charme.

Dass sich das Ganze mehr wie ein umfangreicher DLC als eine neue, große Geschichte anfühlt, liegt an der Idee, alles in kurze Abschnitte zu unterteilen, praktisch nie länger als fünf Minuten. Das, und das damit einhergehende fehlende Element ruhiger Momente sind die Nachteile. Der Vorteil ist der Skill-basierte Ansatz, den das Ganze nimmt, indem es euch bis zu drei Sterne für jede Aufgabe gibt. Der eigentliche Trick dabei sind die optionalen Schwierigkeiten, die ihr euch auf Wunsch einhandelt, indem ihr euch verpflichtet, bestimmte Auflagen zu erfüllen. Benutzt nur einen bestimmten Waffentypus, die Sicht ist durch Nebel drastisch eingeschränkt, es befinden sich ein paar Feinde extra auf dem Feld, ausgerüstet mit den tödlichen One-Shots. Ein simpler, kurzer Ballerabschnitt wird plötzlich zu einer interessanten Herausforderung und ihr solltet auf jeden Fall immer zugreifen, denn das ist das eigentliche Herz von Judgment. Ihr könnt die ganze eher uninteressante Handlung drum herum vergessen, Cole hat eh nichts Neues zu sagen und Baird war schon immer der perfekte Sidekick und nie eine Hauptfigur. Das Spiel sollte eigentlich Gears of War: Trials heißen.

Es ist die Gesamtsituation, mit der ich zufrieden bin.

Als solches gespielt geht das Konzept sogar auf. Die eigentlich recht kurze, inhaltlich irrelevante Kampagne bekommt einen überraschend hohen Wiederspielwert, auch wenn ihr als GoW-Pros euch auf keinen Fall mit "normal" abgeben solltet. Das ist Zeitverschwendung und sogar mit den Challenges noch ein wenig zu locker. Aber hier war eine ganze Menge Zeugs dabei, dass ich noch mal auf Hart und Insane probieren werde, bis ich die drei Sterne habe. Somit enttäuscht die Judgment-Kampagne zwar als Weiterezählung der Geschichte, aber als reines Skill-basiertes Ballergame allein oder mit Freunden reißt dieser Teil am Ende trotzdem noch richtig was.

Die einfach freizuschaltende Mini-Kampagne "Aftermath" erzählt eine kleine Randepisode kurz vor dem Ende des dritten Teils und fühlt sich an wie etwas, das aus dem dritten Gears geschnitten wurde. Es kracht, es rumpelt, es ist Gears, aber jetzt, weit mehr als ein Jahr nach Gears 3? Ja, ok, ist dabei, man spielt es halt, es schließt die Geschichte des Baird-Squads, für die sich nie jemand wirklich interessierte, zumindest ein wenig ab. Irgendwo macht es Sinn, aber so herausgerissen fühlt es sich schon sehr als der abgesplitterte Nachsatz an, der es ist.

Fallen und Sperren sind essentiell auf dem Insane-Schwierigkeitsgrad

Nein, ich hatte recht: Die beiden Kampagnen als solche überzeugen nicht. Sie sind so bedeutungslos, wie es zu erwarten war. Trotzdem hatte mich Gears aus zwei Gründen. Erst einmal ist es ein Deckungsshooter, der weiß, was er ist. Es gibt nichts jenseits des Aufhebens einer Waffe und sie so zu benutzen, wie sie gedacht ist. Keine Sekundär- und Tertiär-Feuermodi im Dutzend. Keine Basteleien, einfach nur diese Knarre und die richtige Art, sie zu benutzten. Die Waffen sind bekannt, aber das ändert nichts an der hervorragenden Balance aus verschiedenen Distanzen und Schadens-Bereichen. Gears übt seit dem Start dieser Generation und so langsam haben sie es perfektioniert. Die Bewegungen der schrankförmigen Helden, das schnelle, unkomplizierte Decken, das beste Nachladen in allen Shootern, die es gibt: Spielt es fünf Minuten und ihr wisst sofort wieder, warum es das reine Spielen und Ballern in Gears ist, das diese Serie selbst praktisch unverwüstlich macht.

Grundlegend und überrannt: So muss es sein!

Der zweite Grund ist ein Mix aus den oben genannten Trials, die gerade auf den hohen Stufen der beste Koop-Multiplayer sind, den ihr euch wünschen könnt. Weit besser als der eigentliche Survival-Horde-Modus, den man ja mittlerweile auch zur Genüge kennt. Das geht Hand in Hand mit dem Freischalten von Dingen oder vielmehr in diesem Falle: den Dingen, die ihr nicht freischaltet. Es gibt keine Super-Waffen, die ihr ab Level 50 bekommt, ihr startet nicht nur mit Ramsch auf Level eins, alle sind so gleich, wie die Waffe, die sie finden und nutzen. Macht mich ein Level 40 fertig, weiß ich, dass er wirklich besser ist als ich. Hat er sich nur hochgelevelt, weil es irgendwann ja auch ohne Talent passiert, dann sollte er sich vor eurem "Anfänger" besser in acht nehmen. So etwas war mal selbstverständlich und nach einem Abend mit dem Judgment-Multiplayer frage ich mich schon, warum dieser Weg zugunsten des Dschungels freischaltbarer Waffen je verlassen wurde. Die Badges und Abzeichen, die ihr hier für Können erhaltet, sollten doch reichen.

Damit das nicht nur in den bekannten Modi aus genanntem Dauer-Kampagnen-Trials-Koop, Survival oder den Deathmatches Spaß macht, dachte man sich bei People Can Fly den OverRun-Modus aus. Es ist eigentlich eine Art Survival, nur dass es in zwei Teams - Locusts gegen COG, logisch - gegeneinander geht. Die COG müssen bestimmte versiegelte Punkte halten, die Locusts versuchen, sie zu stürmen. Gelingt ihnen das, müssen sich die COG zum nächsten Punkt zurückziehen. Verlieren sie diesen und auch den Dritten, haben die Locusts gewonnen. Schafft das COG-Team es jedoch, bis zum Ablauf des Timers zu überleben, dann räumt der Hammer of Dawn auf, die Locusts verlieren die Runde. Es klingt auf dem Papier weit weniger spektakulär, als es sich dann auf den herausragend entworfenen Karten voller Fallen, Selbstschussanlagen und anderen Extras ausspielt. Ich hatte schon eine Weile nicht mehr so viel unkomplizierten Mehrspieler-Spaß, der gleichzeitig nach und nach relativ viel Tiefe entfaltete, als ich anfing, richtig mit den Anderen und den Karten zu arbeiten. Das Zeitlimit ist hart, aber nicht zu hart, beide Seiten sind exzellent ausbalanciert. Ich weiß nicht, ob der Modus gut genug ist, um zu sagen, ihr könnt es als GoW-ler allein dafür kaufen. Aber ich überlege ernsthaft, ob es nicht so ist.

Techs im Team sind für eine gute Runde OverRun fast unerlässlich.

Weswegen seid ihr hier? Wollt ihr eine tolle neue, große epische Gears-Kampagne? Gewaltige Schlachten um das Schicksal der Welt? Sorry. Das war mit Gears 3 anscheinend durch. Beide Storys hier können in diesem Bereich den alten Teilen nicht auch nur annähernd das Wasser reichen.

Die gute Nachricht ist, dass People Can Fly das wohl wusste und mit dem Trials-artigen Aufbau dieses Manko fast wieder wettmacht und es sogar schafft, beim Wiederspielwert die früheren Gears zu überbieten. Da die Serie mittlerweile in ihren Abläufen so gelassen routiniert operiert, dass ihr keine Einspielzeit braucht. Solltet ihr je einen der Vorgänger überlebt haben, könnt ihr euch alternativ auch sofort mit Genuss in den Multiplayer und den ebenso herzerfrischend simplen, wie gefühlt unerschöpflichen Spaß des OverRun-Modus stürzen.

Ich bekam nicht, was ich zuerst wollte: eine tolle Kampagne. Die gibt es hier nicht. Ich fand aber etwas, das sogar - fast - besser war: Einen Multiplayer-Modus, der endlich mal wieder Enthusiasmus aufkommen lässt und einige harte und spannende Trials, an die ich im Zusammenhang mit Gears of War nie gedacht hätte. Es hat seine Vorteile, gelegentlich mal frische Leute an eine vertraute Serie zu lassen. Hier hat es sich ausgezahlt. Auf seine ganz eigene Weise.

8 / 10

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