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Genre-Special: Strategie

Vom Brett auf den Bildschirm

Seit vielen Jahrtausenden bestimmen Auseinandersetzungen die menschliche Natur. Anfangs nur beim Kampf ums nackte Überleben wurde daraus in der Geschichte der Neuzeit die Gier nach Macht, Land und militärischer Stärke. Doch der Kampf wurde nicht immer mit Waffen ausgetragen. Schon früh traten Menschen spielerisch gegeneinander an, um ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Einfache Spiele standen also schon immer unter dem Einfluss von militärischer Denkweise und taktischer Schulung. Durch Übung wollten sich die Menschen einen Vorteil verschaffen.

Sun Tzus Meisterwerk als Replika auf Pergament.

Doch während Schach und Co. diese Strukturen eher abstrakt integrierten, wurde militärische Taktik erst durch Sun Tzu auch mit Theorie unterlegt. Der chinesische Adlige verfasste im fünften Jahrhundert vor Christus sein Werk „Die Kunst des Krieges“ und schuf damit ein Regelwerk, wie sich die Kriegsparteien in einer kämpferischen Auseinandersetzung verhalten sollten.

Im Westen wussten nur wenige von dem klugen Asiaten. Bis zum 19. Jahrhundert wurde Strategie lediglich in Militärschulen und auf dem Schlachtfeld ausgeübt. Auf ersten Karten wurde in Feldlagern Taktiken besprochen und Angriffe festgelegt. Doch weder gab es klare Standards, noch wurden diese in spielerischer Form auch in den Alltag überführt. Erst der preußische Offizier Carl von Klausewitz griff 1816 die Idee von Sun Tzu auf und schuf mit seinem Standardwerk „Vom Kriege“ eine Handlungsanweisung für Militärstrategen, die noch heute in der Militärakademie gelehrt wird.

Die ersten Brettspiele

Seine Arbeit an der preußischen Militärakademie allerdings schuf nicht nur ein überlegenes Heer, sondern führte auch zur Entwicklung von „Kriegsspiel“, einer Schachvariante, bei der beide Spieler nicht wissen, wo die Figuren des Gegenübers stehen. Mit Hilfe eines Schiedsrichters wurden so Offiziere der preußischen Armee geschult, was angeblich zum Sieg im Französisch-Preußischen-Krieg von 1870-71 führte.

Seit diesem Zeitpunkt wurden in den Akademien verstärkt militärische Taktiken geübt. Die spielerische Variante dagegen verschwand wieder von der Bildfläche. Der Fantasy-Autor H.G. Wells sorgte schließlich über 40 Jahre später (1912) mit seinem an „Kriegsspiel“ angelehnten „Little Wars“ für neue Impulse und setzte Karten und Miniaturen ein, um im Rahmen von definierten Spielregeln eine Auseinandersetzung zu simulieren.

H. G. Wells ungewöhnlicher Einstieg in die Brettspiel-Entwicklung: Little Wars.

Im Zeitalter der Kriege geriet die Tradition angesichts realer Konflikte abermals in Vergessenheit - bis zu dem Jahre 1952, in dem Charles S. Roberts mit „Tactics“ den Vorgänger aller modernen Kriegsspiele kreierte. Als erstes Spiel für den Massenmarkt führte Roberts das Hexfeld ein und schuf damit die Grundlage für einen ganzen Industriezweig. Als logische Schlussfolgerung gründete Roberts die Brettspielfirma Avalon Hill, die mit „Tactics 2“ einen weltweiten Hit landete.

Die kleinen Pappfiguren der frühen Boardgames entwickelten sich schnell in kleine Miniaturen und aus den einfachen Karten entstanden plastische Landmarken.

Doch nicht nur komplexe Table Top-Games machten den einfachen Brettspielen die Spieler streitig. Neben authentischen Szenarien entstanden schnell auch fantastische Kriegsspiele, wie zum Beispiel Gary Gygaxs „Chainmail“, das 1969 klassische Militärstrategie mit „Herr der Ringe“ verknüpfte.