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GeoHot, Killzone 3 und andere Verbrechen

Weniger Kopieren bringt mehr Spaß!

Jetzt ist also die letzte Bastion gefallen: Spiele sind auf der PS3 kopierbar und das mehr oder weniger ganz nach Belieben. Nach fünf Minuten „Recherche" in Google war ich an dem Punkt, wo mir relativ klar war, wie das laufen muss, dass ich nicht mal meine Konsole zum Hardwareschrauber tragen muss und ich per Torrents alle Games dieser Welt, inklusive einiger, die noch nicht erschienen sind, herunterladen kann. Ein paar der Seiten fragte ich mal per schnellem Who-is ab und befand mich demnach mal in Russland, mal in den Niederlanden und sogar den USA. Raubkopierer aller Welt, vereinigt euch.

Ob der Mann, der das alles auf der Sony-Konsole möglich machte, wirklich nur den Hack und die „Freiheit" im Blick hatte, weiß ich nicht. Vielleicht. Der Exploit ist für Profis leicht nachvollziehbar, und dass er nicht Jahre früher auftauchte, kann durchaus damit zu tun haben, dass man Hackern – nicht Crackern – ihr Spielzeug, die Linux-Unterstützung, wegnahm. Damit konnte man zwar keine Spiele spielen, aber teilweise tolle Sachen machen. Ich hatte vor nicht langer Zeit einen BBC-Report gehört, in dem ein DNA-Forscher davon erzählte, wie er 300 PS3s in einem Netzwerk verband und so dank Cell-Rechenpower einen Super-Computer fahren konnte, der im Vergleich zu ähnlich leistungsfähigen Maschinen der großen Hersteller spottbillig war. Nachdem Linux nicht mehr lief, dürfte dieser Mann durchaus auf Probleme beim Ersatz ausgefallener Geräte gestoßen sein. Findet erst mal eine alte PS3 mit veralteter Firmware. Insoweit könnte es durchaus sein, dass GeoHot nicht mal den Cracker-„Markt" im Auge hatte, sondern die Welt zu einem besseren Ort machen wollte. Von einem gewissen Standpunkt aus betrachtet.

So oder so, die Cracker-Szene scheint zwar nicht besonders helle zu sein – sonst hätte sie den Exploit längst selber gefunden – ließ sich Anschluss aber nicht lange bitten. Tage, nachdem GeoHot in einem Anflug fehlgeleiteter Robin-Hooderei den Code veröffentlichte, ging es los und das erste prominente Opfer heißt jetzt Killzone 3. Ich kann mir gut vorstellen, dass unter den Kiddies dieser Welt nicht wenige die Ersten sein wollen, die es spielen und jetzt haben sie die Möglichkeit dazu. Ein paar Tausend von ihnen werden tendenziell in den nächsten Wochen oder Monaten Post bekommen – oder vielmehr ihre Eltern, die dann die Abmahn- und Anwaltskosten begleichen dürfen, eine viel größere Zahl wird das Game ungestraft zocken, bevor es überhaupt erst im Handel steht. Wie hoch der Verlust für das Studio und Sony ist, lässt sich schwer abschätzen, aber angesichts der Entwicklungskosten kann es von kaum bemerkbar bis zu verhängnisvoll reichen. Das wird man genau(er) erst in einigen Monaten sagen können.

Bei einem Killzone mag das selbst im Extremfall nicht mal so wild sein. Sony weiß um seine Prestigeprojekte, wird in den sauren Apfel beißen, es abschreiben und Teil 4 ebenfalls mit großen Budgets in das Rennen schicken. Die Auswirkungen der Kopiererei auf derartige Projekte brauchen länger, um sich zu zeigen. Bei einem kleineren Titel dagegen kann das viel schneller jemandem richtig wehtun. Ein Enslaved beispielsweise könnte trotz seiner mageren Zahlen jetzt vielleicht gerade noch so den Breakeven erreicht haben. Jetzt nehmt von den 400k verkauften Exemplaren noch mal weitere 50k zu den sowieso auf 360 kopierten Spielen weg, und das Game dreht sich von „wir reden mal noch eben so über einen Nachfolger" hin zu einem echten Verlustgeschäft. Nur um mal ein Beispiel anzuführen, dass es bei einer Raubkopie ja keine Geschädigten gäbe.

In einem gewissen Rahmen stimmt das aber trotzdem. Sollte einer jedes Spiel, das er spielt, kopieren, dann ist er wirklich nur ein Parasit der Branche, aber was ist mit jemandem, der zwar kopiert, aber trotzdem im Monat immer noch zwei oder drei Games kauft? Er würde wahrscheinlich, kopierte er nicht, auch nicht viel mehr Geld für Spiele ausgeben und so hat er doch den Teil seines Geldes, dass die Industrie und die Entwickler an ihm verdienen können, ehrlich abgeführt. Ja, irgendwie schon. Auf einem moralischen Level kann man philosophisch darüber diskutieren. Aber mal abgesehen davon, dass das immer noch illegal ist und er sich strafbar macht, hat er eigentlich nicht viel von diesen Kopien.

Gehen wir einmal davon aus, dass unser Kopierer ein normales Leben führt. Das heißt, er geht in die Schule, zur Uni oder zur Arbeit. Er hat eine Familie, Freund/Freundin und vielleicht noch eine Katze. Macht vielleicht noch Sport oder hat sonst ein Nicht-Spiele-Hobby. All das kostet einen großen Teil der Lebenszeit. Da bleibt im Monat vielleicht Zeit für zwei bis vier Spiele maximal. Weniger, wenn man wie Alex vor PES2011 festwächst oder wie ich von Fallout 3 nicht mehr loskomme. Und diese Zahl kann sich fast jeder leisten, der es möchte. Man muss ja nicht immer nur die neuesten Titel für 60+ Euro holen, mein Fallout hab ich für 15 Euro gekauft und deshalb ist das Game ja nun nicht schlechter. Die Zeit, dass man die neuesten Games – und zwar alle – sofort haben muss, sollte man nach 16 hinter sich gelassen haben. Mit einem normalen Leben kann man sich alle Spiele kaufen, die man auch wirklich spielen kann. Zumindest nah genug dran.

Wenn ich also diese paar Spiele im Monat kaufe, was ist dann mit den ganzen Kopien, die nebenbei auch noch gezogen werden? Die sind wertlos. Man spielt sie ja doch nicht. Wann auch? Klar, man hat eine theoretisch große Auswahl an Games herumliegen, aber eine große Auswahl an Dingen, die ich nicht nutzen kann, bringt herzlich wenig. Sicher, jede Copy wird mal eingeworfen, kurz angeguckt und das war es dann meist auch schon. Bei einigen Leuten kommt ein leicht gestörter Sammeltrieb dazu, aber dem Gamer als solchem bringt eine komplett legale Demo genauso viel. Man bekommt einen kurzen Eindruck vom Spiel und weiß, ob man es länger zocken möchte. Dafür muss man sich nicht in die möglichen Fänge eines auf den Torrents grasenden Abmahn-Anwalts begeben. Am Ende ist es mit diesen Kopien dann wie mit vielen Dingen, die gar nichts kosten. Sie haben für einen selbst keinen Wert. Sie liegen auf irgendeiner Platte herum und in helleren Momenten dürfte sich der Kopier- und Sammelwütige schon die Frage stellen, ob das jetzt all die Mühe wert war.

Die Cracker-Szene argumentiert nicht einmal mehr wie in den 80ern mit einer besseren Welt für bessere Preise, in der sie die Strafe für all die Schweinefirmen darstellt, die Schüler ausbeuten. Die Nummer glaubt heute eh keiner mehr, der nicht nur Vogelfutter unter der Schädeldecke hat. Wenn ein Konzern hunderte von Leuten beschäftigt, Millionen investiert, um ein Produkt zu veröffentlichen, dann habe ich nur die Wahl dieses Produkt zu kaufen oder es nicht zu tun. Aber es gibt mir nicht das Recht, es zu klauen und dann auch noch zu behaupten, dass es ein Grundrecht auf freie Games für jedermann gäbe. Die Crackerszene von heute nimmt sogar Kreditkarten und unterhält gepflegte Server mit virtuellen Tonnen an gestohlenem Material. Das ist organisierte Kriminalität und sollte zu keiner Sekunde mit der frisch-fröhlichen Cracker-Intro-Szene-Mentalität der 80er verwechselt werden. Die waren auch nicht knusper, aber im Vergleich zu den heutigen großen „Anbietern" war das wirklich noch fast Robin Hood. Und GeoHot hat auch dieser Mafia, ob er es wollte oder nicht, eine weitere Verdienstquelle geöffnet.

Wenn er wirklich ein Gegner von Raubkopien ist, dann hat er seinen Release sehr, sehr unprofessionell veranstaltet. Hätte er wirklich nur freie Entwickler oder Projekte wie genanntes DNA-Projekt unterstützen wollen, gäbe es andere Kanäle. Mit der Zeit wäre es sicher auch bei den Crackern gelandet, aber zumindest hätte ich dem Mann etwas leichter seine guten Intentionen abgekauft. Aber anderseits ist es natürlich genauso Blödsinn, ihn für jedes Leak verantwortlich zu machen. Die Firmen sollten sich schon genau angucken, wer da aus den eigenen Reihen was leaked. GeoHot an den Pranger zu stellen, ist ungefähr so schlau wie Assange dafür erschießen zu wollen, dass ihm jemand Informationen gab.

Man sollte sich fragen, woher die Information kam, wenn man das angehen möchte, und man sollte genauso schauen, wer da ein Killzone und ein Crysis hochgeladen hat. Ich möchte GeoHot nicht freisprechen, seine Arbeit ermöglichte einen guten Teil des Elends, dass die Spielewelt auf der PS3 in den nächsten Monaten oder Jahren erlebt. Aber ihn jetzt allein an die Wand zu stellen, ist ein einfacher, billiger und falscher Weg. Er sorgte dafür, dass der Upload von Killzone 3 nicht sinnlos ist. Aber er hat den Upload nicht ausgeführt. Und den, der das getan hat, sollte man genauso ausfindig machen, wie man die Mafiosi hinter den kommerziellen Raubkopierer-Seiten abstrafen muss. Das ist unendlich effizienter, als ein paar Kiddies abzumahnen, selbst wenn vielleicht sie einen kleinen Denkzettel verdient haben.

Es gibt eine Open-Source-Szene, Spiele-Entwickler, die auf „Spenden"-Basis per Paypal arbeiten und auch welche, die wirklich keinen Cent für ein Game sehen wollen. Das ist ihre Sache und ich hoffe, dass ihr solche Leute unterstützt, sei es durch Mitwirkung oder durch eine Spende. Wenn ein Konzern jedoch Geld sehen will, für etwas, dass er mit teilweise viel Geld gebaut hat, dann gibt es keine Rechtfertigungen, das einfach zu stehlen und zu behaupten, dass es ja niemandem wehtun würde. Mal davon abgesehen, dass das nicht stimmt, habt ihr am Ende auch selber nicht viel davon. Überlegt euch einfach, welche Games ihr wirklich spielen wollt, welche ihr Day-1 für den obersten Vollpreis braucht – jeder hat so ein Game, das auch mal SOFORT her muss –, schaut ansonsten auch mal bei Angeboten rein und ihr werdet ganz ohne Raubkopien auch nicht arm, nicht illegal, spielt nicht weniger und ihr habt eine bessere Spielerfahrung.

Damit sich hier keiner beleidigt fühlt: Die letzten Absätze scheinen sich direkt an Euch zu richten. Vielleicht klingt das sogar so, als hätte ich große Teile der Community im Verdacht, Kopien zu horten.

Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe bei euch den Eindruck, dass ihr teilweise nicht mal das Konzept von illegalen Kopien versteht, weil ihr noch nie eine besessen habt. Aber wenn sich doch jemand ganz persönlich angesprochen fühlt... Nun, das wird schon einen Grund haben.

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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