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Ghost Recon Wildlands will sich auch in offener Welt seinen taktischen Kopf bewahren

Stippvisite im drogenverseuchten Bolivien der nahen Zukunft.

Es ist kein Wunder, dass sich Ubisoft für Ghost Recon Wildlands neu sortiert. Ghost Recon: Future Soldier kam und ging, ohne den größten aller Eindrücke zu hinterlassen, nachdem Advanced Warfighter lange Zeit einer der Vorzeigetitel der frühen Xbox 360 war. Eines war ihnen auf jeden Fall gelungen: das Sync-Shot-Feature, eine Funktion, die dem Squad-basierten Einzelspieleranteil ein Gefühl von Teamarbeit verlieh. Wildlands wagt nun einen für Ubisoft nicht untypischen Schritt in die offene Welt und gestaltet alles etwas actionreicher als zuvor. Aber es nimmt den Sync-Shot und Gadget-getriebene Taktikfunktionen ins drogenverseuchte Videospiel-Bolivien mit.

Das Resultat präsentierte sich auf dem Anspieltermin als Balanceakt eines Spiels, das fest entschlossen ist, Action-Fans ebenso wie Taktierern ein gutes Erlebnis zu verschaffen. Das hier könnte nicht trotz, sondern gerade wegen seiner offenen Welt funktionieren.

In der Farm wartet Amaru auf seine Rettung.

Denn die ist erst einmal der Star hier. Über 20 Regionen mit jeweils eigenem Biom und Boss, der nach einer individuellen Quest-Reihe ein Stück des Weges zum Kingpin El Sueno freimacht, warten auf ihre Befreiung. Die auf dieser Karte zurückzulegenden Distanzen sind schlicht gewaltig. Die Berg- und Hügelzüge wirken angemessen massiv und unbezwingbar. Tatsächlich sind das hier wohl die schönsten Gesteinsformationen seit Langem. Es sind nicht einfach grüne, graue oder braune Erhebungen mit mehr oder weniger Bäumen darauf. Selbst die Spuren an ihnen herabrinnender Niederschläge zeichnen sich auf ihnen ab und ziehen tiefe Furchen in die Flanken von Gipfeln. Alles wirkt natürlich, lebendig. Es entsteht eine Offenheit und daneben die Fragestellung: Von wo aus wollt ihr das nächste Camp des bösen Santa-Blanca-Kartells angreifen? Im Grunde sind hier jedes Dorf und jede Stadt von paramilitärisch ausgerüsteten, die Bevölkerung terrorisierenden Verbrechern besetzt.

Auf der Anspielsitzung ging es im Bezirk Itacua gegen La Yuri und El Polito, ein groteskes Liebespaar, das sich als Folterknecht von Obermotz El Sueno verdingt. Um an sie heranzukommen, sollten wir zunächst den gefangenen Rebellenführer Amaru befreien. Per angenehm gut steuerbarer Jeeps näherten wir uns der Farm, auf der er festgehalten wurde. Die Straße mied ich, damit die drei KI-Kollegen und ich von Norden ungesehen an den Hof herankommen konnten, statt zufällig vorbeifahrenden Patrouillen zum Opfer zu fallen. Die letzten Meter zum Einsatzbereich legten wir zu Fuß zurück. Das Squad bewegt sich vollkommen autonom und zieht den Kopf ein, wenn der Spieler das tut. Die nächste, schöne Erkenntnis: Das Deckungssystem ist zwar automatisch, aber sehr clever und reaktiv. So sorglos habe ich mich - glaube ich zumindest - noch nie in einem Spiel bewegt, das keinen zusätzlichen Tastendruck zum Anlehnen an Deckung erfordert.

Es kann schon mal wild werden.

In Sichtweite der Feinde geht es dann wie so oft in einem Ubisoft-Spiel der letzten Jahre: Fernglas oder fliegende Drohne raus und Gegner markieren, denn wer weiß, wo die Feinde stecken, findet schnell den Weg des geringsten Widerstands. Per schallgedämpfter Waffe schalte ich einen Gegner aus, der sich im brusthohen Gras gerade von seinen Kollegen entfernte und mir etwas zu nah zu kommen drohte. Eine vorsichtige halbe Umrundung des Hofes später war es dann Zeit für den ersten Sync-Shot, als zwei nah beieinander stehende Wachen sich mal wieder vom Rest absondern. Man markiert einen Feind und legt auf den anderen selbst an. Sobald der KI-Kollege das Zeichen gibt, sein Ziel erfasst zu haben, schießt man auf sein eigenes und der Kollege tut es einem gleich. Ein Blick auf den umfangreichen Skill-Tree offenbart, dass man diese Fähigkeit aufrüsten und im Verbund vier Feinde auf einmal ausschalten kann. Auch viereinhalb Jahre nach Future Soldier ist der Sync-Shot immer noch eine ungemein befriedigende Art, den Weg freizuräumen.

Einen weiteren Gegner erwischte ich am Zaun mit einer lautlosen Nahkampfattacke von hinten. Als nur noch vier von ihnen auf der Vorderseite des Hofes übrig waren, vollführte ich noch einen weiteren Sync-Shot und ließ die letzten beiden Wachen per Feuer-frei-Kommando im Kugelhagel vergehen. Nach der Befreiung Amarus flohen wir im Helikopter, der praktischerweise vor dem Hauptgebäude geparkt war. Schöne Überraschung Nummer zwei: Das Ding fliegt sich wahrlich nicht von selbst. Vergleiche mit Arma sind zwar nicht ganz akkurat, das hier ist Arcade-artiger, aber eine Portion Gefahr fliegt schon mit, gerade wenn nach kurzer Eingewöhnungsphase das Selbstvertrauen zum riskanten Tiefflug einsetzt. Die Hubschrauber scheinen zu einem angenehmen Grad Realweltregeln unterworfen: Wer vor einem Berg zu spät hochzieht, bekommt prompt die flammenlodernde Quittung. Folglich war auch die erste Landung, um Amaru am Rebellenlager abzusetzen, durchaus respekteinflößend. Wie gesagt: Nicht zwangsläufig schwer, aber aufpassen muss man schon, gerade wenn noch die Leben von drei weiteren Spielern an euren Flugkünsten hängen.

Die Landschaft ist wundervoll variabel.

Yuri und Polito zu erlegen, das gelang mir nicht mehr, denn ich verlor mich ein bisschen im Open-World-Kleinklein und wurde schließlich auf den Koop-Modus losgelassen. Der läuft per Drop-in/Drop-out schön reibungslos und gleicht sonst dem Einzelspielermodus wie ein Ei dem anderen. Für die Sync-Shots dürft ihr weiterhin Gegner durchnummerieren. Runterzählen für einen gleichzeitigen Abschuss, bei dem niemand Alarm schlägt, müsst ihr allerdings schon selbst. Es ist zudem problemlos möglich, sich zu trennen und sein eigenes Ding zu machen. Aber in Absprache zu dritt von verschiedenen Richtungen ein Lager anzugreifen, während ein vierter Spieler mit Scharfschützengewehr auf der Lauer liegt, das ist schon ziemlich pulstreibend. Nicht zuletzt, weil die zweite Region, die wir spielen durften, Montuyoc, mit deutlich schwierigeren Gegnern und Missionen aufwartet.

Allerdings bekamen wir zuvor die Gelegenheit, einige Erfahrungspunkte in frische Skills zu stecken, in meinem Fall die Verbesserung der Effizienz und Reichweite der Drohne und den Umgang mit dem Scharfschützengewehr (insgesamt durchaus vorhersehbares, aber nützliches Zeug), um dem ein wenig entgegenzuwirken. Auch im Gunsmith, dem umfassenden Waffenkonfigurationsmenü, optimierte ich meine Kaliber ein wenig mit Visieren und Granatwerfer-Aufsatz, blieb aber im weitesten Sinne beim weithin schallgedämpften Loadout. Der Angriff auf eine Basis, um die dortige Mörsermunition zu vernichten, war trotzdem hart, zumal bei Alarm auch Verstärkungen und feindliche Helis angerauscht kommen. Unser Stealth-Ansatz ging wegen einer frühen Entdeckung über Bord und wir mussten uns neu gruppieren und die Gegner mit Brachialgewalt abwehren. Ein Höhepunkt war die Suche nach einem Deserteur des Kartells. Dieser wird bereits von Gegnern gesucht, als man im Missionsgebiet eintrifft. Ihn zu finden, bevor das Kartell es schafft, war durchaus spannend.

Wir freuen uns darauf, herauszufinden, was es alles zu entdecken gibt.

Alles in allem waren das ein paar schöne Stunden mit Ghost Recon: Wildlands. Die Parallelen zu beispielsweise den jüngsten Far Crys (Lager auskundschaften und übernehmen) und Metal Gear Solid 5 (Rohstoffcontainer zur Abholung markieren) sind zwar unübersehbar, aber der Koop-Modus und die Weltengestaltung zeigen enormes Potenzial. Und obwohl der Action-Anstrich überdeutlich von der Fassade strahlt, sind Heimlichkeit und Taktik immer noch eine sehr effiziente Vorgehensweise. Die Frage wird am Ende sein, ob und wie gut Wildlands diese Balance über die gesamte Dauer zu halten imstande ist. Auf die Antwort müssen wir zum Glück nicht allzu lange warten. Am 7. März geht es schon los.


Entwickler/Publisher: Ubisoft Paris/Ubisoft- Erscheint für: PlayStation 4, Xbox One, PC - Geplante Veröffentlichung: 7. März - Angespielt auf Plattform: PS4

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