Ghost Rider
Höllenritt
Ich mag den Ghost Rider nicht. Und das liegt weder an dem schwachen Film, der mit Nicholas Cage in der Hauptrolle derzeit die Füße der Kinobesucher zum Einschlafen bringt, noch an Climax‘ uninspirerter Auftragsarbeit, die gerade ihre Kreise in meiner Playstation 2 dreht. Es ist nur so, dass der Rider in der langen Reihe von Marvel-Helden furchtbar farblos und pseudocool daher kommt. Das fängt schon damit an, wie er aussieht. Die Figur scheint sich voll und ganz über ihren Look zu definieren. Nichts gegen Leder- und Kettenästhetik, aber hier hat Marvel einfach zu tief in den Badass-Topf gelangt. Brennende Totenköpfe und überkandidelte Feuerstühle wirken dem Seventies-Cheese-Aroma auch nicht eben entgegen. Nee, nee – der Rider wirkt wie die Rachefantasie eines unglücklich verliebten, pubertierenden Teenagers, der obendrein einen schweren Stand bei seinen Klassenkameraden hat. Jetzt ist es raus! Gut dass wir darüber gesprochen haben.
Da ich jetzt meine eigene Glaubwürdigkeit schon in der Einleitung so erfolgreich untergraben habe, würde ich gerne eines richtig stellen: Dass ich den Rider nicht leiden kann, heißt natürlich nicht, dass ein flammender Vergelter mit Kettenpeitsche nicht trotzdem ein passables Thema für ein knackiges Actionspiel wäre. Ganz im Gegenteil. Mischt man die Ingredienzen im richtigen Verhältnis und mit der gebotenen Sorgfalt, kommt am Ende im besten Fall etwas heraus, das ein bisschen nach God of War duftet. Das Problem an der Sache ist nur, dass wir schon einen von dieser Sorte haben. Und um mit dem in den Ring zu steigen, muss man wirklich sehr von sich überzeugt sein – oder lebensmüde.
Doch genau das macht Ghost Rider. Eben weil es den Abenteuern des spartanischen Schlächters bis hin zum Buttonlayout (und die Aufforderung an interaktiven Stellen „Kreis“zu drücken) gleicht. Natürlich ist es keine schlechte Idee von den Besten zu klauen, gibt man sich dem Kopierwahn aber gänzlich hin, lässt das Produkt einen eigenen Charakter vermissen. Die Folge: Das Plagiat liegt wie schlechtes Falschgeld neben einem echten Hunderter, und zwar näher als ihm gut tut. Blass und ohne Wasserzeichen, Sicherheitsfaden oder Glitzerfolie macht der zerknitterte Abklatsch einfach eine traurige Figur. Die Frage, auf welcher Seite man zugreift, erübrigt sich von selbst.
Für sich genommen ist Ghost Rider dann aber doch nicht ganz das Altpapier, das schon ein oberflächlicher, direkter Vergleich so schnell offenbart. Technisch annehmbar reiht der Rider starke und schwache Kettenattacken zu diversen Combos aneinander, um ganzen Horden ziemlich beliebiger Höllenkreaturen den Wundbrand ihres Lebens zu verpassen. Das sieht auf den ersten Blick verdammt nach dem großen Vorbild aus, entpuppt sich aber aufgrund der zu aufdringlichen, nahen Perspektive und dem seltsam ungeordneten Kampfablauf als deutlich chaotischer. Während man sich auf Kratos‘ Odysee gegen die fordernden, aber stets fairen Gegner in einen ausgewachsenen Vollrausch peitscht, greift und sticht, buttonmashed sich der Rider mit wilden und ineffizienten Kombinationen durch deutlich überdosierte dämonische Nervensägen.
Der Flow eines God of War kommt einfach niemals auf. Das liegt daran, dass die Elemente Schlag, Griff, Shotgun und flächendeckende Magieattacke seltsam voneinander entkoppelt sind, anstatt ineinander zu greifen. Feinde dürfen beispielsweise zwar in die Luft geschleudert, aber dort oben nicht gegriffen werden. Das passiert nur, wenn das Programm sagt, dass man darf. „Jetzt Kreis drücken“. Spannend. Und auch Konter kennt der Rider nicht. So hat man nie das Gefühl, der großen Übermacht Herr zu sein, den Schlachtenverlauf zu gestalten und – man entschuldige die Ausdrucksweise – verdammt nochmal Hintern zu treten. Dass oft erst ein Combo-Meter bis zum „Brutal“-Wert hochgeprügelt werden muss, bevor Ihr den entsprechenden Unholden einen neuen Scheitel ziehen dürft, hilft dem Spielspaß da auch nicht unbedingt wieder auf die Beine. Da hierbei möglichst flinke und abwechslungsreiche Kombinationen gefragt sind, hat man schnell entnervt Löcher ins Joypad gedrückt. Spaßfrei.
Dabei ist es ist schon fast eine Ironie des Schicksals, dass der Look dem Rider auch in Spielform zum Problem gerät. Abseits der hübsch ausgeleuchteten Prügeleien und den ansprechenden Comic-Zwischensequenzen, gibt es schlicht nichts zu sehen. Mit jedem neuen Raum - der zunächst abgesperrt wird, damit Ihr ihn von Feinden säubert - wächst die Ungeduld, wird das Gähnen länger und das Auge ein Stück mehr übersättigt von der düsteren Monotonie, in die Climax seine Arenen kleidet. Kämpfen als Pflichtaufgabe in einer unattraktiven Welt. So stelle ich mir meinen Feierabend eigentlich nicht vor.
Zwischen den einzelnen Abschnitten steigt der Rider selbstverständlich auf seinen wohltemperierten Chopper, um mit Tempo 50 zur nächsten Einöde zu tuckern. Ein paar Sprünge, Schlitterpartien und umgemähte Gegner später ist einem aber fast schon wieder entfallen, das lahme Easy Riding je bestritten zu haben. Was dagegen wirklich hängen bleibt, sind die exquisiten Unlockables. Neben zusätzlichen spielbaren Charakteren (u.a. „Blade“) ersteht Ihr im Upgrade Shop gegen gesammelte Seelen diverse Ghost Rider-Comics, Interviews und Making Ofs.
An meiner Antipathie gegenüber dem Gothic-Racheengel ändern die reichlichen Dreingaben freilich nichts. Ebenso wenig wie Climax‘ ungenierter Raubzug durch‘s antike Griechenland. Wenn man sich das Nötigste abschaut, Standards erfüllt, aber keinerlei Spritzigkeit oder Spannung aufbaut, hat man letzten Endes nicht unbedingt ein himmelschreiend schlechtes Spiel auf die Beine gestellt. Sehr wohl aber eines, das ebenso leer und seelenlos anmutet wie die Monstren, die dem Spieler so erfolgreich auf den Geist gehen.
Feuer und Flamme – wen wundert’s – wird darüber nur jemand mit Spezialinteressen.