God of War 2
Der Herr hat's gegeben...
Die inneren Werte der antiken Keilerei sind noch immer recht einfacher Natur. Allerdings auf genau die sympathische Weise, die den Unterschied zwischen „Old School“ und „Altbacken“ ausmacht: Das Kampfsystem ist schnörkellos und schnell begriffen, liefert aber im Zusammenspiel mit den vier neuen Zaubern (die diesmal ein wenig hilfreicher sind als zuvor) mehr als genug Möglichkeiten, es ansehnlich, kreativ und vor allem effektiv mit den gut gemischten Gegnermobs aufzunehmen. Die vereinzelten unblockbaren Attacken der wilden Horde verlangen noch immer Übersicht, Auge und gutes Timing vom Spieler, der den eleganten Umgang mit den Schergen des Zeus unterdessen zur Kunstform erklärt. Wenn man ein halbes Dutzend pferdefüßiger Schlitzer samt zweier Trolle mit fließenden Kombinationen, geschickten Paraden und schließlich unglaublich brutalen Quicktime-Event-Finishern auf allerlei grausige Arten in den Hades geschickt hat, merkt man erst, wie sehr man das Spiel verinnerlicht hat.
Wenn man ganz ehrlich ist, muss man aber zugeben, dass den Entwicklern nicht ganz das Balance-Schmuckstück gelungen ist, das der Vorgänger war: Der neue Konterangriff, der erst nach einem Upgrade der Blades of Athena anwendbar ist, scheint ein wenig überpowert. Und einige Feinde lassen sich zu einfach per Griff-Attacke aus dem Weg räumen, während der Rest vom Stammtisch tatenlos zusehen muss. Trotzdem: Auch wenn es insgesamt vielleicht eine Messerspitze leichter geworden ist, definiert sich God of War 2 – wie schon der Vorgänger – immer noch darüber, wie viel Übung und Herzblut Ihr hineinstecken wollt. Auf „Easy“ ist es ein massenkompatible Klopper, für Jedermann, dem Eyecandy und schneller Fortschritt wichtiger sind, als eine Prüfung für die eigenen Skills. Der mittlere Schwierigkeitsgrad ist wohltemperiert und liefert für den durchschnittlich talentierten Spieler genau die richtige Mischung: Viel Zuckerbrot und wenig Peitsche. Auf „Titan“ wird God of War 2 dann ganz und gar zum Tritt in den Hintern, den sich der Hardcore-Spieler wünscht: Ein Spiel auf Augenhöhe mit seinem Herausforderer, das nichts verschenkt, aber trotzdem reich belohnt – mit einem Gefühl von Unbesiegbarkeit.
Kratos‘ Weg durch verfallene bis hochglanzpolierte architektonische Meisterleistungen wird durch neue Moves ein wenig aufgelockert. Das leicht erweiterte Fähigkeitenrepertoire (Ihr hangelt an Decken entlang, schaukelt an vorgegebenen Ankerpunkten über Hindernisse, überwindet Abgründe mit den Schwingen des Ikarus oder verlangsamt ab und an die Zeit) beinhaltet auf dem Papier zwar wenig Neues, bereichert das ohnehin schon schöne Leveldesign aber um ein paar interessante und gern gesehene Perspektiven, die ich ungern spoilern würde. Für kurze Verschnaufpausen sorgt das erhöhte Rätselaufkommen. Die Denksportaufgaben haben in bester Videospieltradition eigentlich immer mit Kurbeln, Hebeln und Bodenplatten zu tun, lösen sich jedoch immerhin nicht immer von selbst. Diese Expedition bis in die unwahrscheinlichsten Winkel der mythischen Welt wird erneut durch eine nahezu perfekte Kamera stilistisch und spielerisch perfekt unterstützt. Wer noch nie God of War gespielt hat, weiß einfach nicht, was für eine Erleichterung es bedeutet, sich in einem Third-Person Spiel nicht ständig um die Kamera kümmern zu müssen. Es werden einfach nicht genug Loblieder auf die zuverlässige Regie gesungen, die schlicht fast immer im Bilde ist. Nur ihr ist zu verdanken, dass der Spieler voll und ganz im Schlachtenverlauf aufgehen kann.
Wie Ihr seht, erfindet Sony Santa Monica sein God of War oder gar das gesamte Action-Adventure-Genre keinesfalls neu. Aber wenn Ihr ehrlich seid, wolltet Ihr nach dem Ende des genialen Debüts doch nur eines: Mehr. Und genau das ist God of War 2. Mehr Bosse, mehr Waffen, mehr Mehr. Stilsicher und mit einigen der besten FMVs gesegnet, die ich jemals gesehen habe, wird hier ein antiker Thriller aufgeführt, der Zak Snyder’s bildgewaltiges Zelluloid-Gemetzel „300“ wie einen griechischen Dokumentarfilm über Videobearbeitung anmuten lässt. Und zwar im O-Ton. Warum also keine 10?
Nun, so komisch es klingt: Insgesamt war Teil 1 ein noch stimmigeres, beeindruckenderes Erlebnis. Das kann man auf die bessere, weil tragischere Story des Erstlings schieben oder auf das "freche" Ende von Teil 2. Eigentlich liegt es aber nur daran, dass die ergriffenen „Ahh“s und „Ohh“s die einem God of War 2 entlockt, vor zwei Jahren im Vorgänger noch ein bisschen lang gezogener waren. Ob das Kratos zweitem Wutausbruch mit all seinen genialen Momenten jetzt unbedingt zum Nachteil gereicht, müsst Ihr für Euch selbst entscheiden. Ich für meinen Teil empfehle, diese müßigen Vergleiche sein zu lassen, und schleunigst zum Händler Eurer Wahl zu spurten. Denn es passiert bereits: The end begins! Hier und Jetzt!