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Goin' Downtown

Verschenktes Potential

Simon the Sorcerer, Everlight, Monkey Island, Treasure Island oder So Blonde haben eines gemeinsam: Ihre Geschichten sind für jede Altersgruppe geeignet. So, wie es bei der Mehrheit aller Adventures eigentlich der Fall ist. Und nun kommt plötzlich ein Goin' Downtown daher, das ein eher erwachsenes Publikum anspricht. Diese Tatsache macht aber wiederum nicht automatisch ein gutes Spiel daraus.

Dass Goin' Downtown kein allzu fröhliches Spiel sein will, bemerkt man gleich zu Beginn. Der New Yorker Cop Jake McCorly – gleichzeitig auch die Hauptfigur – trauert noch immer um seine kürzlich verstorbene Frau. Er flüchtete sich zunächst in die Welt des Alkohols, nimmt aber mittlerweile nur noch Tabletten, um ein halbwegs normales Leben zu führen. Der Job läuft nicht gerade bestens. Die Wohnung ist eng. Da schießt dem guten Jake schon mal der Gedanke an Selbstmord durch den Kopf.

Letztendlich kommt es aber doch anders als gedacht. Auf der Straße vor seiner Wohnung findet er eines Tages eine bewusstlose Frau vor. Dummerweise erinnert sich die Dame nur noch an ihren Namen und hat ansonsten keine Ahnung, was eigentlich gerade vor sich geht. Deswegen verfrachtet er sie kurzerhand in sein Apartment, bietet ihr ein Glas Wasser an und verordnet ihr ein Nickerchen in seinem Bett. Jake schläft dabei selbst ein und wacht erst in der Nacht wieder auf. Rose ist verschwunden. Ihre Tasche steht noch auf dem Boden.

Schon bald findet Jake heraus, dass sie aus seinem Fenster gesprungen ist. Und genau das lässt ihm keine Ruhe mehr. Er will wissen, warum sie es getan hat und unternimmt alles, um diesen kniffligen Fall zu lösen. Doch die Ermittlungen erstrecken sich viel weiter, als er es erahnen konnte.

Auf dieser Karte bewegt sich Jake durch die Stadt.

Leider ist die Story von Goin' Downtown nicht so aufregend wie es der Anfang verspricht. Sie lässt ein wenig an Tempo vermissen und kommt nach einem durchaus gelungenen Start nur sehr langsam in Fahrt. Ebenfalls auf der Vermisstenliste stehen spannungsgeladene Momente oder überraschende, schockierende Wendungen, die Euch unbedingt stundenlang weiterspielen lassen wollen. So bleibt die Geschichte jedenfalls reichlich unspektakulär. Es besteht zwar Potential, aber in Sachen Aufmachung und Realisierung wäre weitaus mehr möglich gewesen.

Ähnlich verhält es sich mit der Cel-Shading-Grafik. Keine Sorge, sie sieht im Grunde genommen wirklich gut aus und verpasst dem Spiel einen ganz eigenen Stil. Aber dennoch will sie nicht so recht zu der eigentlich eher düster angelegten Geschichte rund um einen Mord und einen abgewrackten Polizisten (wovon man auch wenig mitbekommt) passen. Dafür wirkt die Welt von Goin' Downtown vielerorts einfach zu sauber, zu steril. Nette Idee: Auf Wunsch dürft Ihr Sprechblasen einblenden lassen, in denen die gesprochenen Texte niedergeschrieben werden. Im Zusammenspiel mit der Optik entsteht dadurch die Illusion eines interaktiven Comics.

Alles in allem kommt Goin' Downtown nicht über eine Spielzeit von knapp acht Stunden hinaus. Vor allem echte Adventure-Experten dürften unterfordert sein, da die Rätsel praktisch immer recht einfache und offensichtliche Lösungswege offerieren. Man wird quasi ein wenig an der Leine geführt und erhält stets genaue Beschreibungen. Wenn Jake einen Gegenstand von einem anderen Schauplatz in Anspruch nehmen muss, erfährt man das auch. Wer doch mal feststeckt, muss nur ein wenig rumprobieren und dürfte damit keine Probleme haben. Insgesamt zwar komfortabel gelöst, nur leider wenig herausfordernd.

Jake bei einem kleinen Plausch mit Kollegin Isabel.

Immerhin hat man aber noch zwei interessante Features im Gepäck. Da wäre zum einen der Tag/Nacht-Wechsel, den man manchmal nach belieben, gelegentlich aber auch gar nicht selbst kontrollieren kann. Im Grunde wechselt man lediglich hin und her, um mal mit einer Figur zu sprechen. Mitunter ist es jedoch nötig, dass man ein bestimmtes Gebäude zu einer spezifischen Tageszeit besucht. Spezielle Fähigkeiten erhält Jake dadurch keine. Da hätte man noch mehr rausholen können.

Das zweite Element ist der Simulator – quasi das Gegenstück zu Minority Report. Mit ihm blickt Jake nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit. Das Gerät soll künftig die Aufklärung von Verbrechen erleichtern und ist glücklicherweise schon bereit zum Einsatz, wodurch Jake es – natürlich inoffiziell – benutzen kann. Auch in diesem Fall gilt: Potential verschenkt. Der Simulator steht erst ab einem späteren Zeitpunkt im Verlauf der Geschichte zur Verfügung. Und dann benutzt man ihn lediglich zweimal. Man benötigt zwar das Wissen aus der realen Welt, ansonsten ähneln sich die Abläufe hier jedoch praktisch 1:1.

Durchweg gelungen ist die Synchronisation. Im Zuge der Ermittlungen erkennt Ihr die eine oder andere bekannte Stimme. Das geht schon in den ersten Minuten los, denn Hauptfigur Jake wird vom deutschen Will Smith-Sprecher vertont. Seine Kollegin Isabel hört sich hingegen an wie Jennifer Lopez. Darüber hinaus verwöhnen die deutschen Stimmen von Antonio Banderas, Nicole Kidman und George Clooney Eure Ohren.

Goin' Downtown hat wirklich gute Ideen und eine im Ansatz spannende Story, kann dieses Potential aber leider zu keiner Zeit so richtig ausspielen. Schade, denn das Szenario richtet sich doch eher an erwachsene Adventure-Fans und schlägt einen realistischeren Weg ein als die Mehrheit der Konkurrenten.

Besonders für die schöne Optik gebührt Silver Style aber ein Lob, denn der eigentliche Grafikstil ist ihnen gut gelungen. Meiner Meinung nach passt die Optik in der vorliegenden Verfassung aber leider nicht wirklich ins Spiel. Sie könnte mehr Schmutz und eine düstere Atmosphäre vertragen.

Den Negativtrend der immer kürzer werdenden Adventures setzt Goin' Downtown derweil ebenso fort wie zuletzt schon Treasure Island. Immerhin verlangt man im Gegenzug nur 30 Euro von Euch, was die ganze Sache ein wenig erträglicher macht.

Um es kurz zusammenzufassen: Wer ein ernsthaftes Adventure spielen möchte, hat mit Goin' Downtown sicherlich seinen Spaß. Erwartet aber nicht zu viel Neues im Hinblick auf Story und Innovationen. Letztendlich bleibt das Spiel trotz interessanter Ideen ein eher konventioneller Genrevertreter, der Euch zwar für einige Stunden gut unterhalten, aber nicht vom Hocker hauen wird.

Goin' Downtown ist bereits im Handel erhältlich.

7 / 10

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Benjamin Jakobs Avatar
Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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