Gran Turismo 7 bringt seine Liebe zur Autokultur auf die nächste Stufe
Autokultur spielt eine wichtige Rolle in Gran Turismo 7, aber das ist längst nicht alles.
Wenn Forza Horizon die Spaßveranstaltung unter den Rennspielen ist, wirkt ein Gran Turismo dagegen fast wie eine ernste Angelegenheit. Zumindest packt es das ganze Thema Autokultur und Inszenierung ein wenig nüchterner an als Playground Games' Arcade-Fahrspaß. Was auch gut so ist, ein Forza-Horizon-Klon ist das Letzte, was wir brauchen. Nicht weniger als "das beste Gran Turismo" soll Teil sieben werden, wobei das natürlich eine Phrase ist, die Entwickler bei jedem neuen Teil einer Serie von sich geben. Es wäre eher merkwürdig, wenn das nicht ihre Ambition wäre.
Kazunori Yamauchi, Polyphony Digitals Präsident und Serienschöpfer, nennt Gran Turismo 7 während einer Präsentation einen "Car Life Simulator" und er soll "die Leute für Autos begeistern, unabhängig davon, wie groß ihr Interesse an diesem Thema ist". Rechnet mit einer "Sandbox-Welt, die das Leben mit Autos simuliert", unter anderem feiert die Weltkarte ihre Rückkehr in Gran Turismo 7 und dient als Hub für sämtliche Features und Inhalte des Rennspiels.
Gran Turismo 7 hat mehr als 400 Fahrzeuge zu bieten
Und von diesen gibt es eine Menge. Zum Launch enthält der Titel mehr als 400 verschiedene Fahrzeuge, hinzu kommen mehr als 34 Renn-Locations mit insgesamt mehr als 90 Streckenlayouts. Diesmal wird es auch mehrere verschiedene Events pro Strecke geben, von normalen Rennen über Time Trials bis hin zu Drift-Herausforderungen. Alles in allem habe Gran Turismo aber "kein definiertes Ende", sagt Yamauchi.
Mit neuen Autos versorgen euch dabei die drei Autohändler im Spiel. Bei Brand Central bekommt ihr alles, was im Jahr 2001 und später hergestellt wurde. Bei Used Car Deals solltet ihr nachschauen, wenn ihr nach Fahrzeugen zu vernünftigen Preisen sucht. In die komplett entgegengesetzte Richtung geht schließlich der Legendary Car Dealer. Der hat "historisch relevante und legendäre Fahrzeuge" zu bieten, natürlich zu entsprechend hohen Preisen.
Und an diesen Fahrzeugen könnt ihr nach Lust und Laune herumschrauben. Es gibt etwa zahlreiche verschiedene Performance-Teile, zusätzlich nehmt ihr in einem Bildschirm, der eher ein wenig an eine Excel-Tabelle erinnert, bis ins kleinste Detail Optimierungen vor. Das Ganze wird als "eine Art Mini-Spiel" in Gran Turismo 7 beschrieben, zugleich repräsentiere es "einen der größten Fortschritte" des Spiels. Angesichts der vielen Optionen könnte man auch sagen, dass es ein Bildschirm ist, mit dem ich mich wohl nie näher befassen werde.
Während ihr auf der rechten Seite die Einstellungen anpasst, wird euch links angezeigt, wie sich das schlussendlich auf die Leistung des Wagens auswirkt. Die bekannten Performance Points, mit denen die Leistung eines Vehikels berechnet wird, basieren nun nicht mehr auf festen Punkten wie Gewicht, Grip und anderen Dingen. Vielmehr laufe laut Yamauchi eine komplette Simulation im Hintergrund - "so ziemlich in Echtzeit" -, die das Leistungsniveau eines Wagens bestimmt.
Direkt mit anderen teilen lassen sich diese Einstellungen nicht. Auf Umwegen ist es aber möglich, indem ihr Screenshots davon macht und freigebt. Die Menüs wurden daher, wie Yamauchi angibt, extra so gestaltet, dass dies möglich ist. Der Grund, warum es nur so geht? "Der Grund, warum die Einstellungsdaten nicht sofort freigegeben werden können, ist, dass der Status der Autos zwischen den verschiedenen Spielern unterschiedlich sein könnte, wenn etwa abweichende Aero-, Tuning- oder Leistungsteile installiert sind. Wenn wir also die Einstellungsdaten von einem anderen Auto kopieren würden, könnte es einige Diskrepanzen geben, die dazu führen könnten, dass es nicht funktioniert, deshalb kann man sie nicht direkt teilen."
Gran Turismo 7 möchte euch die Autokultur vermitteln
Dann wäre da das Gran Turismo Café, das euch noch tiefer in die Welt des Spiels und der Automobile eintauchen lässt. Yamauchi bezeichnet es als eine Art "Portal, um mehr über Autokultur zu lernen". Hier erwarten euch 30 Menu Books aka Quests mit verschiedenen Aufgaben, die euer Verständnis für die Welt von GT7 vertiefen sollen. Vervollständigt ihr etwa die Aufgaben eines Menu Books, erfahrt ihr mehr über die Hintergründe und die Kultur der Wagen, um die es darin ging.
Nicht weniger wichtig ist der Showcase-Bereich. Im Grunde ein Hub, in dem sich Inhalte mit anderen teilen und Inhalte von anderen anschauen lassen. Egal, ob es sich dabei um Wiederholungen, um Sticker, Lackierungen oder Fotos handelt. Apropos Sticker: Es gibt in Gran Turismo 7 mehr davon, ihr könnt sie in mehr Bereichen auf den Autos anbringen und das ebenso in höherer Zahl.
Kommen wir zur Technik, die dahintersteckt. Gran Turismo 7 bietet euch einen Framerate-Modus sowie einen Raytracing-Modus. In Ersterem geht es darum, beim Fahren die höchstmögliche Framerate zu erreichen, in dem Fall 60fps. Raytracing bezeichnet Yamauchi als "sehr schwierigen Prozess", daher kommt die Technik nicht im normalen Rennverlauf zum Einsatz. Ihr seht sie in Wiederholungen, 3D-Stages oder beim Rendern im Fotomodus - also dort, "wo keine schnellen Spielerreaktionen erforderlich sind".
Großen Wert legt Polyphony besonders auf den Sound des Spiels. "Die effizienteste Art, das Spiel zu erleben, ist mit Kopfhörern", betont Yamauchi. Das Ziel ist, dass ihr in der Lage seid, bei jedem Geräusch zu erkennen, aus welcher Richtung es kommt. Egal, ob das nun ein Helikopter ist, der über euch fliegt, oder Regentropfen, die gegen die Windschutzscheibe prasseln. Und damit ist es nicht getan. Die Geräusche im Spiel werden von den verschiedensten Objekten reflektiert, ob von Zäunen, Betonwänden oder anderen Barrieren. Abhängig vom Material - ob weicht oder hart - klingt das dann wiederum anders.
"Wir haben Studios in Nordamerika, eins in Deutschland und eines in Großbritannien", sagt Yamauchi zu den Sound-Aufnahmen. "Dort gibt es diese schalldichten Räume und Geräte, die direkt mit dem Innenraum des Wagens verbunden sind. Es steckt eine Menge Arbeit dahinter, die Sounds der Autos aufzunehmen, denn jedes einzelne dieser Autos musste ins Studio gebracht werden."
Musik nimmt in Gran Turismo 7 eine wichtigere Rolle ein
Mit zum Thema Sound gehört die Musik, die mit mehr als 75 Künstlern und mehr als 300 Musikstücken einen wichtigen Teil einnimmt. Gleichzeitig wird sie bei zwei neuen Features noch mehr mit eingebunden. Das "Music Replay" ist eine neue Option für Wiederholungen von Rennen. Dabei wird ein Musikstück abgespielt, auf dessen Basis die zugrundeliegende Technologie die Kamerapositionen für die Wiederholungen bestimmt. Bei einem normalen Replay setzt das Spiel auf fixe Punkte für die Kamerapositionen, daher soll ein Replay im Music-Replay-Modus nie gleich ablaufen.
Für Yamauchi ist es "eine der großen neuen Erfindungen für GT7" und auch der Modus "Music Rally" rückt die Musik in den Fokus. Hier geht es ihm zufolge nicht darum, so schnell wie möglich zu fahren, sondern darum, die Musik zu genießen. Auch wenn das Ganze auf den ersten Blick mehr an ein Checkpoint-Rennen erinnert. Hier tickt nicht die Zeit runter, sondern die Beats. Erreicht ihr ein Tor, bekommt ihr wieder Beats auf euer Konto gutgeschrieben. Das Ziel ist, ein komplettes Musikstück zu Ende zu hören. Wenn die Zahl der Beats währenddessen aber auf null sinkt, heißt es game over.
Yamauchi ist überzeugt, dass sich beim normalen Gameplay beides nicht perfekt miteinander vereinen lässt: "Der Spieler möchte Hintergrundmusik beim Fahren hören, ist dann aber nicht in der Lage, den Motor oder das Quietschen der Reifen auszumachen. Wer sich also rein aufs Fahren konzentrieren wollte, musste die Musik ausschalten. Und dann gab es den Wunsch vieler Spieler nach einem Modus, in dem sie einfach entspannt durch eine wunderschöne Umgebung fahren können, ganz wie es in einem echten Auto möglich ist", ergänzt er. Music Rally soll die Antwort darauf sein.
Weiterhin betont er, dass es bei Music Rally nicht um Sekunden, sondern um die Beats pro Minute geht: "Das wichtigste Ziel von Music Rally ist, dass die Leute die Musik wirklich genießen", sagt Yamauchi dazu. "Und der andere wichtige Punkt ist, dass wir es so gestalten wollten, dass Leute, die es zum ersten Mal spielen, die noch nie ein Auto-Spiel gespielt haben, etwas haben, das sie genießen können."
"Der Music-Rally-Modus basiert auf der Anzahl der Beats, die man am Anfang hat, und man erhält zusätzliche Beats, wenn man durch diese Checkpoint-Tore fährt. Es geht also um Beats, nicht um Sekunden. Das ist etwas ganz anderes. Das bedeutet, dass man bei einem Musiktitel mit einem schnelleren Takt pro Minute mehr Beats verbraucht als bei einem Titel mit weniger langsameren Beats pro Minute. Bei einem Titel, bei dem sich die Schlagzahl ändert, steigt oder sinkt sie entsprechend. Der Punkt ist, dass es wirklich auf der Musik basiert. Der Grund, warum wir immer noch die Distanz anzeigen, ist, dass es wettbewerbsorientierte Spieler gibt, die sich mit ihrem Freund messen und versuchen wollen, sie zu übertreffen. Deshalb zeigen wir die Distanz an, aber das ist nicht der eigentliche Sinn des Spielmodus."
Ein besseres Fahrgefühl und mehr Immersion in Gran Turismo 7
Das Fahrgefühl von Gran Turismo 7 sollt ihr zugleich in euren Händen spüren. Polyphony möchte den DualSense-Controller der PlayStation 5 umfangreich nutzen, euch etwa unterschiedliche Untergründe mit feinen Nuancen spüren lassen. Ebenso reagieren etwa die adaptiven Trigger beim Bremsen oder wenn das ABS greift. Ausgehend von irgendwelchen Präsentationen lässt sich natürlich schwer sagen, wie gut das hier gelingt.
Immersion ist jedenfalls ein wichtiger Faktor: "Es ging darum, wie nah man an die Realität herankommt", sagt er. "In GT7 haben wir die Grafik so optimiert, dass wir mit Raytracing die Qualität deutlich steigern konnten. Und auch in den Rennen selbst haben wir an Dingen wie dem Sound gearbeitet, wir verwenden etwa bessere Aufnahmemethoden, um bessere Sounds zu erzeugen. Dinge wie die Haptik, die auf der PS5 verfügbar ist, ermöglichen es uns, diesen Bereich der Frequenzen zwischen Ton und Vibration auszudrücken. Es ist ein Sammelsurium aus vielen kleinen Details, die zusammengenommen den Realismus des Spiels, das wir entwickeln, erst richtig zur Geltung bringen."
Weitere Verbesserungen erwarten euch im Bereich der KI, wie Yamauchi erläutert: "Die KI ist ein Bereich, in dem es immer einen unendlichen Drang nach Weiterentwicklung gibt. Aber dieses Mal haben wir wirklich daran gearbeitet, es der KI zu ermöglichen, aggressiv zu fahren, sodass sie an menschliche Rundenzeiten herankommt und in der Lage ist, mit komplexen Situationen umzugehen. In diesen Situationen reagiert sie präzise und angemessen, sodass sie mit den Nutzern konkurrieren kann, sie aber gleichzeitig nicht frustriert. Es gibt also eine Menge Fortschritte, die wir dieses Mal gemacht haben, aber natürlich ist das nicht das Ende der Fahnenstange."
Vom Wetter bis zu den Sternen in Gran Turismo 7
Abseits der Strecke nimmt das Wetter eine wichtige Rolle ein. Gran Turismo 7 simuliert etwa, wie sich Wolken bilden. Das alles basiert auf meteorologischen Daten in Bezug auf Luftdruck, Luftfeuchtigkeit und so weiter für jede Region. Gleichzeitig sieht der Nachthimmel in Japan so aus wie der in Japan - und der in Kalifornien so wie in Kalifornien. Hierfür verspricht Polyphony detailliertere Aufnahmen, es gibt sogar eine komplette Simulation von Sternen und Planeten. Das Leuchten der Sterne hängt davon ab, ob die Atmosphäre klar dunstig ist.
"Die Daten, die verwendet wurden, sind öffentlich zugängliche Daten, die von der NASA bereitgestellt wurden", erklärt er. "Es handelt sich um eine astronomische Simulation, die auf der akademischen Simulation der Position der Sonne und des Mondes sowie der verschiedenen Planeten basiert. Wie in einem typischen Rennspiel sieht man bei einem nächtlichen Rennen die Sterne der Klasse eins oder null sehr gut. Wenn man in den Fotomodus wechselt und die Verschlusszeit anpasst, sieht man die weniger hellen Sterne und kann sogar Dinge wie die Milchstraße erkennen. Das ist also eine andere Art, das zu erleben."
Die Beleuchtung ändert sich abhängig von den Wetterbedingungen, die wiederum Einfluss auf die Strecke und das Fahrverhalten haben. Bei Regen bilden sich Pfützen, während anschließend die Strecke dort Stück für Stück wieder besser befahrbar wird, wo die Autos am häufigsten entlang fahren. Damit ihr etwaige Regenschauer im Blick habt, gibt es ein Regenradar, das ihr nutzen könnt. Das bedeutet auch, dass es auf einer Strecke nicht durchgehend regnen muss, sondern etwa nur in einem bestimmten Abschnitt.
Laut Yamauchi unterstützt jede Strecke die Tageszeiten vom Morgen bis in die Nacht. Der Übergang von der Nacht zum Morgen ist aber nur auf bestimmten Strecken möglich. Und das sind überwiegend die, auf denen es 24-Stunden-Rennen gibt, also etwa Le Mans, Spa, Daytona oder der Nürburgring. Unterschiede gibt's ebenso beim Wetter. Alle Strecken unterstützen sonniges und wolkiges Wetter, die Zahl der Kurse mit vollem Regen-Support ist aber begrenzt.
"Die große Herausforderung für uns beim Wetter war diesmal, dass wir die Physik-Simulation so implementiert haben, dass sie vom Wetter beeinflusst wird", erzählt er. "Die Wetterveränderungen interagieren nun tatsächlich mit der Fahrzeugphysik. Dinge wie die Asphalttemperatur oder die Nässe der Strecke, all diese Sachen beeinflussen die Physik-Simulation der Autos. Es war also eine große Herausforderung, dieses System in GT7 einzubauen."
Und dann wäre da noch der beeindruckende Scapes-Modus, in dem ihr HDR-Fotos in mehr als 2.500 vorgefertigten Locations schießen könnt. Wählt ein Motiv aus, platziert ein Fahrzeug und schraubt an den Einstellungen der Kamera herum, um das perfekte Foto zu schießen. Das sieht allein in der Präsentation schon höchst beeindruckend aus und ermöglicht laut Yamauchi "Aufnahmen, die im echten Leben nahezu unmöglich sind". Klingt so, als könnte ich mich allein damit schon eine Weile beschäftigen.