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Gran Turismo World Series 2022: Showdown in Monaco - Das Finale der Besten 22

Am Ende sind es die Zehntelsekunden

Fast noch sommerliche Temperaturen herrschten in Monaco, als am vergangenen Wochenende passend zum 25. Jubiläum der erfolgreichen Rennsport-Serie im noblen Le Sporting Monte Carlo das Weltfinale der Gran Turismo World Series stattfand. Zum ersten Mal seit 2019 wurde das hochkarätige E-Sport-Event wieder vor Publikum ausgetragen. Die besten Fahrer aus aller Welt, die sich im Verlauf der Saison über Online-Rennen und dem World Series Showdown in Salzburg für das große Finale qualifiziert haben, lieferten sich spannende, meist wirklich dramatische, Rennen um den prestigeträchtigen Nations Cup.

Von dem strahlend blauen Himmel und der traumhaften Kulisse der monegassischen Küstenlandschaft lasse ich mich nicht weiter beirren und tauche am vergangenen Freitag gleich ins Renngeschehen ein. Immerhin habe ich mich schon Wochen vorher darauf gefreut, live dabei zu sein, wie 30 talentierte Gran Turismo-Piloten die Strecken in Traumzeiten meistern, bei denen ich auf der heimischen PS5 seit Monaten versuche, auch nur halbwegs akzeptable Rundenzeiten zu erreichen. Schon tags zuvor wurde im Finale des GR Toyota Gazoo Racing GT Cup ein Titel vergeben, den der Brasilianer Igor Fraga für sich beanspruchen konnte.

Fraga trat auch erfolgreich bei den Regional Finals an, bei denen sich jeweils Teilnehmer aus drei Weltregionen, Asien/Ozeanien, Europa/Naher Osten/Afrika sowie Nord- und Südamerika, für das Weltfinale qualifizieren konnten. Unter den Teilnehmern befand sich mit Emily Jones aus Australien nur eine Frau. Einen potenziellen Nachfolger aus Deutschland für den Nations Cup-Gewinner 2019 Mikail Hizal gab es übrigens nicht, leider konnte sich diesmal kein Pilot für die Vorauswahl qualifizieren.

Ich habe mich mit Mikail unterhalten und nach Tipps zum eleganten Einstieg in eine Gran Turismo-Karriere gefragt. Talent sei nicht mal so wichtig, kann aber natürlich auf keinen Fall schaden, erklärt er mir. Aber die Motivation steht seiner Meinung nach an erster Stelle. Er hat mit 14 Jahren eine PlayStation mit Gran Turismo geschenkt bekommen, war sofort begeistert, dass er nun Autos zumindest virtuell fahren konnte, die man auf den Straßen kaum zu Gesicht bekommt und ist dann über alle Konsolengenerationen dem Spiel treu geblieben.

Er hat einfach Spaß mit der Simulation gehabt und daraus den Ehrgeiz entwickelt, sich mit anderen Spielern zu messen, die bereits über wesentlich mehr Erfahrung verfügen. Wenn man Spaß hat und sich kleine, erreichbare Ziele setzt, etwa Rundenzeiten immer wieder zu verbessern, dann kommen mit der Zeit auch automatisch Erfolge und die Motivation bleibt erhalten. Einfach Spaß haben, das ist für ihn der treibende Motor für bessere Leistungen. Ob ihr dabei mit dem Gamepad spielt oder euch einen Racing-Seat mit teurem Lenkrad und Pedalset holt, das spielt dagegen für ihn keine Rolle. Er verweist auf Teilnehmer an den World Finals, die vor Ort erstmals mit einem Lenkrad Gran Turismo spielen und alle Qualifikationsrunden mit dem Controller gemeistert haben.

Die Entscheidung, nach seinen beachtlichen Erfolgen, er gewann 2019 den Toyota GR GT Cup und den Nations Cup sowie 2020 den Manufacturers Cup, nun nicht mehr bei Wettbewerben anzutreten, begründet Mikail nachvollziehbar: Er möchte sich auf sein Studium und seine berufliche Zukunft konzentrieren. Der Zeitaufwand, gerade vor wichtigen Turnieren, ist derart intensiv, dass beides nicht unter einen Hut zu bekommen ist. Aber abschwören will Mikail Gran Turismo nicht, dafür liebt er die Szene zu sehr, hat dank seiner Erfahrung sogar eine Anstellung bei seinem Wunscharbeitgeber Polyphony Digital bekommen und wird wohl auch in absehbarer Zukunft kein einziges Event verpassen. Wenn euch das komplette Interview mit Mikail Hizal interessiert, schaut euch unbedingt das verlinkte Video an.

Nach dem kleinen Exkurs aber zurück zum Event. Am Samstag stand der Manufacturers Cup auf dem Programm, in dem 12 Teams zu je drei Fahrern virtuell für einen Automobilhersteller an den Start gehen. Gefahren wurde auf dem Circuit de Spa Francorchamps und mit wenigen Sekunden Vorsprung zum Zweitplatzierten Team von Toyota und dem knapp dahinter übers Ziel rasende Team Mercedes-AMG gewann das Team Subaru mit den internationalen Piloten Kylian Drumont aus Frankreich, Takuma Miyazono aus Japan und dem US-Amerikaner Daniel Solis. Dem hat das Team schlussendlich den Erfolg zu einem guten Stück zu verdanken, denn Solis arbeitete sich nach dem letzten Fahrerwechsel von Position fünf stetig bis an die Spitze vor und gab den Sieg dann nicht mehr aus der Hand.

Der erste Höhepunkt am Sonntag, dem letzten Veranstaltungstag, war die feierliche Enthüllung des Ferrari Vision Gran Turismo. Damit folgte auch die italienische Supersportwagen-Schmiede dem Aufruf von Gran Turismo-Schöpfer Kazunori Yamauchi und präsentierte jetzt zum 25. Jubiläum der Serie eine eigene Vision. Mehr als zwei Jahre hat das Team um Chefdesigner Flavio Manzoni gemeinsam mit Polyphony Digital an dem auf Höchstleistung getrimmten Konzeptfahrzeug gearbeitet und ist von der Umsetzung des Boliden im Spiel laut eigener Aussage restlos begeistert.

Ihr könnt den gut 350 Km/h schnellen, extrem stromlinienförmigen Boliden ab dem 23.12. - eine Woche früher, wenn ihr die Worlds Finals Viewer Kampagne abgeschlossen habt - auch in Gran Turismo 7 fahren oder ihr plant bis März nächsten Jahres einen Trip nach Modena und schaut euch das Schmuckstück im Museum Ferrari Maranello in voller Größe an. Gesteuert wird der Ferrari Vision GT übrigens mit einem Force-Feedback-Lenkrad, dessen Konzeption von Game-Controllern und Racing-Wheels inspiriert wurde.

Viel Zeit mich an den fließenden, organischen Formen des Fahrzeugs zu erfreuen hatte ich nicht, denn jetzt war es Zeit für das große Finale des Nations Cup und für die 12 besten Fahrer aus der Qualifikation ging es nun um den Titel. Gefahren wurden 30 Runden auf dem Trial Mountain Circuit Reverse und es galt zu beachten, dass alle drei Reifentypen mit weicher, mittlerer sowie harter Gummimischung verwendet werden mussten. Das bedeutet mindestens zwei Boxenstopps für Reifenwechsel und die Frage: Mit welchen Pneus beginnt mal am besten, denn die harten Reifen mindern spürbar die Höchstgeschwindigkeit.

Von der Pole Position startete der Japaner Takuma Miyazono, der auch einen Großteil des Rennens dominierte, dahinter auf Position zwei der Spanier Coque López, gefolgt von dem aus Chile stammenden Angel Inostroza, der in der Qualifikation sein fahrerisches Können eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Bis zur 28. Runde sicherte sich Miyazono, der bereits 2020 den Nations Cup gewonnen hatte, mit hauchdünnem Vorsprung die erste Position.

In den letzten Runden gab es dann Dramatik pur, als es immer wieder zu waghalsigen Überholmanövern kam und Miyazono, López und Inostroza sich an der Spitzenposition fast im Sekundentakt abwechselten. Nach einem letzten Boxenstopp lieferte sich das Trio einen verbissenen Kampf, Miyazono kommt nach einem Fahrzeugkontakt ins Schleudern, fällt auf Position drei ab und López zieht im Tunnel haarscharf an dem führenden Inostroza vorbei und gewinnt mit wenigen Zehntel Vorsprung.

Noch jubelt der gerade einmal 23-jährige Spanier nicht, denn es gab eine Berührung mit dem Wagen von Inostroza, was von den Stewards erst einmal auf etwaige Regelwidrigkeiten geprüft werden muss. Es kommen keine Einsprüche: López ist nach einem spannenden Rennen der verdiente Sieger des Nations Cup und jubelt, während Takuma Miyazono die knappe Niederlage verdauen muss und lange mit versteinertem Gesicht in seinem Seat verharrt. Wenn ihr euch das mitreißende Finale in voller Länge anschauen möchtet, findet ihr das kompetent von Florian Strauss und Michel Wolk kommentierte Rennen auf Gran-Turismo.com. Glaubt mir, es lohnt sich. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf die kommende Saison, hoffentlich wieder mit mehr solcher hochkarätigen E-Sport-Events vor Publikum, denn die spürbare Begeisterung aller Beteiligten ist einfach ansteckend.

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