Grand Theft Auto IV: The Ballad of Gay Tony
Sex, Drugs and Base Jumping
The Ballad of Gay Tony ist für mich wie eine Zeitreise in das wilde, ungezähmte New York der Neunziger. Noch bevor Rudy Giuliani im Jahr 1999 der Stadt durch seltsame Gesetze wie den Dance Act – man braucht eine Cabaret-Lizenz zum Tanzen, ohne die kostet jeder Hüftschwung 350 Dollar – erst das Tanzen verbat, dann das Rotlichtmilieu bändigte und so aus dem rauen Schmelztiegel der Kulturen einen etwas langweiligen, aber auch sicheren Ort machte.
Ausgelöst wird dieses Deja-Vu-Gefühl zum einen durch Liberty City selbst, das nicht umsonst an das „alte“ New York angelehnt ist und noch diesen rauen, ungeschliffenen Charakter besitzt. Zum anderen durch einen der Hauptdarsteller, den Club- und Party-Mogul Mister Gay Tony Prince, der nicht von ungefähr an den realen „King of New Yorks Clubs“ Peter Gatien erinnert.
Ende der Achtziger hatte dieser die Stadt, die niemals schläft, im Sturm erobert. Mit Clubs wie dem Limelight (eine Kirche), dem Tunnel (ein U-Bahn-Tunnel) oder dem Palladium (ein Theater) hat er weltweit Zeichen gesetzt. Jeder einzelne von ihnen ein atmosphärisches Meisterwerk. Die Partys legendär, zügellos und bombastisch. Bis ihn Mitte der Neunziger sein ausschweifender Drogenkonsum, seine Steuerhinterziehung und seine kriminellen Machenschaften den Kopf kosteten. Es war eine brutale, aber auch schillernde Welt.
Und auch Gay Tony hat mit seinem florierenden Unternehmen und seinen Lastern zu kämpfen. Ständig muss sein Bodyguard, euer Alter Ego Luis Lopez, dem erfreulich „unaufgeregten“ Homosexuellen aus der Patsche helfen. Ständig ist der väterliche Chef zugedröhnt, lässt sich mit Gangstern ein oder verliert sein hart verdientes Geld. Seine drei Clubs, das angesagte Masoinette 9, die riesige Bahama Mamas Diskothek und der Schwulen-Club Hercules, laufen hervorragend. Trotzdem gelingt es ihm nicht, seine Geschäfte in den Griff zu bekommen. Luis muss ständig den Mist auslöffeln, den ihm Tony eingebrockt hat.
Doch The Ballad of Gay Tony ist mehr als eine ungewöhnlich genaue Charakterisierung des New Yorker Nachtlebens – auch wenn die Clubs nicht ganz nach meinem Geschmack sind. Es ist auch ein Zugeständnis an die alte GTA-Fangemeinde. Nach dem doch eher etwas realistischen GTA IV und dem sehr stringenten Add-On The Lost and Damned dreht Rockstar bei The Ballad of Gay Tony richtig auf. Statt kleinen Gaunereien, ein paar Raubüberfällen oder einem schlichten Autorennen erinnern die Missionen der neuesten Erweiterung an Klassiker wie Vice City oder San Andreas. Schon nach ein paar Missionen müsst ihr einen Kampfhubschrauber von einer Waffenhändler-Yacht stehlen, nur um diese anschließend samt den bösen Jungs mit einer Salve Raketen und zwei Miniguns auf den Grund des Meeres zu schicken.
Damit entfernt sich The Ballad of Gay Tony bei der Struktur wieder von dem fast monothematischen The Lost and Damned. Ihr seid nicht nur für Gay Tony, sondern auch für die russische Mafia, für den durchgeknallten Millionen-Erben Yusuf und Brucies anstrengenden Bruder Mori unterwegs. Alles ist ein wenig härter, brachialer und vor allem actiongeladener. Selbst die beinharten Ballersequenzen wurden überarbeitet. Dank neuer Physikeffekte lässt sich endlich auch die Einrichtung zerlegen. Die Auseinandersetzungen mit der Polizei, russischen Gangstern und Bikern sorgen dadurch für einen noch höheren Adrenalinpegel. Ihr zerbröselt Flugzeuge, U-Bahn-Waggons und Kräne, schnappt euch einen Panzer und legt ganze Gebäude in Schutt und Asche.
Kein Wunder, dass auch die illegalen Straßenrennen kräftig aufgemotzt wurden. Statt langweiligem Stadt-Gerase versucht ihr euch im Extrem-Triathlon. Erst müsst ihr aus einem Hubschrauber springen, dann eine Strecke per Schnellboot abfahren, um dann am Ende mit blitzschnellen Rennboliden samt Nitro-Boost die Straßen von Liberty City in eine Hochgeschwindigkeitsstrecke zu verwandeln.