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Gravity Rush Remastered - Test (PS4)

Grenzenlos.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Auch auf PS4 ein ganz besonderes Spiel mit einer Liebe für Bewegung und die Ausnutzung des dreidimensionalen Raums.

Als Gravity Rush vor dreieinhalb Jahren für die PS Vita erschien, brauchte es nur wenige Worte für die Charakterisierung seiner offenen Welt. Das Spiel und seine Entwickler empfanden ehrliche Hingabe für etwas Grundlegendes wie Bewegung. Sonys Action-Adventure ist rein um die Figurenfertigkeiten herum entworfen. Mit einem anderen Protagonisten als der unter Gedächtnisverlust leidenden Blondine Kat, die das Zentrum "ihrer" Erdanziehung beliebig verlagern kann, würde das hier einfach nicht funktionieren. Die Entwickler einigten sich auf eine so simple Mechanik, gaben ihr angemessen viel spielerisches Gewicht und ketteten beides untrennbar aneinander.

Es ist ja auch ein umwerfendes Gefühl von Freiheit, das man in der Stadt Hekseville verspürt. Wo viele Straßenzüge den trist-grauen Mucht eines Londoner Arbeiterviertels versprühen, sind die Möglichkeiten schillernd, sie aus allen denkbaren Winkeln kennenzulernen. Per Knopfdruck saust man auf Hauswände zu, läuft in Seitenlage an ihnen entlang oder erreicht mühelos die höchsten Dächer. Ihr könnt im Flug die Richtung ändern und im nächsten Moment ins Bodenlose stürzen, bis sich alles dreht. Ich hätte nicht gedacht, dass mich die PS4-Version nach dem Original so an den Haken nehmen würde. Ohnehin, wieso Gravity Rush eine prima Idee ist, das entnehmt ihr dem damaligen Test.

Wer ist das Mädel, wieso hat sie kein Gedächtnis und warum kann sie all diese tollen Dinge? Das ist die Geschichte, die Gravity Rush in seinen gezeichneten Zwischensequenzen erzählt.

Damals wie heute fällt man zu Beginn als besagtes Mädchen vom Himmel in die Stadt ohne den Schimmer, wieso man fähig ist, in alle Richtungen zu schweben, oder wieso Schattenmonster die Bewohner terrorisieren. Ein für Videospiele nicht unüblicher Ansatz, die Vergangenheit der Heldin und ihre Reise dorthin über Amnesie gesteuert nach und nach aufzuzeigen. Dann öffnet sich das Spiel, wie es Open-World-Städte nun mal tun, zeigt euch anhand weniger spielerischer Fallbeispiele, welche Kartenmarkierungen zur Story, welche zu Nebenaufgaben gehören und lässt euch anschließend einfach mal machen.

Inhaltlich hat sich nichts getan, bis auf die drei DLCs, die das Remaster gleich auf Disc mitbringt. Das ist eine Menge Inhalt für knapp 30 Euro, auch wenn der Spielverlauf teilweise seine Hänger hat. Schon bei der ersten Schleichmission erinnerte ich mich wieder daran, wieso sie damals nicht mein Liebling waren. Und wer von Nebenaufträgen erwartet, dass sie die Geschichte in spielerischer Hinsicht bereichern, kann hier ein paar Checkpoint-Rennen und ähnlich Einfallsreiches erleben und nicht viel mehr.

Nein, Gravity Rush dreht sich um Vertikalität und Umweltbeschaffenheit, die Gewissheit, dass kein Punkt unerreichbar ist, die Sorglosigkeit, sich mit ausgebreiteten Armen in die Tiefe zu stürzen, in dem Wissen, dass im Grunde nichts passieren kann. Die letzte offene Welt, die ähnlich traumwandlerische Sicherheit für ihren Aufbau einbläute, war Sunset Overdrive. Auch hier ist das reine Durchqueren der Straßen ein riesiger Spaß, weniger nötiger Ballst auf dem Weg von Marker A zu Marker B, sondern angemessen in der Spielmechanik verwurzelt.

Nach und nach setzt ihr weitere Stadtteile Heksevilles in Stand, hier etwa das Vergnügungsviertel, das man erst erreicht, wenn die Zugverbindung wieder steht.

Gravity Rush erinnert in gewisser Weise an solche bewegungsorientierten Open-World-Ansätze. Es ist ein sehr maßvolles Spiel, ohne seine Kulissen mit einer Lkw-Ladung nicht zu verpassender Missionsmarkierungen zu überschütten. Es gibt keine Händler, wenig Interaktion mit den Menschen oder funktionierende Türen, nur eine schwebende Stadt voller Bögen, Schornsteine und im Nichts endender Säulen.

Alles davon ist erreichbar und kommt dem im Einklang mit seinem zentralen Feature entworfenen Spiel entgegen. Dreht die Welt - oder zumindest den Blick auf sie -, wie sie euch gefällt. Macht sie euch Untertan, wie man es beim Erkunden oder in den Kämpfen gegen Schattenwesen braucht. Die Entwickler waren hoffnungslos verschossen in die Idee, Bewegung in Videospielen vor dem Hintergrund geläufiger Hub-Welten einen eigenen Dreh zu geben. Ich sehe keinen Grund, wieso ihr Vorhaben gescheitert sein sollte.

Die auf 50 Zoll aufgeblasene PS4-Version profitiert wie das Vita-Original vom Stil einer zwischen Studio-Ghibli-Charakterästhetik und Steampunk-Grau frei herumtobenden Gestaltung. So manche grobe Ecke hätte sich selbst auf der PS3 mehr Schwung gewünscht, Passanten verschwinden oft einfach oder tauchen unvermittelt in Sichtweite auf. Im Detail ist hier nicht übermäßig viel zu holen, aber das ist alles egal, spätestens wenn man einen Passanten in ein Gravitationsfeld einschließt und den schreienden Kerl mitnimmt auf einen Trip, der an der nächsten Wand oder einem Punkt ganz weit draußen enden kann.

Das Spiel ist auch auf PS4 sehr ansehnlich und lebt vor allem von seinem Stil.

Es gibt übrigens auch haufenweise Kristalle zum Aufrüsten der Fertigkeiten. Aber das ist alles nur stützendes Beiwerk, kein Fundament wie das geniale Aufweichen körperlicher Grenzen im dreidimensionalen Raum. Die Belohnung ist die Bewegung an sich, die Eleganz, mit der sie vonstattengeht, und der Wunsch, mehr Spiele würden so konzentriert und zielgerichtet mit ihren offenen Welten umgehen. Auch im PS4-Remaster ist Gravity Rush auf die beste Art zerstreuend und etwas ganz Besonderes.

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