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Grey Goo - Test

Die Rückkehr zum klassischen Echtzeitstrategiespiel.

Komischer Name, aber gute Nachrichten für alle, die die guten alten Echtzeit-Strategie-Spiele von früher vermissen: Das ist ein neues davon.

Als ich den Namen „Grey Goo" zum ersten Mal von einem Freund hörte, war mein erster Gedanke: „bestimmt noch so ein Tentakel-Hentai aus der Erwachsenenfilmabteilung". In Wirklichkeit ist es der nicht mehr ganz so geheime Geheimtipp unter den Fans von Echtzeitstrategiespielen (RTS). Die hohen Erwartungen an den Titel begründen sich - nicht ganz zu unrecht - in der Besatzung des Entwicklerteams, das aus vielen ehemaligen Westwood-Mitarbeitern besteht, die uns mit Command & Conquer immerhin eine der besten RTS-Serien aller Zeiten beschert haben. Mit Grey Goo will das frische Team nun einen Schritt zurück zum klassischen Echtzeitstrategiespiel wagen.

Wie für das Genre üblich hat Grey Goo sowohl Einzelspieler- als auch Mehrspieleroptionen. Das Mehrspielerangebot fällt derzeit (in der Betaphase) noch recht überschaubar aus: Gespielt wird über ein lokales Netzwerk oder mit anderen Mitgliedern des Steam-Netzwerks. Zur Auswahl stehen Spiele mit bis zu vier Teilnehmern (1 svs. 1, 2 svs. 2, Jeder gegen jeden), acht Karten, unterschiedliche Siegesbedingungen und Teams und ob Supereinheiten (Epics) erlaubt sind. Dieses Startangebot, insbesondere die wenigen Karten, werden wohl schon bald erweitert werden. Wie im Fall von C&C Alarmstufe Rot wird es für Grey Goo einen Karteneditor geben.

Wer lieber solo spielt, kann sich entweder in Einzelszenarios mit der KI messen oder die gelungene Kampagne durchspielen, die die Geschichte der drei Fraktionen Menschen, Beta und Goo erzählt. In den 15 Missionen der Kampagne übernimmt man jede der drei Rassen einmal und erfährt mehr über ihre Hintergründe und ihre jeweiligen Ziele auf dem unerforschten Planeten Ecosystem Nine. Die ersten Missionen dienen immer als Tutorial, in denen die wichtigsten Grundlagen erklärt werden. Wem diese Infos zu spartanisch ausfallen, der findet im Glossar sämtliche Infos zu allen Einheiten, Gebäuden und sogar zu RTS-Spielen selbst.

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Je nach gewählter Schwierigkeitsstufe und RTS-Erfahrung reicht der Stoff der Kampagne für etwa zehn bis 20 Stunden. Dabei sollte man die KI nicht unterschätzen - sie agiert zwar nicht intelligenter, als man es von von anderen Spielen gewohnt ist, das gleicht sie jedoch mit brutaler Stärke wieder aus. Als Spieler mit Strategieerfahrung beging ich direkt zu Kampagnenbeginn den Frevel, den Schwierigkeitsgrad von der Standardeinstellung „Einfach" auf „Normal" zu erhöhen, und sah mich deshalb des Öfteren dazu gezwungen, Missionen neu starten, da ein Bonusziel nicht erfüllt oder meine Basis von der KI einfach überrannt wurde. Natürlich hätte ich jederzeit den Schwierigkeitsgrad verringern können, doch mein Stolz legte dagegen stets ein Veto ein.


Back to the Roots - Das klassische Echtzeitstrategiespiel

Das Team von Greybox gab von Anfang an zu verstehen, dass es sich vor allem auf die „klassischen Elemente" des Genres zurückbesinnen will. Was es darunter versteht, wird bereits beim ersten Match klar: weniger Fokus auf das Mikromanagement der Einheiten oder Gebäude/Entwicklung, stattdessen eine gut überlegte und ausgeführte Strategie. Es gibt keine einzige Einheit und kein Gebäude mit einer besonderen Fähigkeit, die vom Spieler manuell aktiviert werden müsste. Dafür sind die Vor- und Nachteile der verschiedenen Einheiten und die dafür notwendigen Voraussetzungen zum Bau stärker ausgeprägt.

Das bedeutet aber nicht, dass das „Micro" komplett unter den Tisch fiele. Es ist immer noch wichtig, angeschlagene Einheiten zurückzuziehen und Ersatz an die Front zu schicken. Zudem lohnt sich das genaue Wissen darüber, welche Einheiten man mit den entsprechenden Pendants kontert. Von wirklich maßgeblicher Bedeutung ist die Aufdeckung des Kriegsnebels und die Nutzung der Terrainunterschiede, denn Einheiten können nur auf das schießen, was sie sehen und sich in ihrer direkten Sichtlinie befindet, einzig Artillerie macht bei der Sichtlinie eine Ausnahme.

Wälder sind eine hervorragende Möglichkeit, um sich ungesehen an den Feind heranzuschleichen.

Neben getarnten Einheiten zur Aufklärung spielen Buschwerk, Berge, Klippen und Rampen eine entscheidende Rolle und bestimmen oft über Sieg oder Niederlage. Versteckt man beispielsweise ein paar Einheiten in einem Wald, können diese auf vorbeiziehende Gegner feuern, ohne dass sie gesehen werden oder gar Gegenfeuer befürchten müssten. Erst wenn der Gegner ebenfalls eine Einheit in den Wald schickt, wird dieser für ihn einsehbar. Mit solchen Terrainvorteilen kann man auch mit schwachen Einheiten starke Trupps ausschalten.


Drei Rassen, drei Spielphilosophien

Um dem Spiel trotz des reduzierten Mikromanagements den nötigen Tiefgang zu verschaffen, sehen die drei Fraktionen nicht nur komplett unterschiedlich aus, sie spielen sich auch so. Zwar lassen sich die Einheiten und Gebäude aller drei Rassen zum Teil in Oberbegriffe wie Hauptgebäude, Ressourcengewinnung, Produktionsstätten, leichte und schwere Einheiten, Flugzeuge und so weiter einordnen, doch in ihrer Spielweise unterscheiden sie sich gewaltig.

Natürlich hat jede Rasse auch eine Supereinheit, Epic genannt, die allesamt schweineteuer sind und eine feindliche Basis im Alleingang aufräumen können.

Beispielsweise sind die Menschengebäude stets von Stromleitungen abhängig. Jedes Gebäude muss an einer Leitung mit Verbindung zum Hauptquartier hängen, die man zum Erreichen eines weit entfernten Punktes zur Not schon mal quer über die Karte legt. Vorteil: Die Leitungen sind billig, schnell platziert und jedes Gebäude kann innerhalb von fünf Sekunden zu einem anderen Leitungspunkt teleportiert werden (mit Ausnahme des Hauptquartiers).

So kann man dem Gegner schnell ein paar starke Geschütztürme vor seine Expansion stellen, sofern das Gelände die Verlegung der Leitungen zulässt - was nicht immer der Fall ist. Zugleich sind die Energieleitungen aber auch der Schwachpunkt der Menschen, denn sie sind leicht zu zerstören, und sobald das geschieht, fallen alle daran hängenden Gebäude aus. Beim Bau denkt man daher besser über die Leitungsverteidigung nach und überlegt sich eine Zweitstrecke, die die Versorgung der Gebäude bei Ausfall der ersten Leitung übernimmt.

Ohne Saft keine Kraft - so könnte das Motto der Menschen lauten. Solang man seine Flanken aber immer gut absichert und Ersatzleitungen legt, ist die Basis nur schwer zu knacken.

Den Betas fällt das Errichten von Gebäuden und Expansionen am einfachsten: Schwups einen Verteiler irgendwo in der Landschaft platziert und ein paar Gebäude daran hochgezogen, schon geht es los. Der Verteiler ist aber ebenfalls der Schwachpunkt der Betakonstruktionen - wird er zerstört, funktionieren die daran errichteten Gebäude nicht mehr. Hört sich an, wie die Energieleitungen der Menschen, allerdings halten die Verteiler deutlich mehr Schaden aus.

Darüber hinaus errichten die Betas keine Verteidigungsanlagen an Verteilern wie es die Menschen bei ihren Leitungen tun, sondern schützen ihre Basis mit einem Mauerwall, der mit verschiedenen Einheiten besetzt werden kann. Die Mauer ist sozusagen der beste Freund der Betas - sie hält nicht nur massivem Schaden stand und ist relativ günstig, sodass mehrere Mauerwälle hintereinander errichten werden können, auch die Einheiten, die die Mauern besetzen, können schnell umverlegt werden, wenn man sie an einer anderen Stelle benötigt.

An einer voll besetzten Mauer der Betas mit ein paar Artilleriegeschützen als Verstärkung können sich Gegner reihenweise totlaufen.

Die Goo spielen sich noch extremer und lassen sich kaum mit den Menschen und Betas vergleichen. Der wichtigste Punkt: Es gibt keinerlei Gebäude. Stattdessen wird alles aus einem großen Schleimbatzen, dem Mutter-Goo, per Zellteilung herausgemorpht. Dazu muss das Mutter-Goo zunächst über einem Rohstoffvorkommen (Catalyst) platziert werden, damit es wächst. Erreicht das Mutter-Goo eine gewisse Größe, kann es in kleine und große Amöben oder ein weiteres von maximal zwölf Mutter-Goos geteilt werden.

Amöben sind zunächst ebenfalls nur Schleimhaufen, aus denen nochmals zwei bis vier Angriffseinheiten mit spezifischen Stärken und Schwächen gemorpht werden können. Egal, ob Schleimbatzen oder gemorphte Einheit, beim Goo kann alles angreifen. Dafür hält es nicht so viel Schaden aus wie die Einheiten und Gebäude der beiden anderen Fraktionen. Als Ausgleich dazu können sich Goo-Einheiten von selbst regenerieren. Ihr größter Pluspunkt ist die Mobilität, denn alle Einheiten (auch Mutter-Goos) können sich frei auf der Karte bewegen. Katz-und-Maus-Spiele sind damit vorprogrammiert und gehören zur Überlebensstrategie von Goo-Spielern.

Auch wenn die meisten Einheiten der Goo wie Taschenlampen mit vier oder sechs Beinen aussehen, bei einem Angriff macht alles mobil und wird zur Waffe.


Hotkeys mal anders

Wer es schon mal irgendwann mit einem Echtzeitstrategiespiel zu tun hatte, findet sich mit der Steuerung von Grey Goo sofort zurecht. Wandert die Maus an den Bildschirmrand, scrollt die Karte. Mit der linken Maustaste lassen sich Einheiten, Gebäude und Gegner anwählen und mit der rechten erteilt man die Befehle zum Bewegen, Erkunden und Angreifen. Auch die Tastaturbefehle für die Einheiten funktionieren wie gewohnt: „A", um Einheiten zum markierten Bereich vorrücken zu lassen, „S", um alle Aktionen der ausgewählten Einheiten zu stoppen, oder STRG + Ziffer, um Einheiten in Gruppen einzuteilen.

Bei den Hotkeys für die Bauoptionen geht Grey Goo allerdings einen anderen Weg und nutzt dafür die QWERTZ-Tastenbelegung. Das bedeutet: Statt wie üblich für jedes Gebäude und jede Einheit einen eigenen Hotkey zu vergeben, wurde die gesamte Baupalette von Grey Goo in mehrere Gruppen und Untergruppen mit maximal fünf Einheiten oder Gebäuden eingeteilt, die sich alle mit den Tasten Q, W, E, R, T und Z steuern lassen. Um beispielsweise bei den Menschen eine Einheitenfabrik zu errichten, drückt man der Reihe nach die Tasten Q, W und Q. Das erste „Q" wählt die „Anlagengruppe" (Gebäude) aus, „W" ruft die Untergruppe „Einheitenproduktionsstätten" auf und das letzte „Q" bestimmt die „Fabrik" als gewünschtes Gebäude.

Mit diesem Hotkey-System muss man zwar immer noch die zig verschiedenen Kombinationen statt der Hundert einzelnen Hotkeys auswendig lernen, dafür spart man sich aber die Zeit, um mit den Fingern auf Tastensuche zu gehen. Der Nachteil: Vertippt man sich bei einer Kombination, muss man mit der ESC-Taste wieder einen Schritt zurück und verliert dadurch Zeit. Ob sich dieses System bei Profispielern durchsetzt, bei denen es auf jede Millisekunde ankommt, wird sich zeigen. Für normale RTS-Fans wie mich fällt diese Steuerungsart jedenfalls überraschend angenehm aus.

So sehen die drei Schritte im Baumenü der Menschen bei Errichtung einer Fabrik aus (Q, W, Q).

Wer gerne Echtzeitstrategiespiele spielt, jedoch mit dem langsam überhandnehmenden Mikromanagement anderer Titel nichts anfangen kann, findet in Grey Goo die passende Problemlösung. Für den nötigen Tiefgang sorgen die verschiedenen Spielweisen der Fraktionen und die stärkere Fokussierung auf Taktik und Terrainvorteile. Optisch und akustisch steht der Titel seiner Konkurrenz in nichts nach und ohne einen Absturz oder Bug während der letzten vier Tage macht der Titel auch aus technischer Sicht einen bemerkenswert „fertigen" Eindruck. Das sollte für ein Verkaufsprodukt eigentlich selbstverständlich sein, leider ist das heutzutage aber eher eine Ausnahme.

Der Arbeitsaufwand und die Liebe zum Detail sind bereits dem Startbildschirm anzumerken. Alle Buttons und Menüs wurden aufwendig animiert und sämtliche Texte - egal ob Tipps, Aufgabenbeschreibungen, Hilfetexte oder Menüs - sind in Deutsch gehalten. Auch die ansehnlichen Videosequenzen, die vor und nach jeder Mission warten, wurden deutsch vertont und nicht nur mit deutschen Untertiteln versehen. Sieht man von den bislang wenigen Karten einmal ab, gibt es keinen triftigen Grund, wieso man Grey Goo nicht ausprobieren sollte - außer man hat es nicht so mit Strategiespielen. Und auch wenn das Entwicklerteam nicht unbedingt auf den Vergleich mit Command & Conquer erpicht ist, müssen sie ihn nicht scheuen - Grey Goo kann die großen Fußstapfen leicht ausfüllen.

8 / 10

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Markus Hensel Avatar
Markus Hensel: ist seit 2011 bei Eurogamer.de und schreibt Tipps, Guides, Artikel, Reviews und News. Spielt gerne Blizzard-Titel, MMOs, RTS, RPGs, Shooter und Co-ops.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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Grey Goo

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