Gris: Spiele brauchen keine Herausforderungen, um bedeutsam zu sein
Sie passen nicht in jedes Spiel, sagt Nomad Studios Roger Mendoza.
Gris ist ein wunderschönes Spiel. Ein eindrucksvolles audiovisuelles Erlebnis. Ein Spiel ohne Gefahren. Ohne Tod. Und ohne Frustration. Das Gegenteil eines Dark Souls sozusagen. Gleichermaßen braucht es nicht immer Action, Gewalt und Explosionen, um für ein unterhaltsames Spielerlebnis zu sorgen. Gris gelingt das auf die ruhige, auf die entspannende Art. Zurücklehnen, relaxen, ein paar Rätsel lösen und genießen.
Gris erzählt die Geschichte eines hoffnungsvollen jungen Mädchens, das sich nach einer persönlichen Tragödie in einer fremden Welt verloren hat. Die Idee hinter dem Spiel stammt von Conrad Roest, einem Künstler und Illustrator aus Barcelona. "Adrián [Cuevas] und ich trafen Conrad über einen gemeinsamen Bekannten", erzählt Roger Mendoza, Mitgründer von Nomad Studio und Produzent von Gris, im Gespräch mit Eurogamer.de. Genauer gesagt lernten sie ihn auf einer Geburtstagsparty kennen. "Er hatte die Idee einer farblosen Welt, die ihre Farben zurückerhält, je weiter der Spieler vorankommt. Wir liebten diese Idee und nicht lange danach arbeiteten wir an einem Prototyp!"
Dabei verfolgten die Entwickler den anfangs erwähnten Ansatz, dass es hier keine Gefahren, keinen Tod und keinen Frust gibt. Wie wichtig ihnen das war? "Extrem wichtig!", betont er. "Wir entschieden uns aus zwei Gründen dafür. Zum einen behielten wir so zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle über das Spieltempo. Und zum anderen - was noch wichtiger ist - passte es zu der Art von Geschichte, die wir erzählten."
Mangelt es da nicht an Herausforderungen, wenn dem Spieler keine Gefahr des Scheiterns droht? "Es ist vielleicht nicht schwierig für die Spieler, voranzukommen, aber nicht jedes Spiel muss übermäßig herausfordernd sein, um interessant oder bedeutsam zu sein", findet er.
Persönliche Erfahrungen spielten bei der Gestaltung der Geschichte keine Rolle. "Uns inspirierte weniger ein einzelnes persönliches Erlebnis, es geht mehr um ein allgemeines Gefühl von Empathie", sagt Mendoza. "Früher oder später konfrontiert das Leben uns alle mit Trauer und großen persönlichen Verlusten. Es liegt an den Spielern, Gris so zu interpretieren, wie sie es für richtig halten. Wir möchten keinem von ihnen das Erlebnis ruinieren!"
Interesse zeigt das Team dabei an den verschiedenen Auffassungen der Spieler. "Wir versuchen, jede neue Interpretation der Geschichte von Gris zu lesen", erläutert er. "Es ist fantastisch, wie stark sich die Deutungen der Leute unterscheiden." Dass Gris dabei eine Frau als Protagonistin hat, war kein Zufall. "Von Beginn an hatten wir eine klare Vorstellung für das Design unserer Protagonistin", verrät er. "Für vieles davon war Conrads vorherige Arbeit als Illustrator ausschlaggebend. Er arbeitete immer mit Weiblichkeit, der weiblichen Figur ..."
Ebenso wenig habe es am Design des Spiels große Änderungen zwischen der ersten Idee und der finalen Version gegeben. Natürlich abgesehen von den einzelnen Anpassungen, die hier und da einfach nötig seien. "Wir hatten das Glück, vom Start weg ein solides Kernkonzept zu haben", sagt Mendoza. Während der Entwicklung habe das Team vor allem im technischen Bereich einiges gelernt. Für alle Beteiligten bezeichnet er die Produktion von Gris als ein "bereicherndes Erlebnis".
"Unser Ziel war, ein Spiel zu erschaffen, das sich wie eins echtes, organisches Bild anfühlt", sagt er zum Grafikstil von Gris. Das Team habe von Beginn an klare Vorstellungen von der Umsetzung gehabt. "Bei den feineren Details gab es aber viele Änderungen und Umgestaltungen." Und dafür zu sorgen, dass es den Charme eines echten Bildes versprüht, war eine der größten Herausforderungen während der Produktion des Spiels. "Wir hatten Probleme mit der Performance und sich wiederholenden Assets", verrät er. "Im Endeffekt ist es uns gelungen, eine gute Balance zwischen Grafik und Performance zu finden."
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Für den Soundtrack arbeitete Nomad Studio mit der Gruppe Berlinist aus Barcelona zusammen. Roest kannte sie von früher und arbeitete in der Vergangenheit mit ihnen zusammen. "Ihm gefiel ihre Musik, daher war uns klar, dass sie perfekt zu uns passen", erzählt Mendoza. "Ich denke, sie hatten an der Arbeit mit uns so viel Spaß wie wir mit ihnen! Insgesamt war es ein ausgeglichener Prozess. Seit dem ersten Tag, an dem wir einen Prototyp hatten, waren sie an dem Projekt beteiligt."
Auf die Entwicklung des Spiels blickt er mit schönen Erinnerungen zurück. Eine Zeit, in der er das Projekt und die Leute, die daran beteiligt waren, zu schätzen lernte. "Und natürlich gab es einiges an Stress", verrät er. "Davon befreiten wir uns, indem wir Mario Kart spielten und uns gegenseitig anschrien - auf eine freundliche Art und Weise." Als emotionalsten Moment der Produktion bezeichnet er den Moment, in dem er erstmals den Song hörte, der zum Ende des Spiels läuft. "Am nervenaufreibendsten war der lange und intensive Prozess der Optimierung."
Rückblickend stellt er fest, dass bei den Boss-Sequenzen nicht alles so lief wie geplant. "Aus Zeitgründen waren wir gezwungen, dort einige Sachen zu vereinfachen", reminisziert er. "Wir lieben zwar, was am Ende dabei herauskam. Aber einige der Dinge, die für uns interessant waren, fielen der Schere zum Opfer." Unzufrieden ist das Team keineswegs. Ganz im Gegenteil: "Wir könnten nicht glücklicher sein", kommentiert Mendoza die Reaktionen auf das Spiel. "Wir sind mehr als ein wenig überwältigt von der großartigen Resonanz, die Gris bekommt."
Für den Moment bleibt es bei den Plattformen, auf denen das Spiel erhältlich ist. Mehr ist aktuell nicht vorgesehen. "Derzeit gibt es keine Pläne für eine Expansion auf andere Plattformen, aber unter Umständen ziehen wir das zukünftig in Betracht", sagt er. Versprechen könne er nichts. Indes gönnt sich das Team eine verdiente Ruhepause, bevor es mit "neuen Ideen und Projekten" zurückkehrt.
Und nach dem tollen Gris ist es spannend, zu sehen, in welche Richtung das nächste Werk gehen wird und ob es ähnlich einzigartig im Hinblick auf die audiovisuellen Aspekte ausfällt.