GTA V - Test (PS4 und Xbox One)
Einmal alles in besser, bitte. Und knausert mit nichts.
Ein guter Kritiker findet immer was zum Kritisieren, heißt es, aber GTA V macht es einem nicht zu einfach. Das Spiel war selbst auf der in die Jahre gekommenen Hardware der Xbox 360 und PS3 schon brillant. Wer im Detail nachlesen möchte, warum, kann das gerne im GTA-V-Test von vor etwa einem Jahr tun.
Jetzt, auf PS4 und Xbox One, sieht das Ganze auch noch einmal anders aus. Besser vor allem. Viel, viel besser. Fantastisch geradezu. Da ich nicht schon wieder in Ekstase verfallen möchte, wie fantastisch gut GTA V jetzt aussieht, verweise ich einfach mal auf meine Anfangsbegeisterung. Es mag sein, dass bei ein paar Dingen ein Watch Dogs, inFamous oder ein Unity aus der Nähe besser ist. Ein paar Objektmodelle sind aufwändiger gestaltet, ein paar Texturen wirken lebendiger. Aber einen Moment kann euch keines dieser Spiele bieten, und in diesem zeigt sich einfach, mit welchen Dimensionen hier gearbeitet wird: Steigt in ein Flugzeug oder einen Hubschrauber und dreht eine Runde. Diese Fernsicht mit dem Grad an Details, der den genannten Konkurrenten ja oft auf kurze Distanz schon nah genug kommt, lässt alles andere alt aussehen. Kein anderes Spiel vermittelt dieses Gefühl von Fläche, von Entfernungen und Platz, um all den Blödsinn zu machen, den man in einer noch einmal deutlich dichter bevölkerten Sandbox findet.
Okay, ich hör ja schon auf. Es sieht halt umwerfend aus. Neue Texturen, neue Details, frischere Farben, mehr Flora hier, mehr Fauna dort. Los Santos atmet auf, hat sich geschüttelt und vom Staub alter Hardware schon zu einem guten Teil befreit. Der Rest folgt dann in 4K auf dem PC. Die Frage ist natürlich, was jetzt spielerisch und vielleicht sogar inhaltlich neu ist und ob das reicht, diese Welt noch einmal zu erleben, solltet ihr euch dieses Vergnügen bereits im Laufe des letzten Jahres gegönnt haben. Eine eigentlich dumme Frage, denn angesichts des visuellen Sprungs würde ich jetzt schon: "Ja, auf alle Fälle!" sagen.
Aber da ist wirklich noch sehr viel mehr. An erster Stelle dürfte viele Leute die Ego-Sicht ansprechen. Kürzlich erst sagte mir jemand, dass es ihn an GTA V massiv nervt, wie die Figur in der üblichen Sicht vor ihm herumeiert, dass sie wie ein betrunkener Affe die Straße heruntertorkelt. Nun, so weit würde ich sicher nicht gehen, aber die Laufanimationen der eigenen Figur gehören sicher zu den Dingen, an denen man noch ein wenig schrauben kann. Oder man entledigt sich ihrer auf Knopfdruck einfach. Einmal auf die Touchfläche des PS4-Pads gedrückt und ihr wechselt nach Belieben hin und her. Funktioniert tadellos. Vor allem, weil ich im Optionsmenü einstellen konnte, dass ich bei Ragdolls keine Ego-Sicht möchte - ich bin sicher nicht anfällig für 3D-Koller, aber das war mir zu heftig - und auch beim In-Deckung-Gehen die Third-Person-Sicht bevorzuge. Es ist einfach weniger übersichtlich, nur die Säule zu sehen, oder was auch immer man als Schutz hat.
Davon abgesehen macht GTA aus der Shooter-Sicht der Dinge eine blendende Figur. Die Zielhilfe lässt sich nun vollständig abschalten, was natürlich zur Ego-Sicht passt. Das Ballern wirkt natürlicher, die Stadt beeindruckender - vor allem Downtown - und die Laufanimation ist auch kein Thema mehr. Apropos Animationen: Die Ego-Sicht ist nicht einfach nur eine abgesenkte Perspektive, die eigene Figur hat jede Menge Animationen speziell für diese Ansicht bekommen. Schaut nach unten und ihr seht eure Füße, die Arme und Hände handhaben die Waffen, wie ein Ego-Shooter es tun würde, das Handy in der Hand ist nun ein 3D-Objekt. Rockstar gab sich erfolgreich alle Mühe, diese Sicht so zu gestalten, als wäre das Spiel seit jeher auf sie ausgerichtet gewesen.
Gleiches gilt für die Fahrzeuge. Der neue Sichtwinkel hat Charme. Persönlich bevorzuge ich bei Autos immer noch die alte Sicht, aber Motorräder fahre ich nur noch aus der Fahrersicht. Es fühlt sich so viel schneller an, man kann immer noch gut reagieren - auch dank noch einmal leicht verfeinerter Fahrzeugkontrollen - und auch wenn es öfters mal schmerzhaft endet: Es ist die aufregendste Art, durch die Stadt zu kommen. Das Fahren ist auch sicherer geworden, denn ihr könnt euch nun am Steuer ducken, um Kugeln zu entgehen. Besonders aus der Cockpit-Sicht hat das einen sehr realistischen Charme: Hm, Kugel einstecken und sehen, wo es hingeht, oder lieber unten bleiben und das Beste hoffen...? Akustisch wird das mit einer großzügigen Erweiterung des Radioprogramms untermalt. 150 neue Songs aller Stilrichtungen und Bekanntheitsgrade, neue Sender und frisches Material für die alten. Es ist so viel dabei, dass ich sogar die alten Sachen zwischendurch wieder gerne hörte. Der Mix passt einfach.
Überhaupt gibt es durch die bisherigen Updates, die nun alle vom Start weg dabei sind, noch einmal einen ganzen Schwung an Dingen, die das ursprüngliche Spiel beim Start nicht zu bieten hatte. Fast 30 Fahrzeuge zu Lande, Wasser und in der Luft kamen dazu, ein Dutzend Waffentypen mehr sind im Umlauf und getunte Fahrzeuge dank des endlich halbwegs vernünftigen Garagenmanagements sinnvoll verfügbar.
Und um es nicht ausarten zu lassen: Was fiel mir denn kurz aufgelistet noch so mal mehr, mal weniger Relevantes auf? Habe ich schon erwähnt, wie fantastisch es aussieht? Ja? Egal, kann man nicht oft genug sagen. Das Wetter wirkt realistischer, die Lichteffekte sind ein Traum, das Wasser wirkt wie solches auch unter Wasser, Wind lässt Sachen flattern, nur die (komplett optionale und abschaltbare) Tiefenunschärfe wirkt arg forciert und unnötig, beim Zielen manchmal sogar störend. Wenn ich schon dabei bin, kommen wir auf das zu Kritisierende zurück, das ich ja noch finden muss: Ausgerechnet in den Zwischensequenzen sieht das Spiel, das in jeder anderen Minute durch und durch wie eine Next-Gen-Eigenentwicklung wirkt, nach dem Last-Gen-Titel aus, der es ursprünglich war. An den Charakteren wurde ein wenig gefeilt, ihre Texturen sind überarbeitet und mit ein paar Emotionseffekten mehr wirken ihre Gesichter etwas lebendiger. Aber im Vergleich zu anderen High-End-Modellierungen sind sie immer noch schlicht. Teilweise ist das sicher dem Stil von GTA zuzuschreiben, aber sie stechen halt doch heraus, nun, da alles andere um sie herum so blendend inszeniert wurde. Nun, was soll es, das macht ihre Geschichten nicht schlechter und dafür haben die Tiere ein realistisch gerendertes Fell. Es ist für die geistige Gesundheit eh besser, mit dem Hund Gassi zu gehen, als Trevor zu lange anzugucken.
Was GTA Online angeht, konnte diese Version natürlich noch nicht getestet werden, auch nicht, ob der Transfer der Spielstände sofort und ohne Probleme abläuft. Versprochen wurde es aber und, das in jeder Konstellation, also egal, von welcher Plattform ihr kommt, und egal, zu welcher ihr jetzt wechselt. Was noch angekündigt ist, sind die Erhöhung der Spielerzahl auf 30 plus zwei Zuschauer, ein neuer und deutlich besserer Charaktereditor und Optionen in der Lobby, um eure Lieblingsoptionen für die neuen Möglichkeiten der Kameraperspektive in Ruhe zu konfigurieren. Dazu sind alle Updates und Inhalte seit dem Start von GTA Online enthalten. Einen etwas ausführlicheren Bericht über die neuen Freuden von GTA Online auf PS4 und One erhaltet ihr dann im Laufe der Woche.
Lohnt es sich jetzt, GTA V noch mal zu kaufen? Ist es eine neue Welt, die sich da zeigt, ein neues Spielerlebnis? Nun, allein vom Schauwert her würde ich schon zu einem ganz klaren "Auf jedsten!" neigen. Sollte es noch nicht deutlich genug gewesen sein: GTA V auf PS4 und Xbox One sieht fantastisch aus und setzt nicht nur für HD-Remakes eine neue Marke, sondern fordert auch andere Spiele dieser frischen Hardware-Generation heraus. Diese Dimensionen, diese Kombination aus unglaublicher Fernsicht und Details aus der Nähe liefert bisher kein anderes Spiel, schon gar nicht mit den hier sehr stabilen 30 Frames in 1080p (PS4 getestet, sollte die One-Version anders laufen, wird Digital Foundry uns das in Kürze verraten). Dann ist da die tadellos und mit ebenso viel Liebe und Aufwand umgesetzt Ego-Sicht, für GTA eine große Neuerung. Sie allein lässt euch das Spiel schon deutlich anders erleben und manche Szene so wirken, als würde man sie zum ersten Mal spielen. Dazu kommen Dutzende, wenn nicht Hunderte kleinerer Optimierungen, Ergänzungen und Extras, die das eh schon recht einmalige Spielerlebnis von GTA V verfeinern. Das perfekte Spiel also? Ach, was ist das schon. Aber zumindest eines, das einen ins Grübeln bringt, ob es das nicht doch geben könnte...