Guardians of the Galaxy - Das Game ist so altmodisch und sympathisch wie ein Mixtape!
Eigenständig, humorvoll und auf die beste Art ein wenig rückständig.
Wie wäre es mal wieder mit einem ganz klassischen Action-Adventure? Kein großartiges Level-Grinding, keine Loot-Drops, keine wöchentlichen Events, DLCs. Einfach nur ein Spiel, das ihr bei A startet, nach zehn, 15 oder 20 Stunden bei Z ankommt und dann durchgespielt habt. Also im Grunde alles, was Marvel's Avengers nicht macht. Wenn das für euch nach einer guten Idee klingt, dann freut euch doch schon mal auf den 26.10.2021, denn dann soll Guardians of the Galaxy für PlayStation, Xbox und PC erscheinen.
Ich war ein wenig erstaunt über Guardians of the Galaxy. Mehr noch als die Avengers hätten sich wöchentliche Events im Koop auf verschiedenen Planeten angeboten, aber Eidos Montreal wählte einen anderen Weg. Das Studio, bekannt für den eigentlich gelungenen, aber irgendwie nicht so erfolgreichen Deus-Ex-Reboot, den ganz netten, aber auch nicht mehr Thief-Reboot und den schlechtesten, aber immer noch ziemlich guten dritten Teil des Tomb-Raider-Reboots, macht ein klassisches Single-Player-Action-Adventure. Damit bleibt nur noch eine Frage: Reihen sie sich in die damals gefühlt endlose Saga gescheiterter Marvel-Existenzen wie Segas Iron Man und Thor ein, oder werfen sie einen Blick ins andere Comic-Regal, auf das, was Batman in seinen Games so zuletzt getrieben hat?
Nun, ausgehend von dem, was in Pandemie-Zeiten gezwungenermaßen als Vorschau-Event durchgeht - sprich, ich habe leider nicht selbst spielen können, sondern zugeguckt, weil Remote-Play-Anbieter Parsec Preisvorstellungen hat, die suggerieren, dass sie wirklich für interstellare Reisen sparen - ist letzteres der Fall. Man dachte sich eine nette Geschichte im nicht so kleinen Guardians-Universum aus, gab den Figuren ein wenig einen eigenen Twist, der weder Film- noch Comic-Fans verschreckt und voila, schon ist man auf dem inhaltlich besten Wege. Glaube ich wenigstens, denn von der eigentlichen großen Handlung war nicht so viel zu erfahren. Aber ausgehend von den Filmen, die unglaublich viel Spaß machten, obwohl der Haupt-Plot auf einen Bierdeckel passte und noch viel Platz für Bestellungen ließ, ist das relativ egal.
Die Guardians sind die Guardians - keine kleine Leistung!
Viel wichtiger ist die Interaktion der fünf Guardians untereinander und hier passt es. Sicher, die Charaktereigenschaften sind schon im Comic ideal gewählt, um die Truppe von herzensguten Psychopathen eine lustige Zeile nach der anderen abliefern zu lassen. Das zu replizieren, sollte für einen guten Schreiber nicht so schwer sein. Und doch scheitert praktisch jede Franchise-Umsetzung in Game-Form am Humor. Guardians nicht. Nun, ausgehend von der knappen halben Stunde, die ich gesehen habe.
All das Hin- und Her der Charaktere, Rockets leicht soziopathische Neigungen, Drax übertriebene Ansprachen, Starlords Enthusiasmus und Weltraumpiraten-Grandeur wie auch Gamoras No-Nonsense-Einstellungen geben einen guten Mix für gute und genuin lustige Zeilen. Dabei hilft natürlich das gelegentliche "I am Groot!" an der richtigen Stelle. Und sie finden diese richtige Stelle, das überrascht mich am meisten! Es fühlte sich nicht gestelzt an und wenn es eine Guardians-Disney+-Serie gäbe, wären diese Zeilen mit diesem Timing völlig in Ordnung. Was sage, ich, mit diesen Zeilen wäre der zweite Film besser gewesen als er war.
Was ihr spielt, ist relativ simpel. Auf einem erst mal linearen Weg stolpert das chaotische Quintet durch ein paar Abenteuer auf verschiedenen Planeten von einem Boss zum nächsten. Einige dieser werden Comic-Freunden bekannt vorkommen, andere sind Eigenkreationen und auf dem Weg gibt es Hindernisse und Kämpfe. Ein Action-Adventure halt. Diese Hindernisse sind scheinbar Dinge wie Kletterpassagen, Minimal-Puzzles und es sollen auch ein paar aufregende Sequenzen mit dem Raumschiff Milano kommen. Third-Person-Ansicht-Weltraum-Baller, wenn ich raten müsste. Was ich muss, weil ich nichts davon gesehen hab und die Entwickler nicht mit Details rausrücken wollen. Auf diesen Wegen habt ihr keine Basis als Hub für freie Erkundungen, aber es gibt kleine Entscheidungen und angeblich auch ein paar Konsequenzen. Da Marvel-typisch aber alle Charaktere außer den Haupthelden irrelevante Pappaufsteller sind und sie hier wohl keinen Endgame machen und einen der Protagonisten erledigen dürfen, weiß ich nicht, wie weit das mit den Konsequenzen gehen kann.
Entscheidungen ja, Konsequenzen... mal gucken.
Aber zurück zu den Entscheidungen. In der gezeigten ersten Mission ist mal wieder die Kasse knapp, also fassen die Guardians den offensichtlichen Plan, entweder Groot oder Rocket als Monster an eine leicht verrückte Dame zu verkaufen, die Monster sammelt, nur um ihn danach wieder aus dem Gefängnis zu befreien. Ihr spielt dabei durchgehend Starlord und als mehr oder weniger akzeptierter Anführer der Guardians, liegt es an euch, wer später an der Festung in die Kiste für den Verkauf soll. Auf dem Weg dorthin kommt ihr an eine Schlucht mit einer zurückgezogenen Brücke. Ihr wählt, ob Drax Rocket einfach auf die andere Seite schmeißen soll, oder ob das keine so gute Idee ist und ob man nicht besser nach einem anderen Weg sucht.
Das alles wird nicht elf verschiedene Enden hinauslaufen, davon gibt es wohl nur eines, aber ihr nehmt andere Wege durch den Level. Es macht halt einen Unterschied, ob ihr später die Befreiung mit Groots ganz eigenen Fähigkeiten angeht oder Rockets Feuerkraft an eurer Seite habt. Insoweit gibt es auch offensichtlich ein wenig Wiederspielwert trotz des augenscheinlich fast schon reaktionär konservativen Spielaufbaus. Was die Fertigkeiten angeht, sammelt ihr in den Kämpfen Erfahrungspunkte, aber nicht zum Aufleveln, sondern um neue Fertigkeiten und Verbesserungen der bestehenden freizuschalten, ähnlich einem alten God of War.
Starlord: Solo mit Unterstützung.
Mit diesen Fertigkeiten geht es dann in Kämpfe, bei denen es sehr spannend sein wird, wie die KI eure Begleiter handhabt. Ihr spielt schließlich immer nur Starlord, bestimmt aber mit den Einsatz, wer wann seine besonderen Fertigkeiten nutzt. Davon abgesehen machen die anderen Guardians halt ihr Ding und in den gezeigten Kämpfen sah das alles recht organisch und fließend aus. Als Starlord fliegt ihr ein wenig bodennah herum, Gamora und Drax gehen eher in den Nahkampf, während Rocket aus der zweiten Reihe draufhält. Während ihr kleinere Gegner einfach so niedermacht, kommt es bei den größeren darauf an, den "Stagger"-Balken zu füllen. J-RPG-Spieler kennen das Konzept gut, bei dem ein Gegner so lange praktisch unverwundbar ist, bis er benommen am Boden liegt, also "gestaggert" ist. Dann erst könnt ihr richtig Schaden landen, zumindest bis der Gegner sich wieder aufrappelt.
Die Historie der Guardians of the Galaxy
Die Marvel Guardians of the Galaxy reichen weiter zurück als ihr vielleicht denkt und sie waren keineswegs eine Erfolgsgeschichte vom Start weg. Sie begannen sogar ziemlich seltsam, als Kind der Zeit, in der sie geschaffen wurden. Roy Thomas (Avengers, Conan, Defenders, Thor, Uncanny X-Men und viele mehr), pitchte Ende der 60er in einem Meeting mit Stan Lee ein Team von Super-Guerillas, das gegen Russen und Chinesen kämpfen sollte. Das wurde dann an Arnold Drake weitergereicht, der es 1969 in Marvel Super-Heroes '18 unterbrachte, allerdings als interplanetarische Helden.
Danach tauchten die Guardians zwar noch einmal auf, verschwanden aber weitestgehend bis 1976 als sie endlich ihre eigene Serie bekommen sollten. Steve Gerber schrieb die Serie und erinnerte sich, dass man zu der Zeit fast nur Serien in der Gegenwart hatte und man nach etwas anderem zur Abwechslung suchte. Die Saga endete wegen magerer Verkäufe auch schon wieder Mitte 1977. Bis 1980 hatte man mit ihnen noch hier und da ein wenig Spaß, änderte die Charaktere, aber das Revival sollte bis 1989 auf sich warten lassen. Im Fahrwasser des Erfolgs von Start Trek: Next Generation wollte man eine SciFi-Saga haben. Also wurden die Charaktere wieder umgeschrieben und von 92 bis 95 hatten die Guardians einen guten Lauf. Von da an waren sie irgendwie immer ein wenig auf dem Schirm, 2008 kamen die Guardians wieder einmal auf und seit 2014 läuft Guardians 3000 als alternative Story-Linie mit dem originalen Team der Guardians.
Der große Durchbruch dann war natürlich der Film Guardians of the Galaxy 2014. Dieser katapultierte die selbst Comic-Fans nicht immer geläufige Truppe ins Rampenlicht und bewiesen, dass am Ende nur Marvel draufstehen und ein solides Skript vorhanden sein muss, um auch die unbekanntesten Helden bekannt zu machen. Das und ein Cast an gar nicht so bekannten Schauspielern, die perfekt zusammenpassen, um einen unterhaltsamen Film zu machen. Oder wie Robert Downey Jr. sagte, den besten Marvel-Film, der je gemacht wurde. Bedenkt man, dass er in 50 Prozent der anderen vorkam, wird er es wohl wissen.
Dieses System und das manuelle Auswählen der Guardians-Fertigkeiten machen mir ein wenig Sorgen. Gut gemacht sind es interessante taktische Komponenten in einem sonst zu banalen Button-Mash-Fest. Schlecht gemacht bremst es einen eigentlich soliden Kampfablauf ungebührlich aus und kann, noch schlimmer, für Monotonie und immer gleiche Abläufe sorgen. Was von beiden hier der Fall ist, kann nur ein längeres Anspielen zeigen. In den drei gezeigten Kämpfen schien das alles ganz gut ineinander zu greifen und sah spaßig genug aus. Es hilft sicher, dass man sich für jeden der besuchten Planeten eine Reihe eigener Monster überlegte, die auch eine gewisse Bandbreite von humanoid mit Schusswaffen bis zu bunter Schweinesaurier eine Menge Evolutionsphasen abdecken dürften.
Technisch weiß ich noch nicht genau, wie viel der eher weniger beeindruckenden Umgebungen - zumindest von dem wenigen, was gezeigt wurde - dem Generationswechsel geschuldet ist, denn schließlich sind die Guardians auch noch auf der letzten Generation unterwegs und wie viel auf das Konto des Comic-Looks geht. Dieser ist kein Cell-Shading, sieht aber teilweise ein wenig so aus, aber nicht so ganz. Comic-Stil trifft es wohl am besten und dieser wurde auch wirklich gut getroffen. Vor allem die Helden sind ausgezeichnet animiert, was ihren Humor bestens unterstützt. Die gezeigte Planetenoberfläche dagegen... meh. Besser als was auch immer das für ein 70er-LSD-Alptraum war, der im zweiten Film gezeigt wurde, nehme ich an. Außerdem, es kommt ja irgendwann noch ein Next-Gen-Patch für lau, der wird dann noch ein paar Effekte mehr in den Weltraum zaubern.
Guardians of the Galaxy: Die gefährliche Reise in ein neues Medium scheint möglich
Guardians of the Galaxy zu sehen, war ausgesprochen erfrischend. Nicht nur, weil Eidos Montreal scheinbar der seltene Wurf gelang, den Humor eines Films intakt und mit genug Eigenständigkeit in das Spiel zu übertragen, sondern weil ich mich einmal nicht auf einen Loot-Grind einstellen muss, sondern mich auf eine fast schon vergessene klassische Action-Adventure-Erfahrung freuen darf. Auch wenn die Mechaniken sehr vertraut wirken und die Tragweite der Entscheidungen und Konsequenzen sich in Grenzen halten dürfte, es wirkt alles ausgesprochen unterhaltsam. Das größte Highlight dürfte am Ende aber das verbale Bällespiel der unwahrscheinlichen Heldenkombo sein. Wenn dieses, und so scheint es für den Moment, den Weg in ein neues Medium unbeschadet überstehen könnte, dann hätte Eidos Montreal den härtesten Teil der Aufgabe, ein würdiges Guardians-Spiel zu machen, gemeistert.
Guardians of the Galaxy erscheint am 26. Oktober 2021 Ihr könnt Guardians of the Galaxy bereits jetzt im Square Enix Store vorbestellen.