Guardians of the Galaxy Test - Das gute, alte Action-Adventure ist also noch nicht tot
Kein Crafting, keine offenen Welten: Die Guardians of the Galaxy verlassen sich auf Humor, Action und ein cooles Universum, um euch mit einem sehr klassischen Videospiel zu unterhalten.
Zwei Sachen lernte ich bei Guardians of the Galaxy. Erstens: Wir brauchen eine Guardians-Serie. Und zweitens: Wahrscheinlich ist es purer Zufall, dass sich die fünf noch nicht gegenseitig umgebracht haben. Als WG sind sie der komplette Unfall einer temporären Lebensgemeinschaft. Was immer für ein paar Lacher extra gut ist. Es würde wohl eine Sitcom werden.
Dabei hielt man sich vor allem an die noch recht jungen Guardians-Comics - es gibt sie erst seit 2008 - und das nicht nur im Design. Das Universum ist ein wenig anders, jemand anderes brachte Thanos um, es gab intergalaktische Kriege, die in den Filmen weitestgehend ignoriert werden und zig Details, die anders sind. Wer eine Fortsetzung der Eskapaden der ersten beiden Filme und der Avengers-Reihe erwartet, wird nicht enttäuscht, aber hier und da vielleicht etwas verwirrt. Was weder schlimm noch unerwünscht ist, denn das Comic-Universum ist deutlich reichhaltiger, sowohl an interessanten Orten wie auch solchen Figuren.
Guardians of the Galaxy: Fünf Frenemies auf Schatzsuche
Im Zentrum stehen natürlich die fünf Guardians, die trotz diverser Weltrettungen noch immer auf der Suche nach ein klein wenig Anerkennung und vor allem Credits sind. Quill ist der intergalaktische Schwerenöter, der hier mit ein paar Konsequenzen seines wortwörtlichen Treibens konfrontiert wird, Gamora und Drax lassen keine Chance aus, sich gegenseitig zu beleidigen und Rocket weitet eben dieses Beleidigen auf praktisch das Universum minus Groot aus. Und Groot ist halt Groot, wie er gern betont.
Die Chemie funktioniert perfekt und hier waren keine schlechteren Schreiber am Werk als in den beiden Filmen. Im Gegenteil, wo die Dialoge des zweiten Films eher einschläferten, findet man hier zur Magie des ersten Teils zurück. Dass das Ganze nicht über 15 bis 20 Stunden Spielzeit tragen würde, war absehbar und tritt auch so ein. Gerade das Geplänkel jenseits der echten Dialoge wirkt zum Ende hin austauschbarer. Schlicht, weil man vieles so oder ähnlich schon in der ersten Hälfte gereicht bekam, aber es ist immer noch witzig genug. Da das auch heißt, dass initial hier und da schon ein wenig Feuerwerk abgefackelt wird, kann man gut damit leben. Ernste Momente dürfen nicht fehlen und als ausgezeichnetes Beispiel kann ich ein Gespräch mit Drax anführen, das sich um Verlust und Leben nach dem Tod dreht. Heavy Stuff, der ziemlich genau weiß, wann er kommen muss und wie lange er erwünscht ist. Mit anderen Worten: Inhaltlich passt das hier alles. Die Guardians sind lustig, mitunter mal dramatisch, haben eine wunderbare Sitcom-Chemie, die immer nur einen halben Schritt davon entfernt ist, dass sie sich an die Gurgel gehen. So, wie es sein muss.
Da kann man auch mal verzeihen, dass die eigentliche Handlung ein Stück weit weniger fokussiert daherkommt, als sie sein müsste. Immer wieder hatte ich gern mal vergessen, was eigentlich das Ziel war, warum wir durch das Universum kreuzen, aber da in den richtigen Momenten zurückgelenkt wird, ist das sogar fast ein Bonus. Die Rettung des Universums steht natürlich auf dem Programm und fiel hier zwar nicht super-kreativ aus, aber schon deutlich besser als die generischen Bedrohungen der Filme. Das ist fast schon gutes Sci-Fi hier und da und erinnert erneut mehr an die Comics. Daran werde ich jetzt nicht in einigen Jahren sinnierend zurückdenken, aber für die Guardians of the Galaxy passt es. Ist am Ende immer noch Marvel und nicht Asimov.
Es gibt es noch das gute, alte Action-Adventure
Was das Spiel angeht, ist es der Aufbau fast so anbiedernd retro wie die gelegentlichen Ausflüge in Star-Lords 80s-Jugend, die nichts ausließ, was heute als Dekaden-Stereotyp die Runde macht. Guardians of the Galaxy ist ein hundertprozentig klassisches Action-Adventure von der Art, die die 360/PS3-Ära dominierten. Anfang, Ende und linearer Weg dazwischen, klare Levelstruktur, kein Grinding, keine Open World, (fast) kein Crafting. Selbst kleine Hubs wie Knowhere sind nur dazu da, euch ein wenig Tourist spielen zu lassen, bevor es am nächsten Trigger-Punkt direkt weitergeht. Jenseits von Naughty Dog ist dieser Spielaufbau im Triple-A selten geworden. Es ist nicht ganz linear, denn immer wieder mal müsst ihr Entscheidungen treffen, die euer Verhältnis zu den anderen Guardians verbessern oder verschlechtern, was euch alternative Wege öffnet oder verschließt. Es sind am Ende aber nur hier und da kurze Abzweigungen, die schnell wieder zurück an den gemeinsam Anknüpfpunkt finden, sodass ein zweiter Durchgang zwar drin ist, aber so viele andere Dinge bekommt ihr selbst dann nicht zu sehen, wenn ihr jede Entscheidung anders trefft. Trotzdem, Guardians of the Galaxy zeigt, dass so eine klar definierte Reise ihren Reiz hat, wenn die Story und das Timing stimmen.
Auch letzteres passt, denn Kämpfe und Abenteuer-Passagen wechseln sich geschickt genug ab. Immer wenn man denkt, dass jetzt mal wieder mehr passieren sollte, ist das auch der Fall und der Kampf hat seinen Charme. Ich war ein wenig skeptisch, dass man nur Star-Lord spielt und nicht zu den anderen Guardians wechseln kann. Ich denke immer noch, dass die Option nett gewesen wäre. Aber auch so funktioniert es ganz gut, da die KI der Mitstreiter die Lage gut genug im Griff hat und ihr mit den Guardians-Fertigkeiten, die ihr nach und nach freischaltet, ein paar Möglichkeiten habt einzugreifen.
Der Grundaufbau ist ein Element- und ein Stagger-System. Im Lauf des Spiels schaltet ihr für eure Pistolen Elemente-Schüsse frei, die Gegner schocken, rösten oder einfrieren. Je nachdem, wofür der aktuelle Feind gerade anfällig ist. Da die eigentlichen Schüsse aber herzlich wenig Schaden machen, müsst ihr viele Feinde betäuben, um dann richtig reinzuhauen. Dazu nutzt ihr vor allem die Fertigkeiten, bei denen Groot Gegner festsetzt oder aus dem Gleichgewicht bringt, Rocket mit verschiedenen Granaten eingreift und die anderen ihre Schlagangriffe nutzen. Alles hat bestimmte Werte, ob ein Feind mehr Schaden nimmt oder betäubt wird.
Das klingt jetzt vielleicht alles komplexer als es ist und es ist wirklich nicht sonderlich komplex. Aber Spaß macht es dank des hohen Tempos durchaus und das nicht zu wenig. Es gibt kein Deckungssystem und so sind schnelles Ausweichen und nach vorn gehen gefragt, was die Dinge immer in Bewegung hält. Star-Lord ist dank seiner Raketenstiefel nicht zu sehr an den Boden gebunden und es fühlt sich gut an, zwischen Gegnergruppen herumzuflitzen.
Huddle-Smartbomb und 80s-Playlists
Lediglich die Smart-Bomb des Kampfsystems ist ein wenig sehr eigen: Wenn der Balken voll ist, dann ruft ihr mitten im Kampf einen "Huddle" aus. Das Geschehen geht auf Pause, die Guardians sammeln sich um Star-Lord und erzählen etwas verklausuliert, wo ihre Kampflaune gerade steht. Wenn ihr dann die richtige aus zwei eher vage ablesbaren Antworten wählt, dann könnt ihr für kurze Zeit unbegrenzt und ohne Cooldown die Kräfte nutzen, was Kämpfe logischerweise sehr schnell beenden kann. Wenn ihr den Huddle versaut, sprich die falsche Antwort gebt, dann werden alle Cooldowns zurückgesetzt, aber nur einmal, was also eher ein magerer Boost ist. Das System ist eigen, das lasse ich ihm. Aber es nervt, wenn es nicht klappt, weil es sich manchmal nach Glück anfühlt, die richtige Antwort zu geben und weil es etwas übermächtig, wirkt wenn man dann richtig antwortet. Aber es passt zum Charakter des Spiels und seiner Helden, also lasse ich es mal als was Positives durchgehen.
Was den Adventure-Teil angeht, müsst ihr nicht mit großen Puzzles rechnen. Es wird viel gewandert, geguckt und erzählt und wenn es mal nicht weitergeht, dann man macht ihr Star-Lords Augmented-Reality-Sicht an, um den nächsten Trigger zu finden. Viel mehr ist es leider wirklich nicht, denn alle Wege links und rechts enden nach zehn Metern in einem optionalen Haufen Crafting-Teilen, die ihr braucht, um ein paar Extra-Fertigkeiten für Star-Lord freizuschalten. Wie gesagt, komplett linear, ein sehr klassisches Action-Adventure.
Damit das Herumwandern und Gucken nicht langweilig wird, gibt sich das Design dieses Neon-geschwängerten Universums alle Mühe. Es gibt immer was Cooles zu bestaunen. Seien es exotische Planeten, Raumstationen oder ihre Bewohner, die die Truppe stets mit einem Spruch kommentiert: Sie sind fast immer so visuell interessant gestaltet, dass man gern den gelegentlichen metallischen Korridor verzeiht. Man möchte gern mehr erkunden, aber abgesehen von der ein oder anderen Rail-Shooter-Sequenz im Raumschiff darf man eben nicht. Wahrscheinlich besser so. Eindrucksvolle Kulissen lässt man am besten in Ruhe. Sie könnten sich sonst schnell als weit langweiliger entpuppen als es der äußere Schein andeutet. Ein Vorteil des linearen Aufbaus ist, dass er das zu verhindern weiß.
Da sich bei den Guardians of the Galaxy etabliert hat, dass man immer eine Best-of-Dekade-Playlist dazu reicht, wollte das Spiel dem nicht nachstehen. Waren es im ersten Film die späten 70er und im zweiten die frühen 80er ist man nun in der Mitte des Neon-Jahrzehnts angekommen und lässt mal mehr, mal weniger, aber immer episch glorreich Gossenhauer dieser Ära einfließen. Warum nicht, ist eh gerade in. Und da das Spiel zwar nicht nur aus Next-Gen-Texturen besteht, aber mit insgesamt durchweg hoher visueller Qualität besticht, eine gute Synchro mit Gespür für Witz bietet und auch sonst technisch gefällt, fügt sich das Dutzend überproduzierter Radio-Klassiker nahtlos ein.
Guardians of the Galaxy Test Fazit
Guardians of the Galaxy zeigt, dass das Konzept des Action-Adventures nach wie vor funktioniert. Wenn man eine nette Geschichte, gute Charaktere und schöne Action- und Erkundungs-Setpieces bietet, dann kann man Crafting, Survival und Open World auch mal zu Hause lassen. Guardians of the Galaxy ist ein fast durchweg hochgradig unterhaltsames Abenteuer, dem ich mit viel Freude folgte. Jede Menge Humor und etwas Drama treffen ziemlich exakt das, was die unkonventionelle Helden-Truppe auszeichnet und so charmant macht. Da auch das Kampfsystem nicht enttäuscht und den einen oder anderen kleinen taktischen Kniff nutzt, um nicht zu austauschbar zu wirken, sondern die Freude an den schnellen Scharmützeln bis zum Ende auf Level zu halten, passt es alles.
Guardians of the Galaxy zog nie aus, um das nächste ganz große Ding zu werden. Es will euch "nur" mit einem coolen Abenteuer der Guardians erfreuen und dass ihr währenddessen Spaß an seinem Universum und leicht bekloppten Helden habt. Das bekommt es wunderbar hin. Wenn doch die Avengers auch nur so viel Glück bei der Konzeption gehabt hätten...