Guilty Gear Strive Test - Der Rundentaktiker unter den Prüglern
Schöner wird es nicht (so schnell).
Prügelspiele wirken mehr und mehr wie ein Relikt aus einer anderen Welt, immer mehr, je weiter sich der Rest des Mainstream-Gamings von ihnen entfernt. Das ist nicht direkt ihre Schuld, es liegt in ihrer tiefst verwurzelten Natur. Selbst ein Dark Souls hat bessere Chancen euch an eine Herausforderung heranzuführen, indem es ein paar leichtere Gegner platziert, ein paar Bosse, die noch nicht gleich ein alter Drache sind, ihr könnt ein wenig leveln, ihr werdet nach und nach besser, egal ob ihr buchstäblich "besser" werdet oder nicht. In einem Turnier-Prügler heißt es "Do or die!" von Minute eins an, wenn es Spaß machen soll.
Entweder der Computer kämpft so dämlich, dass ihr nichts lernt und mit Buttonmashing ganz gut leben könnt, oder er kämpft richtig und ihr müsst lernen. Stundenlang bekommt ihr aufs Maul, solange, bis ihr endlich dieses Timing draufhabt, die Moves im Schlaf beherrscht und wisst, wo Stärken und Schwächen einzelner Gegner liegen. Nur um dann im Multiplayer wieder viele, viele Stunden mehr aufs Maul zu bekommen, denn alles, was ihr jetzt wisst, das wissen andere noch viel besser...
Guilty Gear Strive gibt sich redlich Mühe, euch eine Chance zu geben. Als ein ausgesprochen ruhiger und taktischer Prügler ist das initiale Tempo auf den ersten Blick nicht so hoch und hektisch. Es gibt jede Menge Tutorials, vom initialen Einführen in grundlegende Moves bis zu detaillierten Erklärungen der 15 Charaktere wird euch alles erläutert und man nimmt euch so an die Hand, dass es halbwegs Spaß macht und sich nicht nur wie hartes Lernen anfühlt. Dann geht ihr in die Story und seht, dass es eine komplette Geschichte mit langen Episoden gibt, sogar sehr ansehnlich animiert. Das ist für die Serie nicht üblich, denn auch wenn immer jede Menge Hintergrund da war, er war doch sehr trocken verpackt. Das hier ist noch kein Injustice, aber eine völlig valide, umfangreiche Kampagne. Nach dieser werdet ihr euch besser fühlen und auch bereit für alles, was da kommen mag.
Dann geht es in den Arcade-Modus, mittlerer Level und wir sind zurück bei "aufs Maul". Hier zeigt der Computer nur noch wenig Gnade und euch, wie viel Tiefe in den Systemen steckt. Guilty Gear gilt zu Recht als ein ausgesprochen taktischer Fighter, bei dem ein Knopfdruck zu viel oder zu wenig über den Sieg entscheidet. Genau der richtige Move, zur richtigen Zeit, das pixelgenaue Timing entscheidet über alles. Das gilt hier sogar mehr als bei vorigen Guilty Gears, das Tempo wurde noch mal ein wenig zurückgedreht und es fühlt sich fast an, wie das Rundentaktikspiel unter den Tunier-Prüglern.
Ihr habt nicht nur den bekannten Cancel-Move, ihr habt nun vier davon, mit unterschiedlichen Farben, die zur richtigen Zeit genutzt werden wollen. Burst-Moves sind natürlich zurück, dagegen fehlen Gatling, Blitz Shield und ein paar andere Dinge aus den letzten Teilen. Dafür habt ihr einen Dash, denn das normale Schlurf-Tempo ist schon langsam. Wichtig und für spielerische Tiefe sorgt der Tension-Balken, der sich langsam aufbaut und für die Cancels nötig ist. Nehmt jetzt noch Wand-Attacken dazu, mit denen ihr den Gegner in andere Bereiche des Stages prügelt, solltet ihr sie in der Ecke richtig zu packen bekommen, dann habt ihr ein komplexes, taktisches und alles andere als schnell zu meisterndes System mit viel Tiefgang. Nichts anderes erwartet man von der Serie und Strive mischt die bekannten Mechaniken genug auf, um selbst Könnern mehr als genug zu tun zu geben.
Wo Guilty Gear Strive mich ein wenig verliert, ist das Lobby-System. Wenn ihr erst mal im Kampf seid, dann funktioniert das alles ausgezeichnet, der Netcode war schon immer gut und das Match-Making scheint zu funktionieren. Jedenfalls fühlte ich mich nie komplett in der falschen Liga. Nur ein bisschen. Aber bis ihr dahinkommt, müsst ihr einen kleinen 2D-Pixel-Avatar erstellen, der dann durch eine irgendwie ganz hübsche 2D-Pixel-Umgebung wandert, bis entweder jemand euch aufsucht oder ihr beim Rumwandern jemanden findet. Ist ja alles ganz niedlich, aber was gibt es an Menüs auszusetzen? Das hier fühlt sich immer wie ein wenig Zeitverschwendung an.
Aber Guilty Gear Strive weiß mich dann auch wieder zurückzugewinnen, sobald ich die Stages und die Kämpfer selbst sehe. Die Grafik ist einfach brillant bis atemberaubend schön anzuschauen. Fast jeder Screenshot lässt sich einrahmen, was aber den Nachteil hätte, dass dann die phänomenalen Animationen außen vor blieben. In Sachen Story-Filmchen mögen Injustice und Mortal Kombat vorn liegen, im Spiel selbst bleibt Guilty Gear Strive der Gewinner. Der Soundtrack ist so eine Sache. Die Metal-Hymnen, die durchgehend auf 11 gedreht sind, haben was, wie immer. Und wie immer wird es nach ein, zwei Stunden langsam etwas anstrengend.
Guilty Gear Strive bleibt der Geheimtipp im Prügel-Genre. Mit einem fantastischen Anime-Look und Sound lockt es einen an, um einen dann mit einem der taktischsten Systeme auf dem Markt gefangenzuhalten. Es gibt sich mit Story und sinnvollen Tutorials sogar fast zugänglich, zumindest so weit das in einem Genre möglich ist, das auf Können vom ersten Kampf an basiert. Dass die Story das übliche Chaos ist und selbst eine halbstündige Zusammenfassung nur bedingt hilft, um Licht ins chaotische Dunkel zu bringen, geschenkt. Guilty Gear Strive ist jetzt nicht das Spiel, das die Serie in den Mainstream katapultieren wird, soweit das bei Turnier-Prüglern überhaupt möglich ist. Auch dreht es die Welt nicht weiter, es ist nun mal, was es ist. Aber es dürfte alte Fans glücklich machen und ein paar neue anlocken. Viel mehr kann man hier nicht erwarten und Strive liefert mit Können, Klasse und einem Killer-Look.