Guitar Hero: On Tour
DIE KLAUE!
Hier spricht DIE KLAUE!
(Sagt es so, als wäre dies ein Edgar Wallace-Film)
Normalerweise ist DIE KLAUE meine gewöhnliche, linke Hand, aber zwei Tage mit Guitar Hero: On Tour transformierten sie in DIE KLAUE. Es begann schleichend. Ich schnallte mir mit einigen Schwierigkeiten den Handgelenkgriff um. Ich würde meine Hände als mittelgroß für einen 30-Jährigen Mann bezeichnen. Solltet Ihr wissen, dass Ihr mit fleischigen Pranken durchs Leben geht, könnte der Klettgurt ein wenig zu klein ausfallen.
Sitzt dann alles, ist das DS angesteckt, könnt Ihr Euch die Haltung so vorstellen, als hättet Ihr ein kleines Buch aufgeschlagen in Eurer linken Handfläche und würdet es auf dem eingeknickten Handgelenk ruhend halten. Jetzt bewegt dabei die vier Finger permanent voneinander unabhängig, um an die vier neuen Knöpfe an der rechten Seite des gedrehten DS zu kommen. Das tut bereits nach einigen Minuten weh.
Also versuchte ich mich an verschiedenen Stellungen und kam schließlich zu folgender Lösung: Setzt Euch an einen relativ hohen Tisch, beispielsweise einen Küchentisch. Dann schlagt Ihr das rechte Bein über das linke und legt den linken Ellbogen auf den Tisch. Jetzt könnt Ihr das linke Handgelenk auf dem rechten Knie ruhen lassen, was ein wenig die Spannung aus der verkrampften Handhaltung nimmt. Jetzt noch den Kopf um ca. 20 Grad nach links angewinkelt und schon dauert es ein wenig länger, bis auch Ihr DIE KLAUE habt. Aber ganz aufhalten könnt Ihr sie nie.
Also findet Euch damit ab, dass Ihr nicht ohne Schmerzen längere Sessions spielen werdet. Es ist der Preis für Rock´n´Roll to Go. Und ich bin mir nicht ganz sicher, ob es sich lohnt, ihn zu bezahlen. Ganz definitiv nicht, solange Ihr die internen Lautsprecher benutzt. Pat Benaatar hat wahrscheinlich nicht mal auf einem alten AM-Radio in einem heruntergekommenen Chevie bei schlechtem Empfang auf Route 66 so knarzig und dünn geklungen wie hier auf Nintendos Mini. Also benutzt Kopfhörer oder schließt es gleich an eine Anlage an. Selbst wenn das der „to Go“-Idee zuwider läuft. Und ein paar Songs schmerzhaft – Nirvanas Breed litt besonders – klarmachen, dass bei der kleinen Modulgröße ganz schön komprimiert wurde.
Ihr sitzt richtig, der Klang stimmt im Rahmen der Möglichkeiten, 25 Songs warten darauf, gespielt zu werden. Auf nur vier statt fünf Tasten, ganz ohne Anschlagen, Strummen oder Star-Power-Hochreißen. Stattdessen seht Ihr links das Notenbrett und rechts eine symbolische Gitarre. Mit dem niedlichen, mitgelieferten Stylus-Plec schlagt Ihr auf dem Touch im richtigen Moment die Saiten an, für die Starpower klickt Ihr umständlich den Balken an und nutzt schnelles Rubbeln als Whammybar-Ersatz. Bis auf die Starpower, die Euch leider aus dem Flow reißt, funktioniert das alles gut. Eine kleine Meisterleistung, wenn man bedenkt, wie irrwitzig der Versuch der Umsetzung eigentlich ist. Am Ende fühlt es sich bei aller Mühe aber doch kein Stück nach „Gitarre spielen“ an.
Was aber nicht bedeutet, dass es gar keinen Spaß machen würde. Nicht zuletzt dank kleiner, aber feiner Songauswahl scribbelt Ihr zielgenau und motiviert auf dem Touch, stets hoffend, dass das Gelenk noch einen Song aushält. Hit me with your Best Shot, All the Small Things, Avanlanca, Helicopter oder Knock me Down bieten durch die Bank gutes, massentaugliches Material, selbst wenn der eine oder andere Song aus anderen Guitar Heros recycelt wurde.
Die Notenabfolgen wurden geschickt auf die nur noch vier Linien verteilt. Extrem präzise Pull Ups und Hammer Ons fehlen genauso wenig wie harte, schnelle Abfolgen, bei denen unter Umständen Euer Touch etwas mehr leidet, als es eigentlich gut für ihn ist. Lediglich bei sehr eng zusammen liegenden Noten kommt gelegentlich der Verdacht auf, dass die Touchfläche die Anschläge nicht schnell genug hintereinander registriert.
Zu zweit gleicht sich das Ganze natürlich wieder aus, wenn Ihr im Battlemode gegeneinander antretet. Hier wurde ein wenig mit den Möglichkeiten des DS gespielt. Reißt eine Note, müsst Ihr sie per Stiftzug auf der Gitarre wieder reparieren, setzt Euer Gegenüber gemeinerweise Eure Gitarre in Brand, pustet Ihr ins Mikro, um die Flammen zu löschen. Besonders surreal mutet das schnelle Autogramm auf einem Fisch an. Es bringt Laune, genau wie bei den großen Vorbildern, auch wenn hier schon allein wegen der Hardware jeder ein eigenes Spiel braucht.
Nur das Auslösen dieser an sich netten Battle-Manöver ruiniert die Erfahrung ein gutes Stück. Ihr müsst nämlich mit dem Strummen aufhören, das Plec nach oben rechts bewegen und dann die Starpower oder den Battlemove anklicken. In der Zwischenzeit wandern ein paar Noten ungespielt durch, die Ihr in jedem anderen Guitar Hero ohne Probleme erwischt hättet.
Dieser Malus plus die Tatsache, dass es sich zwar wie ein nettes Rhytmusgame, aber kaum wie Guitar Hero anfühlt, machen den lobenswerten Versuch dieser eher unwahrscheinlichen Umsetzung zu einer zweischneidigen Angelegenheit. Es bringt Laune, bis der Schmerz im Handgelenk zu groß wird. Nur ist halt jedes der Originale auf jeder der Heimkonsolen um so vieles besser. Und dort fühlt sich nach dem an, was der Name verspricht: Dass es was mit Gitarre zu tun hat.
Vicarious Visions begegnete mit viel Hardware und einigen geschickten Designideen den größten Problemen einer solchen Konvertierung, trotzdem bleibt es am Ende nur ein netter Versuch, den Ihr nicht braucht, solange im Haushalt irgendeine Heimkonsole steht und Ihr die Möglichkeit habt, ein Guitar Hero – ob nun 1,2 oder 3 – zu kaufen. Außerdem müsst Ihr dann nicht mit DER KLAUE leben...
Guitar Hero: On Tour ist im Handel erhältlich und nur für DS zu haben.