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Guitar Hero World Tour

Solo-Held auf Bandpfaden

Immer mehr Musikspiele stellen deutsche Haushalte vor eine Zerreißprobe: Lautes Geklöppel auf Plastikinstrumenten zu noch lauterer Musik strapazieren den „Wife acceptance factor“ (auch „WAF“ genannt) nicht nur hiesiger Lebensgemeinschaften doch sehr. Zudem sticht die stetig anwachsende Armada sperrigen Kunststoff-Musikalien doch sehr ins Auge, was Mann „irgendwie gut“ und Frau „schlecht für’s Feng Shui“ findet.

Bei mir stehen jedenfalls mittlerweile zwei vollwertige Instant-Bands zuhause (Rock Band und eben Guitar Hero World Tour) und damit (und um des Hausfriedens Willen) muss nun eine gehen. Mit Rock Band 2 samt verbesserter Instrumente am Horizont stellt sich Musikspiel-Begeisterten aber jetzt die Frage, ob sie noch warten sollen, oder ihr altes RB 1-Drumkit schon jetzt durch die kompatiblen Guitar Hero-Controller ersetzen sollten. Dieser Test bezieht sich daher auf das „Complete Band Paket“ von Guitar Hero World Tour und nicht etwa auf das Spiel allein. Vorweg: Alleine wegen seiner Instrumente ist GHWT jeden seiner knapp 180 Euro wert.

Das eigentliche Spiel ist jedoch einen Tick schwächer als Rock Band 2. Rock Band-erfahrene Spieler merken sofort, dass GHWT die Bandinteraktion nicht so gut in den Vordergrund stellt, die Bandkarriere zwar solide, aber recht einfallslos verläuft und die optische Gestaltung etwas Stil vermissen lässt. Doch der Reihe nach.

Die Inszenierung ist nach wie vor knallig und stärker überzeichnet als bei der Konkurrenz.

Thema Interaktion. Anstatt seine Versager-Kollegen wie in Rock Band mittels rechtzeitig gezündeter Star Power wieder in den Song zurückholen zu können, spielt hier jeder ein bisschen nebeneinander her und nutzt seine Mucker-Magie wie gehabt, einfach nur um den Score um das Doppelte zu boosten.

Verhaspelt sich zum Beispiel der Sänger oder Drummer so sehr, dass er sich aus einem Stück verabschiedet, dann war es das. Das wird allerdings ein wenig dadurch relativiert, dass sich die Band das Rock-Meter, das ihre Performance bewertet, teilt. Habt Ihr also einen Gitarren- oder Bassgott (oder beides) in der Band, kann dieser schwächere (aber keine Totalausfälle) Spieler durchziehen. Es ist kein schlechtes System, aber es ist auch nur das Zweitbeste. Natürlich vergibt aber auch GHWT Punkte für besonders synchrones Rocken und das simulierte Zusammenspiel stellt immer noch eine fantastische Spielerfahrung dar. Man wird nur leider das Gefühl nicht los, dass hier eine Prise mehr Interaktion gut getan hätte. Das ist zweifellos noch ein Rudiment aus den Solo-Tagen der Gitarrenhelden.

Ebenfalls an diese Zeit erinnert der Verlauf des Karrieremodus. Wobei man zunächst erwähnen sollte, dass man wirklich zu jeder Zeit alle freigeschalteten Events auf jedem Schwierigkeitsgrad angehen darf, anstatt wie damals nur beim „schnellen Spiel“. Das sorgt für verbesserten Spielfluss, verhindert Sackgassen und ist eine längst überfällige Neuerung der Serie.

Im Charaktereditor kann man theoretisch Stunden zubringen.

Man könnte meinen, dass es egal ist, auf welche Weise man sich durch die über 80 Tracks lange Setlist von GHWT rockt und doch stellt Euch Activisions Banderlebnis wieder nur die zweitbeste Karriere hin: Ihr wählt eines der immer drei bis sechs Songs langen Konzerte und spielt es bis zum Ende, ohne speichern zu können oder dass sich das Programm merken würde, welche Lieder Ihr bereits geknackt habt.

Das ist besonders ärgerlich, wenn Ihr nach dem vierten erledigten von einem halben Dutzend Liedern unerwartet die Konsole abstellen müsst. Passiert selten, aber es passiert. Obendrein werden Euch bei der Konzertwahl immer sämtliche Songs angezeigt. Eigene oder „Mystery Setlists“, beziehungsweise Überraschungen bei den regelmäßig auftauchenden Zugaben gibt es keine.

Ein weiterer streitbarer Punkt ist die optische Aufmachung. Da ein Guitar Hero erstmals ohne Gibson-Lizenz auskommen muss, drückt einem das Spiel vornehmlich vollkommen überdrehte Notenschlüssel-, Totenkopf- oder Axt-Klampfen in die Hand, die an Hässlichkeit kaum zu überbieten sind. Zum Glück bastelt man sich dank der angenehmen Personalisierungsoptionen aus Griffbrettern, diversen Korpussen, Kopfplatten, Schlagbrettern, Knöpfen und Tonabnehmern samt unterschiedlicher Farbgebungsoptionen auch ohne Probleme einen Sechssaiter zusammen, der etwa einer Strat, Telecaster oder Explorer nahe kommt. Die unrealistischen Bauteile überwiegen aber trotzdem leider. Beim üblichen Zubehör gibt’s zum Glück Marshall-Boxen und Saiten von Ernie Ball, so dass wenigstens ein bisschen Authentizität gewahrt bleibt.