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Halo 4 - Vorschau

Reicht denn 'Master Chief' nicht als abschließende Charakterbeschreibung?

Über 10 Jahre kennen wir schon den Master Chief. Und was wissen wir über ihn? Nichts. Nicht wirklich jedenfalls. Er ist ein Held, das steht fest, stellt sein Wohl dem Anderer hintenan, ist der letzte Mann an Bord, der die Aliens auf Abstand hält und geht für seine Lieblings-KI die Extra-Meile an jedem Tag. Nur: Unterscheidet ihn das jetzt so sehr vom Noble Team aus Reach? Die haben jetzt auch nicht die Arme hochgeworfen und sich ergeben. Was also macht den Master Chief zu einer so ikonenhaften Figur der gesamten Xbox-Ära?

Nichts. Eine coole Rüstung, eine tiefe Stimme und eine Bad-Ass-Hero-Einstellung.

Und eine ganz besondere Stimmung, in der die Serie spielt. Wenn man Halo macht, dann übernimmt man nicht einfach ein Set an Namen, Figuren mit ablesbarer Vita, sondern man muss den richtigen Ton treffen und das sogar teilweise sprichwörtlich. Sound ist hier fast so wichtig wie Grafik. Es ist eine ganz eigenwillige Mischung aus bunten Waffen, lustigen Alien-Stooges, halb-harten Militär-Sprüchen und wirklich grimmigen, gefährlichen Gegnern. Die Figur hinter dem Helm des Master Chief muss man dafür jedoch nicht kennen. Es reicht zu wissen, dass es John-117 ist. Man kann viel an Halo verderben und es kann durchaus sein, dass diesen Helm abzunehmen und einen genaueren Blick dahinter zu werfen einer dieser Fehler ist.

Halo 4 - Infinity-Video

Der Chief ist kein Gears-Held, er war von Anfang an ein Formguss des perfekten Weltraum-Marines aus einer Glasröhre. Solche Leute haben keine Familie, Freunde und Probleme, die über die schiere Erhaltung der Menschheit hinausgehen und das ist angesichts der Erhaltung besagter Menschheit als Aufgabe auch ok. Sein Bezugspunkt ist Cortana, weil jeder mal jemanden zum Reden braucht. Sogar sie hat mehr Persönlichkeit und damit vor allem Sterblichkeit, wie sich jetzt wieder einmal zeigt. Während man sich eigentlich nie wirklich vorstellen konnte, dass es eines Tages den Chief erwischt - der Typ springt von einem Raumschiff zum nächsten! - scheint ihre Zeit nun abgelaufen. Oder auch nicht, das werden wir sicher erst im Laufe des Spiels erfahren. Aber so oder so, dass die beiden am Lagerfeuer auf fernen Welten sich über das Leben in Friedenszeiten, über Familie und Ruhestand austauschen, liegt zumindest jenseits meiner Vorstellungskraft.

Es ist auch nach der E3 nicht bekannt, wie 343 Industries näher auf die Persönlichkeit des Chief eingehen möchte, aber es ist eines der Dinge, die als gesichert im Raum stehen, auch wenn sonst bezüglich der Story und ihres Aufbaus nicht viel laut wurde. Ein neuer Feind, den ihr in dem Gameplay-Video schon bewundern durftet, ein versauter Urlaub für die Infinity-Raumschiffcrew, die einen Krater in eine neue Welt schraubt, ein Master Chief, der bedeutungsschwanger auf einem Felsen das Schauspiel bewundert. Macht daraus, was ihr wollt. Was es wirklich wird, werden wir in Auszügen sicher noch vor dem Releasetag im November erfahren.

Ich weiß damit noch nicht, ob das Studio mit dem gleichen Proto-Helden wie Bungie arbeiten wird, oder ob sich ein neuer Chief durchkämpft, aber das, wo er sich durchkämpft, sieht ganz schwer nach Halo aus. Seit Combat Evolved und seinen weiten Feldern in Abwechslung mit riesigen Stahl-Architekturen hat sich die Serie erweitert, sodass der gar nicht so fremdartige Dschungel der neuen Welt nicht weiter als Setting auffällt. Dass dieses aber eben genau das gewisse Halo-Flair verströmt, ist schon eine Leistung. Die Farben wurden auf den Punkt gewählt, leicht und geschickt variiert, um der Umgebung entgegenzukommen, mehr Details und Effekte zeigen sich, aber in keinem Moment der noch sehr kurzen Präsentation taucht eine Stelle auf, die nicht nach Halo schreit.

Das kann man jetzt kritisch sehen. Wer sich von der 4 im Titel große Veränderungen erhoffte, dürfte wahrscheinlich enttäuscht werden. Es soll ein wenig düsterer werden, einen Bezug auf die Bücher und das inzwischen über die Spiele hinausgewachsene Universum von Halo nehmen, aber sonst? Man wird sehen. Nur würde ich voraussagen, dass diese Serie für alle Beteiligten einfach zu wertvoll für die ganz großen Experimente sein dürfte. Etwas, mit dem viele Fans wiederum dann auch kein Problem haben werden.

Wie das Gameplay in weiten Zügen aussieht, präsentierte Microsoft ja bereits. Womit in im Groben das Anvisieren von andersgearteten Lebensformen über die höheren Evolutionsstufen von Kimme und Korn gemeint ist. Der neue Gegner wirkt mit einer Art Insektoiden-Charme durchaus interessant genug, zumal wir bisher scheinbar nur die Drohnen gesehen haben, die von einer KI gesteuert werden - soweit jedenfalls Cortanas Kurz-Analyse. Ob dies jetzt schon die mystischen Forerunner sind, eine alte, verschollene Alien-Rasse, auf die ihr in Halo 4 ziemlich definitiv treffen werdet, lässt sich nicht sagen. Es könnte insgesamt jedoch eine erfolgreiche Rückkehr zu den fremdartigen Teilen des High-Sci-Fi werden, der in den endlosen Schlachten gegen die Covenant zuletzt weitestgehend verloren ging. Meine persönliche Hoffnung geht jedenfalls in die Richtung, dass dieser Aspekt und nicht die von Bungie bewusst undefinierte Persönlichkeit des Chiefs vertieft wird.

Halo 4 - Gameplay-Video

Im Multiplayer spielt das dann eh alles keine Rolle mehr, denn die neuen Spartan-IV-Modelle - Leser der Glasslands-Bücher wissen scheinbar mehr, ich jedoch nicht - dürften jenseits der klassischen Farben Blau und Rot eh nicht viel Persönlichkeit haben. Wozu auch, zum Teabagging braucht man die nicht. Im Vs.-Mode sind die Camper-Zeiten ab November scheinbar vorbei, denn eine der neuen Fähigkeiten, die sich über Erfahrungspunkte freischaltet - Call-of-Duty machte es vor, alle müssen irgendwann mit, auch wenn 343 Industries etwas anderes behauptet ... -, lässt euch in gewissem Rahmen durch Wände schauen. Auch das Belagern der Waffenspawnpunkte wird durch zufällige Waffendrops unterbunden und der Respawn ist eine Sache von einem Knopfdruck statt von Wartezeiten. Veteranen mag das alles etwas komisch vorkommen, es klingt jedoch nach einem sehr viel schnelleren Ablauf. Dazu würden dann auch das höhere Tempo und die größere Sprungkraft der Spartan IV passen.

Koop muss natürlich auch sein. Die Kampagne lässt sich wohl zu zweit bis viert bewältigen, das ist nichts Neues. Frisch dagegen dürfte eine andere Anlehnung an Call of Duty sein. Dieses hat sein Spec Ops, Halo bekommt nun sein Spartan Ops. In einer wöchentlich erscheinenden DLC-Serie bekommt ihr eine eigene Koop-Kampagne, im Umfang mit der normalen Kampagne vergleichbar, die sich um einen Trupp von Infinity-Soldaten dreht, das Majestic Squad. Was diese Leute erleben und ob es sich mit den Ereignissen um den Master Chief kreuzt, bleibt abzuwarten. Auch, ob sie Geld dafür wollen - ok, seien wir ehrlich, das ist eigentlich nicht die Frage ... - und wenn ja, was es kostet.

Halo 4 - Spartan-Ops-Video

Halo bleibt Halo, auch mit Teil 4. Das ist der Zwischenstand zur E3. Das ist irgendwie viel und wenig, alles und nichts, auf jeden Fall aber schon mal ein Triumph für 343 Industries, die in praktisch jedem anderen Fall einen Fan-Aufruhr zu befürchten hatten. Sie scheinen den Reaktionen im Netz nach für den Moment weitestgehend bei dem richtig zu liegen, was die Basis vom Master Chief erwartet. Und ich kann auch nicht sagen, dass ich mit den Ansätzen unzufrieden wäre, selbst wenn ich sicher nicht zum harten Kern der Halo-Anhänger gehöre.

Die Drohung der Erkundung der Psyche des Master Chiefs kann ich für den Moment noch ignorieren und die Vertiefung des Sci-Fi, hin zu neuen Alien-Rassen auf fernen Planeten nach Reach oder Halo 3 nur gutheißen. Der Multiplayer macht ebenfalls einen ordentlichen Eindruck, auch wenn man ruhig von Studio-Seiten zugeben darf, dass hier ein wenig Call-of-Duty drinsteckt. Die Leute wollen es scheinbar so, ihr gebt es ihnen. Schämt euch nicht dafür, ihr seid nicht schuld. Und das gilt zum jetzigen Zeitpunkt und nach den kurzen Eindrücken der E3 für Halo 4 insgesamt. 343 scheint eine geschmeidige Übernahme der Serie gelungen, das ist doch schon mal ein guter Anfang.

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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Halo 4

Xbox 360

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