Halo Infinite scheint Destinys Live-Service-Modell zu folgen
Und zugleich ein geistiger Reboot.
Eines ist klar: Wer 343 Industrie derzeit über Halo Infinite sprechen hört, kommt nicht um den Gedanken herum, dass Infinite auf absehbare Zeit das letzte Halo ist. Was nicht heißt, dass es keine neuen Abenteuer gäbe. Die Entwickler betrachten das Spiel als Plattform, als Start in eine neue Zukunft.
"Halo Infinite ist der Beginn einer neuen Zukunft für Halo", erklärt Studioleiter Chris Lee während einer Präsentation des Spiels nach dem Xbox Games Showcase. "Wir haben Infinite in der Slipspace-Engine entwickelt, damit diese die nächste Generation von Halo-Spielen antreibt. Und so wird Infinite im Laufe der Zeit wachsen und expandieren."
"Für uns ist enorm wichtig, dass wir in der Kampagne eine vollständige Geschichte erzählen", fährt er fort. "Wir setzen die Master-Chief-Saga nach den Ereignissen in Halo 4 und Halo 5 fort und erzählen das nächste Kapitel dieser Geschichte, es ist das nächste große Spiel. Unsere Fans bekommen hier ein vollständiges Erlebnis, und dann führen wir die Saga nach unserer Kampagne in den nächsten Jahren fort."
"Wir betrachten es als eine Art Sprungbrett", ergänzt Paul Crocker, Associate Creative Director von 343 Industries. "Wir stellen die Weichen für die Zukunft und beantworten zugleich einige Fragen aus der Vergangenheit. Der Chief schwebt zu Beginn nicht ohne Grund im Weltraum, damit bringen wir ihn in die gleiche Position wie die Spieler. Beide wissen nicht, was passiert ist. Und das finden die Leute heraus, wenn sie diese Welt erkunden."
Apropos erkunden: Halo Infinite ist ein umfangreiches Spiel. Wenngleich die Entwickler während der Präsentation es nicht direkt als Open-World-Spiel bezeichneten. "Wir konzentrieren uns auf eine offene und ausgedehnte Welt, die Kampagne ist größer als die letzten beiden Halo-Spiele zusammen", erklärt Crocker. "Es ist ein riesiger Bereich, den wir die Leute erkunden lassen möchten."
Lee sprach zuvor von einem "vollständig realisierten Halo-Ring" und der "offensten, ausgedehntesten Umgebung, die wir je erschaffen haben". Wie gesagt, klein ist das hier nicht. Und dabei ging es dem Team immer darum, daraus ein echtes Halo-Erlebnis zu machen. "Wir nehmen all das, was Halo ausmacht, und packen es auf diesen Ring", sagt Crocker. "Wir geben den Leuten das Spielerlebnis, nach dem sie verlangen."
Auf die Frage, ob es ein vollständiger Open-World-Ring ist oder ob er in mehrere größere Zonen aufgeteilt ist, antwortet Crocker: "Es liegt irgendwo dazwischen. Es gibt eine Menge Sachen, die wir heute nicht gezeigt haben." Nach der Präsentation bleiben viele Fragen offen, was den Aufbau des Spiels anbelangt. Geht Halo Infinite in Richtung "Games as a Service"? Es klingt danach. Und erinnert an Bungies aktuellen Ansatz mit Destiny 2, das in den nächsten Jahren wächst und nicht in einen dritten Teil übergeht.
Die große Welt soll euch indes dazu anspornen, sie zu erkunden und versteckte Dinge zu entdecken. "Wir möchten den Spielern Möglichkeiten geben, die Umgebungen zu erkunden und Entdeckungen zu machen", erklärt Crocker. "Das ist der Grund, warum wir diesen großen Ring bauten. Wunder, Mysterien, Emotionen... das machte Halo immer im Kern aus und stand immer im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Wir möchten, dass die Leute diesen Ring erkunden, dass sie sich Fragen stellen, von denen sie vorher noch nichts wussten. Wir möchten sie auf eine Reise in die Zukunft mitnehmen."
Dabei fällt öfter der Begriff "spiritual reboot", Halo Infinite ist ein geistiger Reboot der Reihe. Ein "perfektes Beispiel" dafür sei der Moment in der Demo, in dem der Chief aus dem Pelican steigt und den Blick über den Ring schweifen lässt. "Jeder erinnert sich an sein erstes Mal mit Combat Evolved", sagt Crocker. "Dieses Gefühl, nachdem du auf dem mysteriösen Ring abgestürzt bist, aus der Rettungskapsel trittst und dich umschaust. Wir möchten, dass es sich anders, neu und frisch anfühlt, zugleich soll es dieses Gefühl von Wunder, Mysterien und Hoffnung vermitteln."
"Es war ein wichtiger Teil unserer Vision für dieses Spiel", ergänzt Lee. "Wir greifen das auf, was wir bei Halo 4 und Halo 5 gelernt haben, ebenso blicken wir auf die gesamte Geschichte des Franchise zurück, was nicht allein die Spiele einschließt. Wir möchten diese ikonischen Momente nehmen und sie den heutigen Spielern vermitteln. Dieser Moment, in dem du in Halo: CE erstmals den Ring betrittst, war eine große Inspiration für das Team. Solche Sachen wollten wir in Halo Infinite haben. Es repräsentiert das, was wir als Studio lernten und was Halo so besonders macht."
In Sachen Gameplay gab es während der Präsentation nicht mehr als das zu sehen, was jeder während des Xbox Games Showcase zu Gesicht bekam - wenngleich mit ein wenig mehr Kontext in Form von Kommentaren der Entwickler und einer anschließenden Fragerunde. Währenddessen bestätigte Lee, dass das gezeigte Material auf einem PC aufgenommen wurde und "repräsentativ für das ist, was Spieler auf der Xbox Series X erleben".
Was ihr dort seht, sei eine Mission "in der Mitte des Spiels", heißt es. Die Aufgabe des Master Chiefs ist, einige AA-Geschütze aus dem Weg zu räumen. In Begleitung seines Mitstreiters, den die Entwickler als "den Piloten" bezeichnen. Ihr kennt ihn aus dem E3-2019-Trailer, er gilt als wichtiger Protagonist und laut Crocker ist es "der menschlichste Charakter, den wie je erschaffen haben".
Eine der in der Demo gezeigten Neuerungen ist der Grappleshot aka Greifhaken. Mit diesem zieht sich der Master Chief schnell an Feinde heran, Objekte zu sich oder geht neue Wege im Terrain, die normalerweise durch Sprünge nicht erreichbar wären. Es verleiht dem Gameplay auf den ersten Blick mehr Flexibilität. "Es gibt viele alternative Routen", sagt Crocker und verweist auf das Beispiel der Demo, in der der Chief nicht den direkten Weg zu einem AA-Geschütz wählt, sondern die Gegner über die Flanke überrascht.
Euer Hauptgegner in Halo Infnite - so sieht es derzeit aus - sind die Banished, die ihr aus Halo Wars 2 kennt. Mit ihnen kehren die Brutes zurück und unter der Führung von War Chief Escharum haben sie diesen Ring besetzt, betrachten ihn als ihr Eigentum. Daher verwundert es wenig, dass Escharum nicht erfreut über das Auftauchen des Master Chiefs ist. Gleichzeitig ist er "auf eine kriegstreiberische Art begeistert", es mit ihm aufzunehmen, erläutert Crocker.
Noch ein paar Worte zur Technik. Wie oben erwähnt stammt das gezeigte Material vom PC und einzelne Screenshots und Szenen erzeugen nicht den Wow-Effekt, den ihr von einem Next-Gen-Spiel erwartet. Ein Grund dafür ist zum einen wahrscheinlich die Open-World-Struktur, in linearen Schlauchlevels lassen sich einfach mehr Details unterbringen. Zum anderen ist es möglich, dass hier die Cross-Gen-Natur des Titels eine Rolle spielt. Auf der anderen Seite betrachtete ich Halo noch nie als den Technik-Showcase. Es hat seinen eigenen Stil, seinen individuellen Look, den Halo Infinite auf jeden Fall vermittelt.
Die Entwickler zeigen sich indes zufrieden mit der verfügbaren Leistung. Das Spiel habe "die höchste Wiedergabetreue, die wir je erschaffen haben", erwähnt Lee. "Wir haben mehr als das Zehnfache an Rechenleistung pro Pixel verfügbar als in Halo 5, was es uns erlaubt, ein Spielerlebnis zu erschaffen, wie wir es in Halo noch nie hatten." Das gelte unter anderem für die Charaktere, die detaillierter ausfallen als zuvor. Aber ganz ehrlich: das ist bei einem Generationswechsel zu erwarten.
Das gestrige Gameplay und die Präsentation hinterlassen bei mir gemischte Gefühle und ich habe den Eindruck, dass noch viele Fragen offen sind. Gleichzeitig äußern sich die Entwickler zu manchen Dingen noch eher schwammig. Klar ist, dass Halo Infinite auf den ersten Blick das vertraute Gefühl vermittelt, das für die Fans wichtig ist. In Bewegung sieht's besser aus als auf manchen Screenshots - was für viele Spiele gilt - und der offenere Ansatz klingt zumindest auf dem Papier interessant. Halo hatte ja immer offenere Level und eine Art Open-World-Spiel klingt da nach dem logischen nächsten Schritt. Wie sich das dann in Zukunft - technisch und inhaltlich - entwickelt, bleibt abzuwarten.