Harry Potter und der Orden des Phönix
Fast schon zauberhaft
Kennt Ihr den schon? Auf einem Luxusliner tritt jeden Abend nach dem Dinner ein Zauberer auf. Ein Meister seines Fachs. Er hat nur ein Handicap, seinen Papagei. Dieser blöde Vogel verrät jeden Trick im Voraus. "Die Karte ist in der linken Jackentasche! - Das Tuch ist im Ärmel! - Das Kaninchen war schon vorher im Hut!" so krächzend verdirbt der Vogel jeden Abend des Zauberers. Eines Abends kommt die große Katastrophe, das Schiff sinkt. Der Zauberer kann sich an einen treibenden Balken klammern, der Papagei sitzt auf seiner Schulter. So treiben sie beide sechs Tage durchs Meer, keiner spricht ein Wort. Am Ende des siebten Tages schüttelt sich der Papagei kräftig und meldet sich zu Wort: "Also gut, ich geb's auf. Wo ist das Schiff?" Ok, der Witz passt zwar nicht so ganz zu Harry Potters neuem Videospiel-Auftritt und ist auch dreist kopiert, aber dafür lustiger als das für Filmumsetzungen übliche Gesülze, gelle?
So, damit hätten wir dann auch den Artikeleinstieg hinter uns gebracht und können uns nun dem Spiel widmen. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Harry Potter und der Orden des Phönix ist überraschend unterhaltsam ausgefallen. Es ist natürlich wie seine Vorgänger immer noch ein Titel, der sich vorrangig an die etwas jüngere Konsumentengruppe richtet. Allzu viel Anspruch dürft Ihr demnach nicht erwarten. Im Gegensatz zu sonstigen Vertretern der Zelluloid-Versoftungen gewinnt man aber nicht den Eindruck, dass hier die „schnelle Geldmacherei“ Pate stand. Vielmehr scheint es so, als hätten sich die Entwickler einige Gedanken gemacht, wie sie dem nun mehr fünften Teil der „Gute Zauberer gegen böse Zauberer“-Opera zu mehr Substanz verhelfen können. Und somit auch rüstigeren Hasen zugänglicher machen.
In erster Linie durch eine große, optisch ansprechende und nahezu frei begehbare Spielwelt, in der es an allen Ecken und Enden etwas zu erforschen gibt. Sei es in Hogwarts selbst mit seinen unzähligen Gängen und Räumen über sieben Stockwerke verteilt, im anliegenden Wald, in dem Hagrid und das eine oder andere Fabelwesen haust, oder in der Bootshütte am See – überall warten kleine Geheimnisse, die Euch nach entsprechend absolvierter Magie mit schwebenden, blauen Kugeln belohnen und so genannte Entdeckerpunkte gutschreiben.
Hier bearbeitet Ihr die Toilettentüren im Badezimmer der maulenden Myrte in einer bestimmten Reihenfolge mit den Sprüchen Accio (zu Euch ziehen) und Depulso (fortstoßen). Dort wirbelt Ihr mittels Wingardium Leviosa Steinbänke durch die Luft und platziert sie auf den zugehörigen Markierungen. Und im nächsten der insgesamt 40 Schauplätze flickt Ihr mitunter beschädigte Statuen und eingebrochene Treppenabsätze via Reparo zusammen oder entzündet Fackeln, Heizöfen und Lampen per Incendio. Klingt auf dem Papier vielleicht nicht sonderlich prickelnd, ist aber zum einen nur ein Bruchteil der möglichen Spielereien. Und zum anderen beschert es einiges an Experimentierfreude, da man ab und an austüfteln muss, was die letzten Prozente zu einem „100% erkundet“ bringen könnten. Pfuschköpfe dürfen sich übrigens auf Knopfdruck mit der Entdeckeransicht behelfen. Dann blinkt alles auf, was Harry mit seinem Stab traktieren kann.
Hamstert Ihr alsbald genügend Punkte auf Eurem Konto an, steigt der Bursche ein Level auf und die im Repertoire befindlichen Zaubersprüche (mit dem weiteren Verlauf kommen immer mehr dazu) erfahren eine Stärkung, Zusätzlich schalten sich diverse Gimmicks im Raum der Belohnungen frei. Beispielsweise Interviews mit den Hauptdarstellern, etwaiges Bildmaterial und kleinere Filmchen, die Hintergründe zur Inszenierung und Synchronisation beleuchten.
Und wo wir gerade bei Belohnungen sind: Für so manches „Gelingen“ winkt obendrein ein witzig animierter Pokal. Etwa ein explodierender Kelch, wenn Ihr Euch zum Knallpoker-Champion mausert (eines von drei Mini-Spielen in verschiedenen Varianten und Schwierigkeitsgraden). Oder eine fliegende Trophäe, sobald Ihr sämtliche Vogelarten um und auch an Hogwarts findet. Zuweilen verbergen sich die Flatterviecher auf höher gelegenen Mauervorsprüngen respektive unterhalb einer Brücke – Ihr dürft also ein paar Kletterpartien einlegen.
Davon abgesehen kommt Harry Potter und der Orden des Phönix mit einen ganzen Schwung an Haupt- und Nebenmissionen daher, die sich mal mehr, mal minder an der recht dünn beseelten Storyline entlang hangeln. Bis auf eine Handvoll Schlüsselsequenzen – der Angriff der Dementoren, das aufkommende Problem mit Professor Umbridge, Dumbledores Kampf gegen Voldemort (hier übernehmt Ihr die Kontrolle des alten Zauberers), etc. - ist der Verlauf nämlich weitgehend nichtlinearer Natur und verhält sich mehr wie ein eigenständiges Spiel, denn eine richtige Filmumsetzung. Kann man kritisieren, kann man aber auch loben. Schließlich schmälert man so nicht die Vorfreude auf das Kinospektakel.