Harveys neue Augen

Ziemlich clever: Kleine Gnome zensieren Lillis Wahrnehmung, indem sie grausame Objekte rosa anmalen. So auch die Überreste des Mitschülers. Verrückte Ideen sind also vorhanden und nachdem ihr das Kloster hinter euch gelassen habt, entwickelt sich eine recht spannende Geschichte mit düsterem Ton. Warum bleibt die Erzählweise durch den Sprecher dann so kindlich? Schließlich beißen sich die beiden Elemente.

Im Allgemeinen betonen die Figuren etwas zu stark und erwecken somit einen aufgesetzten Eindruck. Es wirkt eher wie die Theateraufführung einer Schule. Reale Dialoge hören sich anders an. Zumindest ein paar Nebencharaktere wie der verwirrte Greis, der ohne Zusammenhänge von einem Thema zum nächsten springt, oder die vorbestrafte Köchin mit ihren Gewaltdrohungen stechen positiv hervor.

Zu meinem Bedauern haben die Entwickler die individuellen Antworten auf jegliche Kombinationen drastisch zurückgeschraubt. Der für mich größte Reiz an Edna bricht aus bestand darin, alle Gegenstände mit jedem Objekt zu verbinden und die jedes Mal neuen Reaktionen zu hören. Im Nachfolger habt ihr euch an den ständig gleichen Antworten schnell sattgehört.

Dafür hat zumindest die Steuerung eine Generalüberholung erhalten. Per Mausklick interagiert oder beschreibt ihr die Objekte direkt und könnt mit einem Druck auf die Leertaste alle interessanten Dinge hervorheben. Umständliche Verbenverbindungen fallen weg.

Wisst ihr, was Klassiker wie Monkey Island oder Baphomets Fluch neben der Geschichte und den knackigen Rätseln so großartig machte? Ihre Hauptfigur. Falls ihr einen der beiden Titel gespielt habt, denkt euch noch einmal in das Erlebnis zurück. Was waren eure lustigsten Momente? Ich gehe jede Wette ein, dass sie mit einem cleveren Kommentar eures Recken in Verbindung stehen. Die losen Mundwerke, ihre teilweise sarkastischen Aussagen und die glaubwürdige Sprachausgabe sind ein zentraler Bestandteil, wenn ein Adventure auf Humor setzt. Man soll zum Ausprobieren angeregt werden und sich auf jeden weiteren Satz freuen. Hier schlägt man den komplett falschen Weg ein.

Selbst wenn Aufmachung, Steuerung, Geschichte und Rätsel stimmen, bricht das Kartenhaus durch die fatale Direktion der Sprecher sofort zusammen. Nur weil die Figuren so aussehen, als wären sie einer Kinderserie entsprungen, entschuldigt das keineswegs, dass sie nicht wie echte Personen klingen. Trotz der cleveren Ideen und einer steigenden Spannung, wird Harveys neue Augen dank dieses Problems ohne eine beeindruckende zweite Hälfte vermutlich nicht über ein „Gut" hinauskommen.