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Hätte, wenn und wäre

Spiele, die es eigentlich geben sollte - Teil 1

Shen Mue 3

Ryo allein in Hong Kong. Immer noch.

Der dritte Klassiker, zu dem sich jeder gute Mensch einen Nachfolger wünscht, hält gleichzeitig den Rekord für die häufigste Verwendung der Frage “Have you seen a black car around here?“ in einem Videospiel. Zwei ungeahnt interaktive und abartige schöne Episoden lang, lief man sich als Ryo Hazuki zunächst in einem japanischen Dorf, später in Hong Kong die Hacken ab, um dem Mörder des eigenen Vaters auf die Schliche zu kommen. Zu der lang ersehnten Vergeltung kommt es auch am Ende des zweiten und bis dato letzten Teiles nicht, weshalb sich nicht nur ehemalige Dreamcast-Jünger noch immer einen würdigen Abschluss der Trilogie wünschen.

Segas Ankündigungen, man wolle mit einem Shen Mue Online den MMORPG-Markt für sich erschließen, stießen im Jahre 2004 nicht unbedingt auf Gegenliebe. Wie konnten sie nur an ein Spin Off denken, noch bevor Ryos Reise an ihrem richtigen Ende angelangt war? Wenn man das erste Shen Mue seinerzeit erlebt hat, versteht man die Sehnsüchte aller Freunde und Freundinnen von Ryo Hazuki nur zu gut.

Wer Weihnachten 2000 ein Shen Mue unterm Baum fand, kann heute noch – sieben Jahre später – vom Fleck weg die Intro-Sequenz von Yu Suzukis Mammutprojekt (dem, wie man munkelt, teuersten Videospiel-Projekt aller Zeiten) minutiös nacherzählen. Soviel Atmosphäre und – wenn auch vorgegaukelte – Freiheit hatte man nie zuvor in einem Spiel empfunden. Ein einschneidendes Erlebnis, das sich seinen Abschluss redlich verdient hat.

Chancen: In etwa so hoch, wie die Quote der Leute, die die Frage nach dem schwarzen Auto mit einem „Ja“ beantwortet haben.

Ufo – Enemy Unknown

das beste Spiel aller Zeiten? Gut möglich.

Das Spiel, in dem ich die meisten Zocker-Stunden meines Lebens zugebracht habe. Und das einzige Spiel in dieser Liste, das bis heute – wenn auch inoffiziell – fortgeführt wird.

Den Geist der Vorlage treffen die Herren von Altar Interactive allerdings in ungefähr so Zielgenau wie ein XCom-Soldat, der das erste Mal die Auto-Schuss Funktion benutzt: Links am zeitlosen Artdesign vorbei, rechts an der einzigartig bedrohlichen Atmosphäre, und einige Meter vor der unschlagbaren Spieltiefe des Microprose-Überklassikers schlagen ihre Versuche ein, dem genialen Genremix eine zeitgemäße Generalüberholung zu verpassen. Dabei wäre alles, was es braucht, ein 1 zu 1 in die Neuzeit übersetztes Remake.

Ich will wieder Radarstationen über den Erdball verteilen, Ufos verschiedener Größe und Besatzung als Feuerball zur Erde schicken, in den rundenbasierten Gefechten Landungs- und Absturzstellen säubern und um finanzielle Unterstützung möglichst vieler Länder buhlen. Ich möchte wieder drei Kreuze schlagen, bevor es in eine Schlacht gegen die „ansteckenden“ Chrysaliden geht, mir außerirdische Technologie zu Eigen machen und lieb gewonnene Einsatzkräfte zu perfekten Soldaten heranziehen. Und zwar wie damals: Immer und immer wieder. Die XCom-Lizenz mag ungenutzt bei Hasbro liegen, aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, dass Altar Interactive irgendwann doch noch einen echten Volltreffer landet.

Chancen: Zielschuss: 65%, Schnellschuss: 32%, Autoschuss 18%

Moonstone 2

Das ist die Stelle, an der die Mitspieler in schallendes Gelächter ausbrechen.

Für alle Uneingeweihten: Moonstone ist ein Amiga-Spiel aus dem Jahre 1992, das von der deutschen Fachpresse zerrissen, von den Amiga-Kids vor den Magazinen aber trotzdem wie verrückt und bis zum Umfallen gespielt wurde. Das Party-taugliche Ritter-Gemetzel mit den zahmen Rollenspielelementen setzte damals einen neuen Standard für explizite Gewaltdarstellungen. Der einstige Schreck aller Jugendschützer sorgt heutzutage mit seiner comichaften Überzeichnung derber Gewaltakte aber höchstens noch für Amüsement.

Eigentlich haben wir das schon damals so empfunden, als wir uns mit bis zu vier Kumpels um den A500 versammelten und unsere bärbeißigen Ritter-Brutalos zu Sir Shofixti, Lord Helmi Helmi oder Renate umbenannten. Und obendrein gab es ja noch die Option, das herrlich überdrehte Gore abzuschalten – allerdings muss ich zugeben, dass ich bis heute keine Ahnung habe, wie das Spiel ohne aussieht. Aber da bin ich vermutlich nicht der Einzige.

Es ist mir wirklich ein Rätsel warum noch niemand dieses attraktive Prinzip aufgegriffen hat: Vier Ritter wechseln sich auf einer, in ebenso viele charakteristische Landstriche unterteilten Oberwelt ab, metzeln mit wenigen, aber effizienten Moves nach und nach die monströsen Bewohner kleinerer Dungeons nieder, bis irgendwann einer alle vier Schlüssel zum mysteriösen Tal in der Mitte der Landschaft eingesteckt hat oder eben alle hopps gegangen sind.

Dabei können sich die Spieler auf unterschiedliche Weisen in die Quere kommen, denn jeder will am Ende der Champion sein, der den unheimlichen Moonstone zum Stonehenge bringt. Die absurde Brutalität der unzähligen Tode, die den Spieler ereilen konnten, das schräge Gegnerdesign und die Hatz nach der mächtigsten Ausrüstung sorgen noch heute regelmäßig für lange Abende voller Schadenfreude und hysterischer Lacher. Abgesehen vom zugegebenermaßen vermurksten Balancing, durch welches das Spiel für besser ausgestattete Ritter schon mal zu einer echten Tortur werden konnte (es wurde ÜBERproportional schwerer, je potenter der Charakter war), war und ist Moonstone mein perfektes Partyspiel. Ich habe den negativen Magazin-Tenor bis heute nicht verstanden.

Chancen: Gleichzusetzen mit der Erfolgsquote beim Würfelspiel in der Taverne von Highwood: Verschwindend gering.

Bevor Ihr an einer Überdosis Nostalgie zu Grunde geht, machen wir hier eine Pause. Freut Euch allerdings auf den zweiten Teil, Anfang der nächsten Woche.

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