HBOs The Last of Us Folge 1: Alles, was es sein musste und mehr – aber wollt ihr es auch?
So nah dran und doch sein eigenes Ding. So darf es gerne weitergehen.
Warnung: Dieser Artikel enthält milde Spoiler zum Verlauf und vor allem zu Unterschieden zum Spiel.
Gut, da wäre sie also: Die erste Folge der HBO-Adaption von The Last of Us. Mit 77 Minuten Laufzeit beinahe in Spielfilmlänge noch dazu. Gut gefallen hat sie mir, rund und werktreu empfand ich das allermeiste. Insbesondere eine Sache, die wichtigste vermutlich, bekommt sie perfekt hin: Uns Pedro Pascal und Bella Ramsey als Joel und Ellie zu verkaufen. Insbesondere Pascal, mit angegrautem, zerwühltem Haarschopf, ist schon nah dran, am Videospiel-Daddy-schlechthin, er kommt sogar noch ein wenig gemarterter daher. Nicht weniger entschlossen, das Notwendige zu tun, aber doch, als hätte er seine Skrupel nur verbuddelt, anstatt sie sich abzutrainieren.
Die alterslose Ramsey auf der anderen Seite vereint die Schauspielerfahrung einer gestandenen Frau mit dem Look einer Vierzehnjährigen. Ihre Cleverness, ihr Biss und ihre Blauäugigkeit kommen in der eröffnenden Episode perfekt rüber, auch wenn sie der alten Ellie nicht unbedingt ähnlich sieht. Insofern: Tolles Casting, zumal auch Tommy (Gabriel Luna, “Terminator: Dark Fate”, aber nehmt ihm das nicht krumm) und Tess (Anna Torv) exzellent besetzt sind. Letztere tut es Pascal gleich und verleiht dem Original mit einer uneitlen Darbietung eine erfrischende eigene Note. Sie wirkt zugleich warmherziger und doch verschlagener als im Spiel. Cool.
Die Frage nach dem Warum bleibt und sie ist berechtigt, auch wenn sie sich mir vor Ansicht des Piloten etwas valider schien als danach. Denn die Verfilmung nimmt sich schon ihre Freiheiten. So holt sie zu Beginn weiter aus und zeigt mehr vom initialen Ausbruch, sie schickt sogar ein Talkshow-Segment aus den 60er Jahren vorweg, in dem es um die Gefahr von Epidemien geht. Einer der Gäste sagt die Fungus-Apokalypse voraus, ein bisschen zu passgenau und exakt für meinen Geschmack. Dann wiederum bekommen sie es durch diesen Einspieler hin, unsere Eingriffe ins Klima und Ernährung Teil des Untergangs zu machen, was ich für legitim halte.
Der Rest des “Vorspiels zum Weltende” ist ebenfalls geschickt gemacht und hatte neben einigen schönen Unheil-verkündenden Momenten, die für Stimmung sorgten (die zuckende Mitschülerin in der Schule!) sogar einen der gänsehautwürdigsten Momente parat, die ich seit längerer Zeit in Film oder Fernsehen sah (Stichwort: Großmutter!). Ein schöner Einsatz von Tiefenschärfe, die hier gerade genug der Fantasie überließ, dass es mich mächtig verstörte, was ich sah – und Sarah eben nicht. Und als es dann zu dem Moment kommt, den jeder Spieler der Vorlage fürchtet – kurz vor dem 20-jährigen Zeitsprung – hat mich das durch Pascals Schauspiel auch wieder extrem mitgenommen. Ich würde sagen, intensiver als beim ersten Mal, als ich The Last of Us spielte.
Szenenbild und Ausstattung sind dann, wie man es von HBO erwarten darf: Wahnsinnig nah am Spiel erkennt man diverse Elemente wieder. Den wehenden Vorhang am Anfang, die zerrütteten Straßenzüge der unter Militärdiktatur stehenden Bostoner Quarantänezone, das Klingeln eines Weckers, die Stellen, an denen Joel seinen Rucksack mit Panzer-Tape flickt. Solche Dinge. Kleinigkeiten, für die sich niemand hätte Zeit nehmen müssen, es aber jemand doch für wichtig genug fand, hier ein paar Überstunden zu leisten. Und da auch die Musik wieder von Gustavo Santaollalla stammt, wirkt es kein bisschen artifiziell, was hier passiert.
Und vor allem ist es keineswegs weichgespült, was Mazin und Druckmann wohl lieber früher als später signalisieren wollten, als sie die Gegenwarts-Ebene mit der Euthanasie eines kleinen infizierten Jungen eröffnen. Hier wird die FEDRA Behörde, die mit harter Hand regiert, zwar als kompromisslos, nicht aber als komplett herzlos gezeichnet. Die Soldatin hält dem nichts ahnenden Jungen die Hand, verspricht ihm, dass er sicher ist und hat sichtlich im Sinn, das notwendige Übel so schmerz- und angstfrei wie möglich zu gestalten. Die Szene schlägt auch eine schön organische Brücke zu Joel, der sich zu Beginn der Serie sein Geld mit dem Verbrennen von Leichen verdient.
Eine weitere Änderung zum Original ist die Konfrontation mit Robert und der Grund dafür, weshalb Tess und Joel überhaupt Geschäfte mit ihm machen. Joel hat lange nichts von Tommy gehört und möchte ihn suchen, wofür er eine Autobatterie braucht. Die haben er und Tess auch bezahlt – und Robert hat sie trotzdem an die Fireflys verkauft. Ich mag diese Art Änderung, sie überraschte, indem sie der Jagd auf Robert keinen unnötigen Raum gab – Marlenes Leute räumen ihn aus dem Weg, als klar ist, dass die Ware untauglich ist. Eine weitere Facette, die dafür sorgt, dass Spieler des Originals nicht schon jeden Beat kennen, ohne die Grundpfeiler der Handlung maßgeblich anzusägen. Es ist kein bloßes Wiederkäuen der Geschichte bei gleichzeitigem Abzug der interaktiven Seite. Warum also diese Serie schauen, wenn man das Spiel schon kennt: Weil es eben anders genug ist, dass es dennoch seine eigenen Gefühle weckt.
Überhaupt: Bisher gibt es keinerlei Zugeständnisse an die ja eigentlich ziemlich involvierende spielerische Seite von The Last of Us – die wurde mit chirurgischer Präzision entfernt, was sehr im Sinne der Serie ist. Hier passiert bislang alles organisch, aus den Motivationen und Zielen der Figuren heraus. Und wir sehen sogar ein bisschen mehr von Joels “Arbeit” als Hehler. Wenn ich meckern müsste, dann würde ich sagen, dass ich nicht ganz sicher bin, ob mir die Mund-Tentakel gefallen, mit denen die Infizierten andere anzustecken versuchen. Auf der anderen Seite mochte ich sehr, dass sie nicht einfach wie wild auf ihre Opfer einschlagen, sondern sie einfach nur zu fixieren scheinen, bis der Erreger sein Ding gemacht hat. Das wirkt noch eine Idee verstörender, insofern kann ich mit der Änderung gut leben.
Die andere Sache, die mich ein wenig wunderte, ist wie schnell Tess und Joel die Infektion Ellies am Ende der Episode einfach so hinnehmen und ihre Reise ohne viele Worte fortsetzen. Aber das kann auch der Situation – sie hatten gerade eine Fedra-Wache getötet – und dem nahenden Ende der Laufzeit geschuldet sein. Ich denke, Ellie wird gleich zu Anfang von Folge zwei noch ausgiebiger zur Rede gestellt und dann passt das alles wieder.
Insgesamt also: Ja, diese Serie ist, zumindest im Piloten, alles, was man sich davon erhoffen konnte. Sie wird dem Material gerecht, indem die Macher es von vorne bis hinten ernst nahmen und an keiner Stelle Fünfe gerade sein ließen, weil die Latte für Videospiel-Adaptionen so niedrig liegt. Es war spannend, gruselig und zumindest ich hatte viel Freude daran, Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit dem Original zu entdecken. Ich gebe zu, es fällt mir schwer, die Show im Vakuum zu bewerten – und ich verstehe jeden, der diese Geschichte nach zwei, drei Durchgängen durchs Spiel nicht unbedingt noch einmal erleben möchte. Für den Moment aber habe ich Freude daran, diesen talentierten Leuten dabei zuzuschauen, wie sie diese große Spiele-Story neu interpretieren.