HBOs The Last of Us Folge 9 hebt sich die größte Änderung fürs Finale auf – aber es funktioniert extrem gut
Ende gut, alles gut.
Spoiler zum großen Finale der ersten Staffel von HBOs The Last of Us
Hossa! Ich gebe zu, ich habe mir auf dem Weg zu diesem aufwühlenden Finale mehrfach große Sorgen um diese Serie gemacht. Irgendwo zwischen gehetzten Versuchen, dieser Geschichte mehr Textur zu verleihen, nicht immer überzeugendem Make-up für zu seltene Monster und tonalen Abweichungen in der Charakterzeichnung blitzte immer wieder etwas Besonderes durch. Aber ich war mir nicht sicher, ob die Macher es in diesem Serienformat bis zum Ende freilegen können würden. Umso mehr freut mich, zu berichten, dass ich mit der letzten Folge wirklich gar keine Probleme habe. Das hier geht genauso sprachlos-machend zu Ende, wie das herausragende Spiel.
Das bedeutet nicht, dass ich beim Schauen dieses letzten Kapitels nicht trotzdem kurz mit einigen Entscheidungen haderte. So beginnt es mal wieder mit einer ausgedehnten Rückblende, die uns anschließend nur noch schlappe 30 Minuten mit den Hauptfiguren auf den (vorerst) letzten Metern ihres gemeinsamen Abenteuers lässt. Das schien mir arg knapp, um die letzten Schleifchen an die übergeordnete Handlung zu knoten. Geschafft haben sie es trotzdem – und das liegt lustigerweise auch daran, dass sie sich zu Beginn die Zeit nahmen, noch einmal in die Vergangenheit zu schauen.
Nachdem letzte Folge bereits Spiel-Alumnus Troy Baker (Joel im Spiel) einen überzeugenden Auftritt in einer Nebenrolle hatte, darf diesmal seine Schauspielpartnerin Ashley Johnson ran, die bisher Ellie verkörperte. In der wohl größten Abweichung von der Vorlage sehen wir gewissermaßen die Origin-Geschichte von Ellies Immunität, als wir mitansehen, wie Ashley Johnson als deren hochschwangere Mutter Anna von einer Infizierten gebissen wird. Ich musste zwar kurz stutzen, dass nach der Attacke so einfach das Neugeborene zwischen ihren Beinen lag. Nach zwei Touren im Kreißsaal, die entschieden anders liefen (bei denen sich aber auch keine Zombieattacken ereigneten), war ich mir nicht sicher, ob ich das so glauben sollte.
Dann aber wurde mir als Erstes klar, dass ich nicht wusste, wie lange die Wehen schon angehalten hatten und wie lange Anna sich schon von Todesangst getrieben durch die Gegend schleppte. Und dann war mit einem Mal plötzlich alles egal. Die Johnson machte mir mit ihrem Schauspiel am Ende ihrer Kräfte gehörig den Hals eng, als sie ihr Kind in den Arm nimmt, wohl wissend, dass sie es niemals kennenlernen wird. Im letzten Moment durchtrennt sie die Nabelschnur mit dem Klappmesser, das später unserer Heroine gehören wird. Ein wenig vom Erreger – oder der körperlichen Reaktion der Mutter darauf – muss das Kind abbekommen haben, denn es ist fortan immun gegen weitere Bisse.
Wichtiger ist aber, dass wir nachträglich eine weitere gute Erklärung für das Casting von Bella Ramsey bekommen, also abseits der Tatsache, dass sie eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation sein dürfte. Ashley Johnson, die “echte Ellie”, sieht Bella Ramsey extrem ähnlich. Nicht auf die “Wie aus dem Gesicht geschnitten”-Art, sondern auf die “Ihr seid verwandt, oder?”-Art. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das Zufall ist. Dieser Blick in die Vergangenheit ist aber auch in anderer Hinsicht wichtig und wertvoll: Wir müssen Marlene am Schluss nicht mehr beim Wort nehmen, wenn sie sagt, wie schwer es ihr fällt, Ellie dem übergeordneten Wohl zu opfern, was Joels Tat zum Schluss umso härter macht. Die lange Einleitung trägt also an beiden Enden etwas zur Geschichte bei. Sie ist die stärkste und zugleich beste Änderung, die die Serie gegenüber dem Spiel vornimmt.
Und dann ist da eben Joel, den Pedro Pascal in der ersten Hälfte dieser Folge mit einer Extraportion väterlicher und an Übereifer grenzender Wärme spielt. Es steckt viel elterliche Authentizität darin, wie er nur Augen für “sein” Kind hat, das sich über die Freude angesichts der wilden Giraffe kaum einkriegen kann, anstatt für das wandelnde Naturwunder, das da den langen Hals in seine Richtung reckt. Und sie steckt – schätze ich – erschreckenderweise auch in seiner finalen Tat, als er mit der fast roboterhaften Detachiertheit eines Amokläufers die Fireflies tötet. Regisseur Ali Abassi wählt den Weg einer schlafwandelnden Gewaltmontage, die wir, zusammen mit dem Täter begehen. Dumpf, weit weg, und doch erschütternd real.
Überhaupt bringt Folge neun entschieden mehr Flair und kreative Schnitte mit, als gegen Schluss auch Joels Lüge von den tatsächlichen Geschehnissen, an einer Stelle jäh von dem Schuss unterbrochen wird, der Marlene niederstreckt. Ich fand das perfekt gemacht und im Kontrast zum weicher dargestellten Joel vom Rest der Serie tatsächlich härter und erbarmungsloser als im Spiel. Letztlich sind auch die schließenden Momente dieser Serie perfekt und mit maximalem Respekt vor dem Original umgesetzt, in einem Maße, dass ich schon in Pingelei verfallen muss, um etwas zu kritisieren: Die ikonische Musik, die den letzten Dialog der beiden vor der Schwarzblende untermalt, geht im Mix leider zu sehr unter.
Ansonsten aber: Ja, diese Serie hatte ihre Tiefen und tonalen Ungereimtheiten und ist als Zombie-Show beinahe unbrauchbar gewesen. Aber gegen Schluss fand sie immer besser auf die Füße und machte dann richtig, worauf es ankam. Operation gelungen, würde ich sagen. Jetzt bin ich gespannt, wie HBO den zweiten Teil umsetzen will und wie die Publikumsreaktion auf die zahlreichen gewagten Entscheidungen dieses moralisch komplizierten Rache-Thrillers ausfallen wird.
Ergänzung: Wie Kollege Benjamin gerade berichtet, wird der zweite Teil von The Last of Us wohl in zwei Staffeln verfilmt. Gut so, denn wenn man der Umsetzung der ersten Staffel besonders eines nicht vorwerfen kann, dann dass sie sich zu viel Zeit gelassen hat.