Heading Out im Test: Schicker Road Trip, der sich langweilig im Kreis dreht
Entscheidungen, die keine Konsequenzen haben.
Road Trip und Roguelike in einem: Das hat was! Dachte ich jedenfalls. Auch wenn das nicht der Hauptgrund war, aus dem ich bei Heading Out ins Auto gestiegen bin. Das lag vielmehr an dem körnigen Schwarz-Weiß, dem ich nicht nur aus Prinzip viel abgewinnen kann, sondern das gerade im Fall von Heading Out sehr gekonnt den Stil hochwertiger Comics einzufangen schien…
… und das auch tut. Wenn kleine Geschichten von hochwertigen Zeichnungen gerahmt werden, auf denen Wort und Bild in einer coolen Collage zusammenkommen, und sich auch das Sitzen am Steuer dank plastischer Armaturen gut anfühlt, dann sammelt dieses Heading Out schnell Punkte – nicht in Flensburg, sondern in den USA vor vielleicht 50 Jahren.
Als der oder die berüchtigte Interstate Jackalope, eigentlich einfach Jackie, rast man dort von der Ostküste gen Westen, indem sich eine kleine Markierung über die Landkarte schiebt. Nur bei bestimmten Ereignissen, wenn Jackie etwa zu einem Wettlauf herausgefordert wird, nimmt man selbst hinter dem Lenkrad Platz und erlebt Heading Out als Rennspiel.
Anschließend geht es aber immer zurück auf die Karte, wo kleine Markierungen als Raststätten dienen, an denen man kurze Geschichten erlebt – manche davon skurril, andere seltsam und einige, die nachdenklich stimmen. Große Städte dienen hingegen als Knotenpunkte, an denen man den Wagen repariert, sich ausruht und entscheidet, welcher Ort das nächste Ziel sein soll. Zwischendurch lauscht man kurzen Radiosendungen, dann ist die Markierung auch schon wieder unterwegs.
Denn lange hält sich Jackie nirgendwo auf. Viele Aktionen auf der Karte kosten ja eine festgelegte Anzahl an Stunden, während die Uhr auf der Fahrt zwischen den Städten sogar in Echtzeit tickt – und ständig kommt auf den Straßen hinter ihr ein bedrohliches Rot immer näher: ihre größte Angst. Würde die sie einholen, muss man wie in einem der Rennen vor diesem unsichtbaren „Gegner“ davonrasen. Gelingt das mehrmals nicht, heißt es Game Over und der Road Trip beginnt von vorn.
Ohne anzuhalten geht es aber natürlich nicht. Man muss in Wettrennen Geld verdienen, damit immer Sprit im Tank ist, und man in Städten schlafen kann. Sonst fallen Jackie in solchen Rennen nämlich die Augen zu, sprich das Bild wird mal mehr, mal weniger lange dunkel oder gar schwarz – eine gelungene Art, den Sekundenschlaf einzubeziehen.
Nun dürfte es selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad selten passieren, dass man tatsächlich das vorzeitige Ende erreicht. Dafür holt einen die Angst zu langsam ein und dazu sind auch die Rennen leider viel zu einfach. Es gibt zwar auch andere Rennen, wenn Jackie etwa lediglich gegen die Zeit einen Stau und damit auch eine Reihe an Hindernissen umfahren muss, aber die unterscheiden sich spielerisch kaum von den Wettläufen.
Sollte die Angst trotzdem mal gewinnen, startet man außerdem nicht ganz zu Beginn, sondern am Anfang des aktuellen Kapitels, von denen es vier gibt, die im Grunde allerdings alle der gleiche Road Trip sind. So oder so steckt Jackie also in einer Schleife fest, aus der es kein Entrinnen gibt. So schnell es bei mir Punkte gesammelt hat, so schnell gingen viele davon nach dem ersten Boss-Rennen deshalb schon wieder verloren.
Klar: Die kurzen Geschichten sind im zweiten, dritten und vierten Kapitel meistens andere, man erhält auch ein jeweils neues Fahrzeug und die Radiomoderatoren erzählen nicht dieselben Texte. Immerhin geht es in Heading Out weniger um das Managen der Ressourcen Zeit, Geld und Müdigkeit, sondern hauptsächlich um die kleinen Erzählungen. Um die Bilder, die im Kopf entstehen, während man dem Radio lauscht oder entscheidet, ob man einem verballhornten Käufer hilft oder den trickreichen Verkäufer vor der übermäßig wütenden „Reklamation“ warnt.
Kennt ihr Where the Water Tastes Like Wine? Daran erinnert mich hier Vieles, da man in beiden Spielen in den Vereinigten Staaten unterwegs ist, von Ort zu Ort zieht und zahlreiche in stilvollen Zeichnungen visualisierte Episoden erlebt, deren Ausgang oder Weiterführung man durch eine Entscheidung beeinflusst.
Nur dass fast alle dieser Entscheidungen überhaupt keine Folgen haben. Dass sie nach jedem Kapitel in einer Übersicht auftauchen, zählt für mein Empfinden jedenfalls nicht dazu. Dabei geht es mir nicht mal um das große Ganze. Denn auf welche Art man eingreift, hat schon während der Episoden kaum mal Folgen, die vielleicht nachdenklich stimmen, auf überraschende Art besonders krass sind oder anderweitig interessant ist.
Und diese Belanglosigkeit ist denn auch die große Schwäche, die sich von den ersten Metern bis ins Ziel zieht. Noch einmal der Verweis auf Where the Water Tastes Like Wine, dessen Geschichten sich im Verlauf der Zeit entsprechend dem ändern, wie man sie selbst erlebt und wie sie anschließend wiedergegeben werden. Diese stille Post ist clever und erzählerisch interessant – hier lauscht man ein paar Zeilen und macht anschließend einen Haken dahinter.
Nehmt außerdem die Tatsache, dass man zu Beginn jedes Kapitels eine Reihe von Fragen beantwortet, welche die Vergangenheit beziehungsweise Persönlichkeit von Jackie betreffen. Es geht um Freundschaften, die erste Liebe, politische Ansichten und mehr. Man formt quasi sein Alter Ego und je nachdem, was man dort ankreuzt, soll sich das auf Teile der Geschichte, darunter die abgespielten Radiosendungen auswirken.
Davon habe ich allerdings kaum etwas gespürt. Die Moderatoren plaudern zwar über den oder die Interstate Jackalope, aber in einem engen Sinne persönlich oder gar emotional wurde das nie. Schlimmer noch: Ich wurde des Geredes irgendwann geradezu überdrüssig, weil es auch für sich genommen ganz ähnlich wie die kurzen Geschichten nicht interessant ist.
Es tun sich darüber ja keine spannenden Hintergründe auf, die Moderatoren Charaktere sind weitgehend austauschbar und schlimm finde ich übrigens, dass das Spiel fast immer unterbrochen wird, während das Radio läuft. Noch mal: Es geht um einen Road Trip! Doch beim Bewegen über die Landkarte steht das Geschehen still, während eine Sendung abgespielt wird. Und anstatt, dass die Sendungen wenigstens während eines Rennens laufen, geschieht das fast immer erst danach, wenn auf der Straße schon wieder tote Hose ist. Die gut gedachten Stimmungsfunken funktionieren damit eher als Handbremsen.
Ob ich nur etwas missverstanden habe? Zumindest ging ich davon aus, dass einiges von dem Erlebten wenigstens im Finale zusammengeführt wird. Doch nicht einmal das geschieht ja. Tatsächlich war ich gerade vom Ausklang sogar extrem enttäuscht, weil die Geschichte gar kein Ende findet und die anfangs gewählten Charakterzüge übrigens selbst dann nicht die geringste Rolle spielen.
Wären doch wenigstens die Wettrennen der Rede wert. Aber selbst die finden auf Straßen statt, die sich stets auf die gleiche Art durch nur leicht verschiedene Kulissen schlängeln – gegen lahme Kontrahenten, die man nach kurzer Zeit schon überholt hat, sodass man die restlichen zwei Minuten dann auch ohne eine müde Jackie gegen das Einschlafen anfährt, weil der Sieger immer erst nach dem Vergehen einer bestimmten Zeit gekürt wird.
Heading Out im Test – Fazit
Nein, das war mir zu wenig. Heading Out fängt ist ausgesprochen stilvoll gemacht, inhaltlich und spielerisch aber dermaßen oberflächlich, dass meine anfangs steile Stimmungskurve recht bald auf Höhe des Asphalts hinterher geschliffen wurde. Einige der kurzen Geschichten sind nett anzuhören und für sich genommen fühlt sich das Fahren gut an – das war’s aber auch schon. Die getroffenen Entscheidungen haben weder im großen noch im kleinen nennenswerte Konsequenzen, die vielen immer gleichen Rennen gegen traurig lahme Gegner sind hochdosierte Schlaftabletten und selbst die Geschichte des Protagonisten ist erschreckend belanglos. Dagegen können weder der verdammt gute Soundtrack noch die starke Präsentation so richtig etwas tun.
Heading Out | |
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PRO | CONTRA |
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