Hell Yeah! Der Zorn des toten Karnickels - Vorschau
Du kannst nichts aus dem Internet löschen. Aber dafür sorgen, dass keiner mehr da ist, der es sieht
Der Herrscher der Hölle, der Lord über alles, was schlecht und unrecht ist, alles, was verdammt in die Unterwelt jenseits aller Vergebung verbannt wurde, erwachte aus tiefem Schlaf. Die Wände bebten, als er sich streckte, dann wenig elegant auf die Seite rollte und erst mal ordentlich über die Bettkante reiherte. Während ein schlafverklebtes Auge sich langsam rot unterlaufen öffnete, kratzte er sich mehr aus Reflex hinter dem flauschigen Ohr. Die Bewegung forcierte in seiner Magengegend ein Geräusch, das verriet, dass heute größere Mengen an Riopan gefragt sein könnten.
Der Herrscher der Hölle kam auf die langen Hinterbeine. Er hoppelte gegen den Nachtschrank, riss dabei einige fast leere Flaschen Jäger und Goldschlager runter und blieb erst mal liegen, um sich zu stabilisieren. Mit seinem Blick fest auf das 7,6 Zentimeter entfernte Etikett einer ebenfalls leeren Flasche Vodka Absolut Cranberry gerichtet, über die sich ein benutztes Kondom wie eine kleine Tischdecke legte, begann der Herrscher der Hölle die vorige Nacht im Geiste zu sortieren.
Oh ja, es begann ganz harmlos. Man ging aus, man hatte es sich ja verdient. Den ganzen Tag verdammte Seelen foltern, in Kreativ-Meetings neue Qualen erdenken, das untote Unleben als Herrscher der Hölle ist kein leichtes. Da muss man sich schon mal mit einem Sieger-Bierchen in den Abend retten. Dann war da dieser Typ, oder auch nicht, war da nicht ein Club, hat er wirklich Barry Manilow gesungen oder hat er mit Barry Manilow gesungen? Diese Montego-Bitches können einen alten Hasen aber auch wirklich schaffen und die Schlager-Shots haben sicher nicht geholfen.
Wo endete das Ganze eigentlich? Bei dem Typen oder einem anderen? Flashbacks nicht genau zuordnenbarer Orgien in verschiedenen Zuständen zuckten kurz durch sein Hirn. Er schüttelte sie ab, bereute die Bewegung sofort, kommt aber trotzdem endlich stabil auf die Beine und schleppt sich zum MacBook. Facebook ist offen. Ist es ja immer, man geht ja überall mit der Zeit. Sein Profil hat sich aktualisiert. Jemand hat etwas gepostet. Er kennt den Typen nicht. Aber er weiß, dass das da auf dem Bild der Herrscher der Hölle ist. Er selbst. In einer Pose, die nichts mit sexueller Eskapade zu tun hat oder sich durch die halbe Kiste geleerter Jacks in der Ecke erklären lassen könnte. Aber er ist es, definitiv. Mann, wie breit war er gestern eigentlich? 500 Millionen Likes?! Der Herrscher der Hölle muss daraufhin erst mal erneut herzhaft reihern.
Er ist wütend. Dann zornig. Dann brennt in ihm ein unheiliger Hass auf alles und jeden. Er weiß, dass er das Bild nicht aus dem Internet löschen lassen kann. Das hat schon mit den viralen Microsoft-Werbevideos nicht geklappt. Nun, die haben ihn einfach nicht mehr angeheuert, das hier ist was Ernstes. Das Bild muss weg. Geht nicht. Verdammt. Dann müssen eben alle weg, die es gesehen haben. Der Herrscher der Hölle kann vielleicht nicht das Internet löschen, aber er kann dafür sorgen, dass keiner mehr übrig ist, seine Schande zu sehen.
Der Hase richtet sich zu voller Größe auf, 40 volle Zentimeter Hass auf die Online-Welt, Ohren nicht mitgerechnet. Zeit abzurechen.
Ok, den Punkt, warum die Killing-Rampage des Conejo del Diablo mit 100 niederen Höllendämonen startet, habe ich irgendwo im Rahmen der Erzählungen der leicht durchgeknallten Entwickler von Hell Yeah! verpasst, aber es gibt bestimmt einen guten Grund. Im 2D-Comic-Look durchwandert ihr in leichter Metroid-Anlehnung die Hölle und sucht die hundert Feinde. Alles dazwischen ist nur Füllwerk und Rätsel-Such-Arbeit, die eigentlichen Kämpfe sind stets einzigartig. Nicht nur, weil es jede Menge Kettensägen, Blut in bildschirmfüllender Menge und sadistische Todesarten bedeutet, sondern weil jeder mindestens einen eigenen Twist mitbringt. Mal sind Reaktionen mit dem umfangreichen Waffenarsenal gefragt, mal muss man nachdenken, wie man überhaupt an das Biest herankommt. Der Abschluss ist dann eine Belohnung in Form eines nicht zu verlierenden Quick-Time-Events, in dem das tollwütige Karnickel auf direktest brutalste Weise zu Sache geht. Das ist ein guter Comic-Look, so mag ich meine morgendliche Dosis an Cartoon.
Eine demente Hintergrundgeschichte, Tonnen an MTV-Comic-Gewalt mit französischem Humor-Einschlag, hundert Varianten, einen kleinen Bosskampf zu bestreiten, und das alles mit der guten Spielbarkeit eines soliden 2D-Metroid-light-Hüpfers. Hell Yeah! Der Zorn des toten Karnickels ist ein eigenwilliger Ausreißer aus SEGAs sonstigem Download-Portfolio und ein zumindest nach einer Stage sehr angenehmer. Zu wenig gesehen, um hier schon definitiv zu werden, aber sicher ein Höllentrip, den ich im Auge behalten werde.