Heroes of the Storm - Test
Weniger MOBA-Theorie büffeln, mehr Gegner vermöbeln.
Nach 13 Monaten Alpha- und Betaphase hat es Heroes of the Storm endlich an den Start geschafft. Selten, dass sich Blizzard für einen Titel so viel Zeit nimmt. Offensichtlich wollte das Team alles richtig machen und hat deshalb wochenlang Details gefeilt. Und es hat sich gelohnt. Zumindest für diejenigen, die mal aus den festgefahrenen Strukturen des Genres rauswollen oder mit den lernintensiven und komplexen MOBAs wie LoL, Dota2 oder HoN nichts anfangen können. Was macht Heroes of the Storm also anders oder sogar besser als seine Konkurrenz?
Wer schon mal mit einem der etablierten Genreriesen (HoN, LoL, Dota 2 etc.) in Kontakt gekommen ist, wird bei Blizzards Pendant als Erstes feststellen, dass das „early game" (frühe Spielphase) so gut wie unter den Tisch fällt. Das liegt hauptsächlich daran, dass es keine Ausrüstungsgegenstände für die Helden gibt. Eingefleischte MOBA-Fans machen bei dieser Tatsache sicher drei Kreuze, doch gerade das ist eine der Stärken von HotS. Das wochenlange Auswendiglernen von 1.354.127 Ausrüstungskombinationen, die ständig an den Spielfortschritt, die Teammitglieder und die Gegner angepasst werden müssen, entfällt einfach.
Hinzu kommt, dass das Leveln in HotS erheblich schneller vonstattengeht, da nicht jeder Spieler für sich an der Stufe seines Helden arbeitet, sondern sämtliche Erfahrungspunkte dem ganzen Team angerechnet werden. So steigt jeder Held eine Stufe auf, wenn das Team eine Stufe aufsteigt. Zudem gibt es den umstrittenen „Last Hit" nicht (der Spieler, der einen Gegner tötet, erhält die Erfahrungspunkte dafür). Diesen Tatsachen ist es auch zu verdanken, dass ein Match in HotS deutlich kürzer ausfällt als bei anderen MOBAs. Nach 20 bis 30 Minuten ist in der Regel alles entschieden (Ausnahmen bestätigen die Regel). Da ist bei anderen Titeln gerade mal die mittlere Spielphase angebrochen, in der es zur Sache geht.
Um das Fehlen der frühen Spielphase auszugleichen und die Matche dennoch schnell und actionreich zu gestalten, hat Blizzard an zwei Großbaustellen gearbeitet: zum einen an den Heldencharakteren mit ihrem Fähigkeitensystem. Zum anderen an den vielen verschiedenen Karten mit ihren unterschiedlichen Zielen und neutralen Mob-Camps.
Die Helden und ihr Fähigkeitensystem
In Hots steht Neueinsteigern ein wöchentlich wechselndes Raster mit fünf, später sieben Helden zur Verfügung. Alle anderen Helden können zwar jederzeit im Testmodus ausprobiert werden, will man aber mit einem Charakter sofort loslegen, der nicht zur Heldenrotation gehört, oder ihn auch außerhalb der Rotation zur Verfügung haben, muss man ihn kaufen. Das Gute daran: Das geht sowohl mit echten Euros als auch über In-Game-Gold, das man sich durch Siege und Niederlagen, beim Erreichen von Helden- und Spielerstufen oder durch tägliche Aufgaben à la „Absolviere 3 Spiele mit einem Unterstützer" verdient.
Abgesehen von ein paar besonderen Helden-Skins, Skin-Farben und einigen Reittieren ist alles für Gold erhältlich. Man schwimmt zwar nicht unbedingt in Gold, doch wer jeden Tag die Quest erfüllt und ein paar Matches bestreitet, kann sich alle zwei bis vier Wochen einen neuen Helden zulegen. Die Preise für einzelne Helden hängen dabei immer von ihrer Aktualität ab. Nagelneue Helden kosten in der Regel zehn Euro / 15.000 Gold. Nach etwa zwei bis drei Wochen sinkt der Preis auf bis zu fünf Euro / 10.000 Gold. Noch ältere Helden gibt's auch schon ab rund vier Euro oder 2.000 Gold.
Derzeit stehen im HotS 37 verschiedene Charaktere aus allen Blizzard-Universen zur Auswahl (viele weitere sollen schnell folgen), die in die vier Rollen Krieger, Assassine, Unterstützung und Spezialist unterteilt sind. Solche Einteilungen kennt man - vielleicht mit Ausnahme der Spezialisten - unter gleichen/ähnlichen Namen aus anderen MOBAs. Ihr Zweck unterscheidet sich aber auch in HotS nicht. Die Spezialisten eignen sich hingegen weniger für den direkten Kampf, sondern sorgen mit ihren Fähigkeiten dafür, Gegner zu schwächen, Lanes im Alleingang zu pushen oder Bereiche zu sichern.
Die vergleichsweise überschaubare Heldenauswahl fällt nur wenig ins Gewicht, denn kaum ein Held spielt sich wie ein anderer. Das liegt vor allem am Fähigkeitensystem der Helden. Entgegen einigen anderen MOBAs hat in HotS jeder Held von Beginn an drei Fähigkeiten und eine Eigenschaft. Während des Stufenaufstiegs kann er bis zu sieben weitere Fähigkeiten und Talente erlernen oder Vorhandene verbessern, die sowohl aktiv als auch passiv ausfallen. Dabei stehen jedes Mal bis zu fünf Optionen zur Auswahl, von denen aber nur eine aktiviert werden kann. Je nach Auswahl kitzelt man mehr Schaden gegen andere Helden oder NPCs/Gebäude aus seinem Helden, gewinnt Betäubungs- und Verlangsamungskomponenten hinzu, verbessert die Überlebensfähigkeit durch Schilde oder Lebensdiebstahl.
Neben Reittieren für die Helden und einige Gebäude gleicht auch die Talentauswahl sowie die Heldeneigenschaft das Fehlen von Gegenständen im Spiel aus. Beispielsweise erhöhen viele Talente die Laufgeschwindigkeit der Helden, für die bei der Konkurrenz Schuhe zuständig sind. Durch die Talentanpassung lässt sich auch das Zusammenspiel in der Gruppe sehr stark anpassen. Ein Spieler fixiert sich mehr darauf, dass der Gegner nicht so leicht entkommt, während ein anderer für mehr Schaden sorgt. Allerdings sollte man sich in einer festen Gruppe möglichst früh über die Aufgabenverteilung im Klaren sein, denn einmal vergebene Talente sind für die Dauer des Matches fest. Wer sich verklickt, hat Pech gehabt.
Ein häufig kritisierter Punkt in der Beta war das Helden-Balancing. Die Übermacht einiger Helden wurde zwar angepasst, allerdings ist es vom Entwicklerteam beabsichtigt, dass nicht jeder Held gegen jeden anderen Charakter bestehen kann. Schließlich soll das Zusammenspiel im Team zum Erfolg führen und die Teamzusammenstellung soll die Schwächen der anderen Charaktere ausgleichen.
Viele Karten mit individuellen Aufgaben
In puncto Karten geht Blizzard ebenfalls einen neuen Weg und versucht, den Spielern vor allem durch den Aufbau der Karten, ihre Größe, die individuellen Kartenziele und die neutralen Mob-Camps neue taktische Möglichkeiten zu geben. Das ist keine Neuerfindung des Rads. Der grobe Aufbau von MOBAs ist auch in HotS bestimmend: Die Basen sind in den gegenüberliegenden Ecken, es gibt zwei bis drei Lanes und dazwischen herrscht Dschungel (auch wenn es bislang auf keiner Karte wirkliches Dschungeldickicht gibt).
Dennoch unterscheiden sich alle Karten voneinander und erfordern immer wieder neue Taktiken. Mal verlaufen die Lanes etwas anders, mal stehen Hindernisses im Weg. Auch mit der Sichtlinie der Helden wird viel gespielt. Größter Unterschied sind aber die Kartenziele. Sie sind bislang einzigartig in HotS und bestimmen massiv das Spielgeschehen, da sie dem Team, das sie kontrolliert, einen großen Vorteil verschaffen. Jede Karte hat ein solches Ziel, das dem Kartendesign und der Geschichte angepasst ist.
So gilt es im ägyptisch angehauchten „Tempel des Himmels", die Tempel zu erobern und zu halten, damit die dortigen Stellungen die Festung des gegnerischen Teams unter Beschuss nehmen. In der Grabkammer der Spinnenkönigin müssen hingegen Juwelen von NPCs und gegnerischen Spielern erbeutet und an den Sammelstellen abgeliefert werden, um mächtige Spinnenkreaturen als Verstärkung herbeizurufen. Natürlich steht solch ein spielkontrollierender Faktor nicht dauerhaft zur Verfügung. Es dauert immer einige Minuten, bis das Kartenziel nach einer Aktivierung wieder zur Verfügung steht oder bis ein Team wieder genügend Ressourcen gesammelt hat.
Derzeit geht es auf sieben verschiedenen Karten - alle 5 vs. 5 - zur Sache (eine weitere soll bald folgen). Sie unterscheiden sich alle leicht in ihrer Größe, was zur Folge hat, dass auf kleineren Karten oftmals die Teamkämpfe mehr zur Spielentscheidung beitragen, während man auf großen Karten - z.B. dem Tempel des Himmels - den Sieg nur durchs Erfüllen des Kartenziels erreichen kann. Zudem gibt es bei jeder Karte ein paar Tricks, die eingefleischte Spieler zu ihrem Vorteil nutzen können. Beispielsweise exakte Zeitpunkte, wann man sich die Hilfe von neutralen Mob-Camps sichern sollte.
Unterstützung aus dem Dschungel
Neutrale Einheiten dürfen in keinem MOBA fehlen. Allerdings sind selbige in HotS weniger dazu gedacht, den Helden Erfahrungspunkte zu bescheren, als beim Pushen der Lanes behilflich zu sein. So finden sich abseits der Lanes drei verschiedene Mob-Camps, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. Im Belagerungscamp warten zwei Einheiten, die gegnerische Gebäude ratzfatz einreißen können. Im Frontbrechercamp lungern vier Soldaten, die vor allem aus gegnerischen NPCs Hackfleisch machen, und beim Bosscamp wartet ein ebensolcher, der beiden Aufgaben gleichermaßen nachkommt.
Sollen diese Einheiten für das eigene Team kämpfen, müssen sie zuerst besiegt werden. Das geht in der Regel im Alleingang. Die Ausnahmen sind Bosse, die nur bestimmte Charaktere solo schaffen. Üblicherweise rücken dafür aber mehrere Spieler an. Die neutralen Einheiten können taktisch vielseitig eingesetzt werden. Vorrangig dienen sie zum Pushen der Lanes - insbesondere wenn sie als Verstärkung zum Kartenziel losgeschickt werden. Sie können aber auch als Ablenkung für den Gegner herhalten oder gegnerische neutrale Einheiten kontern.
Das richtige Timing ist beim Einsatz der Camps ein wichtiger Faktor. Wartet man zu lange, holt sich vielleicht der Gegner die Camps. Schickt man sie ungeachtet der Situation auf der Karte los, verpufft die zusätzliche Feuerkraft vielleicht im Nichts und man hat den Gegnern nur mehr Erfahrungspunkte verschafft. Im schlimmsten Fall holt sich das gegnerische Team das Kartenziel und startet einen Vorstoß, während das eigene Team gerade zwei drei Spieler von den Lanes für einen Boss abgezogen hat.
Wer sich bei Dota 2, LoL oder HoN am richtigen Platz fühlt, für den wird Heroes of the Storm vermutlich nur eine angenehme Nebenbeschäftigung sein. Für alle, die nicht ein halbes Jahr damit verbringen wollen, Skilltrees, Items und Taktiken bis ins letzte Detail auswendig zu lernen, liefert HotS ein schnelles Vergnügen. Der Einstieg gelingt verblüffend schnell und die unterschiedlichen Karten mit ihren zahlreichen strategischen Punkten und den Kartenzielen sowie das Fähigkeitensystem der Helden sorgen für genügend Tiefgang und taktische Möglichkeiten im Spiel.
Die fehlenden Ausrüstungsgegenstände vermisst man dank des Fähigkeitensystems, der Reittiere und der Gebäude nicht wirklich. Vielmehr fließen die Entscheidungen bei der Talentvergabe fast unbemerkt ins Spielgeschehen ein, sodass man sich mehr dem Geschehn widmen kann. Viele umstrittene Punkte von anderen MOBAs (wie beispielsweise „last hit" oder das „geflame" mit dem gegnerischen Team im Chat) umgeht HotS einfach, da es sie schlichtweg nicht gibt. Im Endeffekt wird aber immer der persönliche Geschmack jedes Spielers entscheiden, welchem MOBA er dem Vorzug gibt. Fest steht, dass HotS frischen Wind in das festgefahrene Genre bringt und sich hinter der Konkurrenz nicht verstecken muss.