Herr der Ringe: Living Card Game - Alle gegen Sauron
Schicke Tabletop-Umsetzung mit taktischem Tiefgang
Bei Asmodee Digital brummt das Geschäft. Die Digitalsparte des französischen Herausgebers für Brett- und Kartenspiele hat in den gerade mal zwei Jahren ihres Bestehens die Umsetzungen einer beachtlichen Anzahl an Spieleklassikern, unter anderem Carcasonne oder Catan, für den PC und mobile Geräte betreut. Bei einem Besuch in den Pariser Büros konnte ich einen ersten Blick auf die kommende PC-Version des Tabletops Der Herr der Ringe: Das Kartenspiel werfen und mich mit Tolkiens Helden wie Aragorn und Frodo auf dem Spielfeld mit den Armeen Saurons duellieren.
Wenn ihr jetzt nicht so tief im Kartenspielgenre steckt, vielleicht kurz zum Einstieg eine knappe Erklärung was ein LCG, ein Living Card Game, eigentlich ausmacht. Das Living bedeutet, dass in regelmäßigen Abständen das Grundspiel erweitert wird, neue Helden, Spezial- und Helferkarten sowie Aufgaben und Missionen in Form von Kartenpackungen hinzukommen. Die Besonderheit: Im Gegensatz zu einem Trading Card Game (TCG) ist vorher bekannt, welche Karten sich in den Packs befinden. Braucht man eine bestimmte Karte oder möchte gleich einen ganzen Booster, dann wird das eben auch gezielt gekauft und nicht auf gut Glück ein Stapel unter Umständen geringwertiger Karten erworben. Zu der ersten Variante gehört Der Herr der Ringe: Das Kartenspiel, welches sich nicht nur unter Hardcore-Tolkien-Fans großer Beliebtheit erfreut.
Die digitale Umsetzung für den PC und Mac, die zur Zeit bei dem amerikanischen Entwickler Fantasy Flight Interactive entsteht, hält sich weitestgehend an das Regelwerk und die Handlung des Tabletops: In der Zeit zwischen Der Hobbit und Der Herr der Ringe ziehen die bekannten Helden des HdR-Universums auf wichtiger Mission quer durch Mittelerde, um den Dunklen Herrscher Sauron in die Schranken zu weisen. Damit den Armeen des Bösen gebührend Paroli geboten werden kann, wird ein Deck aus 30 Karten zusammengestellt. Dazu gehören immer zwingend drei Helden, der Rest wird mit allerlei Helferkarten aufgefüllt.
Wenn ihr schon mal ein paar Runden Hearthstone oder Gwent gespielt habt, ist es kein Problem, die ersten Matches zu bestreiten. Jede Karte verfügt über Werte für Stärke und Willenskraft sowie eine begrenzte Anzahl Lebenspunkte, Assistenzkarten sorgen zusätzlich für Statusboni oder verfluchen Gegner. Haben beide Parteien ihre Züge in der Planungsphase absolviert, kommt es anschließend zum munteren Schlagabtausch. Soweit nichts Weltbewegendes, aber der Spaß am HdR-Kartenspiel kommt erst, wenn ihr euch so richtig in die taktischen Tiefen des LCGs begebt.
An dieser Stelle jetzt alle strategischen Optionen des recht komplexen Regelwerks durchzukauen, würde viel zu weit führen. Aber ein paar spannende Details sollten schon nicht unerwähnt bleiben: So gibt es beispielsweise Sentinel-Karten, die zuerst beseitigt werden müssen, um andere Gegner auf dem Spielfeld überhaupt erst angreifen zu können. Gar nicht so einfach, denn es handelt sich dabei um echte Tanks, wie Monsterspinnen oder wilde Bären, die nicht nur einen Menge Lebenspunkte haben, sondern auch noch ordentlich austeilen können. Die Herr-der-Ringe-Helden sind mit farbigen Symbolen markiert, den sogenannten Spheres.
Diese stehen für die besonderen Eigenschaften, Spirits, Tactics, Lore und Leadership und beeinflussen maßgeblich die Stärke und Schlagkraft. Es macht schon einen erheblichen Unterschied, ob ihr mit drei Helden der gleichen Farbe in die Schlachten zieht oder eine Kombination wählt. Welche sich in den einzelnen Matches dabei am besten schlägt, gilt es aber erst einmal herauszufinden. Schön: Während einer Quest tauchen Zugangskarten auf dem Spielfeld auf. Zerstört ihr diese, könnt ihr den weiteren Weg bis zur finalen Konfrontation bestimmen. Jede Quest hat dabei zwischen zwei und sechs mögliche Verzweigungen, die euch an unterschiedliche Schauplätze führen. Das ist ein dickes Plus für den Wiederspielwert, denn prinzipiell ist eine Kampagne mit fünf Quests an einem Nachmittag problemlos zu absolvieren.
Was unterscheidet denn nun das Herr-der-Ringe-Kartenspiel von dem bereits etablierten Hearthstone? Einmal natürlich die offizielle Tolkien-Lizenz, die bekannte Schauplätze, Charaktere und Monster aufbietet und euch auf der Reise durch Mittelerde vom Auenland bis nach Rohan und Modor führt. Zum anderen die Ausrichtung auf Einzelspieler-Matches und kooperative Kartenkämpfe. Es wird keine PvP-Anteile im Spiel geben, entweder seid ihr Solo unterwegs oder zusammen mit einem Online-Mitstreiter, um den computergesteuerten Sauron in die Knie zu zwingen.
Die KI zeigte sich beim Probespiel übrigens schon auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad als ganz schön clever und tückisch. Wenn ihr euch nicht ausgiebig dem Deck-Building widmet, unterschiedliche Heldenkombinationen ausprobiert und ein bisschen Spielgeld in den Kauf von ganzen Heldenpaketen oder mächtigen Einzelkarten steckt, könnt ihr euch schon mal auf so manche schmähliche Niederlage gefasst machen.
Zum Start auf Steam ist eine Early-Access-Phase angepeilt, in die man sich mit dem Erwerb eines von drei Founder's Packs einkaufen muss. Je nachdem, ob ihr bereit seid zwischen 10 Euro und 40 Euro anzulegen, gibt es entsprechend umfangreiche Inhalte, wie Quests, Helden- und Assistenzkarten oder Spielmodi zum Ausprobieren. Ausdrücklich erwünscht ist dabei die rege Kommunikation mit Fantasy Flight Interactive, die auf die Mitarbeit der Community setzen, um die weitere Entwicklung zügig voranzutreiben.
Wenn ihr keinen Investitionsbedarf verspürt, sollt ihr noch im ersten Quartal diesen Jahres den Zugang zu einer Solo-Kampagne mit fünf Quests bekommen und dabei aus den vier Starthelden Aragorn, Arwen, Gimli und Frodo und 45 Helferkarten euer Deck zusammenstellen können. Allerdings ist immer nur die erste Quest einer Kampagne umsonst als Spielpröbchen gedacht, weitere Begegnungen mit den Schergen Saurons wollen erkauft werden.
Damit wären wir dann bei dem nicht unwichtigen Thema Monetarisierung. Das Herr der Ringe: Living Card Game ist free-to-play und soll auf gar keinen Fall in pay-to-win ausarten. Timothy Gerritsen, Leiter des amerikanischen Entwicklerstudios Fantasy Flight Interactive, erteilt unschönen Tricks zum Geldverdienen, wie ausuferndem Grinding oder dem Erwerb von übermächtigen Karten nur gegen Echtgeld, eine klare Absage. Alles, was der Spieler zum Sieg über die KI und zur Freischaltung weiterer Missionen benötigt, lässt sich definitiv auch mit der In-Game-Währung Valor kaufen, von der es gleich mal 20.000 Einheiten als Startkapital gibt.
Da gäbe es zum einen zusätzliche Hero-Packs, Einzelkarten, die Freischaltung von Quests, ganze Kampagnen oder Spielmodi, alles soll sich mit einem "vergleichweise geringen" Zeitaufwand - was auch immer das bedeutet - durch wiederholtes Spielen von Begegnungen erwerben lassen. Ausgenommen vom Kunstgeldkauf sind lediglich kosmetische Bestandteile, wie beispielsweise individuelle Kartenrücken oder Avatare.
Mir persönlich gefällt der Ansatz der Entwickler, auf PvP-Modi vollständig zu verzichten und die optisch durchaus schick in Szene gesetzten Kartenduelle gegen den Dunklen Herrscher nur in Solo-Kampagnen oder einem Koop-Modus auszutragen. Leider konnte ich nur ein paar Partien erleben, viel zu wenig für ein echtes Urteil. Aber die offizielle Tolkien-Lizenz, der hohe Wiederspielwert durch die Verzweigungen innerhalb der Quests und die Kombinationsmöglichkeiten der Helden sowie die taktische Tiefe, deren Komplexität sich erst nach und nach richtig erschließen soll, machen mich mehr als nur ein bisschen neugierig.
Entwickler/Publisher: Fantasy Flight Interactive / Asmodee DigitalErscheint für: PC/Mac - Geplante Veröffentlichung: 1. Quartal 2018 - Angespielt auf Plattform: PC