High Hell - Test
Neonfarben! Laserkanonen! Gehirngewaschene Affen!
Türen mit der Klinke öffnen? Überschätzt. Erst verhandeln und dann schießen? Was für Weicheier. Nachladen oder Waffen wechseln? Veraltete Shooter-Konventionen, heute nicht mehr nötig. All das scheinen sich jedenfalls die Entwickler von High Hell gedacht zu haben, einem Shooter, der auf Dialoge und eine ernstzunehmende Geschichte komplett verzichtet und euch stattdessen in eine minimalistisch dargestellte Neon-Welt wirft, in der ihr hauptsächlich zwei Dinge tut: Türen eintreten und die Handlanger eines fiesen Drogenkartells um die Ecke bringen. Das macht 20 Level lang, von denen jedes gerade mal eine bis drei Minuten dauert. Dafür habt ihr genau eine Waffe zur Verfügung, die die Entwickler selbst "das heiligste aller Schrotgewehre" nennen - in Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine Art Laser-Gewehr, das in einer relativ hohen Frequenz Schüsse abfeuern kann. Nachladen müsst ihr es nicht, alternative Waffen könnt ihr auch nicht finden. Und obwohl das Spielprinzip eines Ego-Shooters hier so drastisch auf seinen Kern reduziert wurde - High Hell macht erstaunlich viel Spaß.
Zu Beginn eines Levels bekommt ihr jeweils eine bestimmte Hauptaufgabe. Meistens geht es darum, eine bestimmte Zielperson zu töten, etwas zu stehlen oder ein paar Affen zu befreien. Richtig, Affen. Die nämlich werden von Professor Meth für Gehirnwäsche-Experimente genutzt um sie euch anschließend als willenlose Zombie-Soldaten entgegenzuwerfen. Professor Meth ist nur einer der Bosse, die euch unterwegs begegnen und sein Verhältnis zu Affen nur eine der bizarren Geschichten, die euch in High Hell erwarten. An anderer Stelle geht es darum, Ziegen zu retten, die in satanischen Ritualen geopfert werden sollen und euer oberstes Ziel ist es, BO$$ um die Ecke zu bringen, den Chef des oben genannten Drogenkartells.
High Hell verhält sich dabei zu anderen Shootern etwa so wie Super Meat Boy zu anderen Jump-and-Runs. Ihr werdet in ein Level geworfen und schon Sekunden später kann es sein, dass ihr nicht mehr am Leben seid. Macht aber nichts, denn schon ein schneller Druck auf die R-Taste wirft euch ohne weitere Ladezeiten wieder zurück in den Level. Speichern könnt ihr zwischendurch nicht, Checkpunkte gibt es auch keine. Weil die einzelnen Spielabschnitte so kurz sind, ist das aber auch gar nicht nötig. Habt ihr euer Ziel erreicht, dürft ihr einfach vom Dach springen, der Gleitschirm öffnet sich dann automatisch und ihr könnt euch auf den nächsten Level freuen. Einzig bei den Bossen kommen leichte Rätselelemente ins Spiel, denn hier müsst ihr erst einmal herausfinden, wie ihr sie besiegen könnt. Professor Meth nimmt beispielsweise nur dann Schaden, wenn ihr die Teslaspulen-artigen Gebilde beschießt, während diese ihn gerade durch seinen Kopf mit elektrischer Energie versorgen.
Warum das Spaß macht: Einerseits weil die permanente und erfrischend kurz geschwungene Dauerschleife aus Versuch und Irrtum etwas verflucht Motivierendes hat. Mit jedem Versuch kommt ihr ein kleines Bisschen weiter. Ihr lernt automatisch, wo eure Gegner stehen und weil jeder nur einen Schuss braucht, um das Zeitliche zu segnen, fühlt es sich bei fortgeschrittener Lernkurve einfach recht cool an, einen nach dem anderen auszuknipsen wie Glühbirnen. Ihr selbst habt dabei eine recht kurze Lebensenergieanzeige, zwei bis drei Treffer reichen in der Regel, euch umzubringen. Aber: Schaltet ihr Gegner aus, lädt sie sich auch wieder auf. Wer also weiß, wo Gegner stehen, wird auch dann später noch belohnt, wenn er sich am Anfang eines Levels ein paar kleinere Fehler erlaubte.
Andererseits enthalten viele Levels aber auch Sekundärziele, die ihr beim ersten Durchgang vielleicht noch nicht erfüllt habt und ihr könnt trotz des sehr reduzierten Spielziels auch alternative Wege ausprobieren - einfach mal von oben in einen Raum eindringen, statt wie gewohnt durch das Eintreten der Tür etwa. Nach jedem Level erfahrt ihr zudem eure Zeit, wie viele Gegner ihr um die Ecke gebracht und ob ihr die Sammelgegenstände gefunden habt. Indem das Spiel den aktuellen Weltrekord für jeden Level einblendet, werdet ihr darüber hinaus motiviert, euch dem zumindest anzunähern.
Ein kleines Highlight am Rande sind die Ladebildschirme, die in den meisten Fällen das ein oder andere interaktive Element enthalten. Darin dürft ihr beispielsweise Bratwürstchen aufspießen, die selbständig über einen Grill kriechen, schmiert ein Gemälde von BO$$ mit der Spray-Dose voll oder werft die Leichen der Drogenbosshandlanger in einen Basketballkorb. Nötig gewesen wäre das nicht, auf das eigentliche Spiel haben diese Einlagen nicht die geringste Auswirkung, aber sie zeigen doch, was die Entwickler mit High Hell wollten: Zeigen, dass sich dieses Spiel nicht ernst nimmt und so absurd sein, wie es nur irgendwie geht.
Einzig und allein der Spielumfang wird einigen sicher übel aufstoßen. Dass das Spiel nach zwanzig Leveln zu Ende ist, ist dann doch ein wenig dürftig. Je nachdem wie gut oder schlecht ihr spielt, habt ihr High Hell daher in eineinhalb bis zwei Stunden beendet - und dann bleibt euch nur noch die Highscore-Jagd und das Aufsammeln der noch nicht gefundenen Sammelgegenstände. Für die langfristige Motivation ist das ein bisschen dürftig. Obwohl das Spiel nur zehn Euro kostet, hätten ihm ein paar zusätzliche Level sicher gut getan.
Alles in allem macht High Hell eine Menge Spaß. Nur eben nicht besonders lang. Das Spiel ist eine wüste Achterbahnfahrt, gepaart mit abgedrehtem und absurdem Humor. Ich bin relativ sicher, dass in vier bis fünf Jahren kaum mehr jemand von diesem Spiel reden wird. Für den Moment ist es aber ein toller Kick: In ein Level hineinstürmen, Türen eintreten, Gegner umballern und nach getaner Arbeit einfach vom Dach springen. Danach mögt ihr euch vielleicht fragen, was ihr da gerade getan habt, aber während das Spiel läuft, fühlt es sich herrlich an. Einzig ein paar mehr Level hätte ich mir gewünscht. Freunde puristischer Ballerspiele sollten diese kleine Perle trotzdem nicht verpassen.
Entwickler/Publisher: Terri Vellmann, Doseone/Devolver Digital - Erscheint für: PC - Preis: 9,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PC - Sprache: deutsch, englisch - Mikrotransaktionen: Nein