History: Legends of War – Test
Es ist besser als die Shooter des History-Channels. Man soll ja immer was Nettes sagen.
Rundentaktik mit Tiefgang auf der 360? So selten, dass es doch möglich sein muss, da einen Schnellschuss für fast kein Geld auf den Markt zu werfen und zumindest die sicher vorhandene Zielgruppe abzugreifen. Wie auch immer die genau aussieht. Es dürfte relativ klar sein, dass jeder, der auch nur mildes Interesse an dieser Art von Spiel hat - unabhängig davon, ob es jetzt WW2 oder Rundentaktik oder beides ist - einen PC für diese Art Leidenschaft nutzt. Und das aus gutem Grund, wie History: Legens of War erneut schmerzhaft deutlich macht.
Die historische Seite ist dabei gar nicht mal so übel. Das hier ist eine Koproduktion mit dem History Channel und so stimmt der Weg von George Smith Pattons Dritter Armee durch Frankreich und Deutschland zum Ende des Zweiten Weltkrieges weitestgehend mit den Ereignissen von damals überein. Auch wenn ich anmerken möchte, dass ich zwar kein Experte bin, aber Patton mehr als acht Einheiten pro Schlacht hatte und auch die Gegenseite wahrscheinlich mit mehr als ein paar Dutzend Zielscheiben aufwarten konnte.
Balancing ist ein zeitaufwendiger, komplizierter Prozess. Nicht, dass dieses Spiel etwas darüber wüsste ...
Bevor es auf besagte Felder geht, nimmt sich das Spiel die Zeit, euch in nicht schönen, aber hilfreichen Texten das Rekrutierungs- und Auflevel-System zu erklären und selbst in seiner Schlichtheit ist dies mit Leichtigkeit immer noch der beste Aspekt von Patton. Nicht weil es eben komplex und taktisch wertvoll wäre, sondern weil es dafür sorgt, dass euch die Truppen, die viele Runden überlebten, ans Herz wachsen. Auch weil sie besser schießen, aber vor allem, weil man mit der Zeit alle vier Kellys in der Truppe mag. Entweder Brüder oder es gibt nicht viele Namen in der Datenbank. Mit der Zeit kommen zu den Infanteristen, Rangers und Scharfschützen auch Fahrzeuge und Panzer dazu, für ein wenig Abwechslung ist also gesorgt.
Diese Abwechslung ist natürlich das wichtigste strategische Element und es ist ein netter Zug, dass sich auch Einheiten wie der Ranger und der Sniper gegenseitig komplementieren. Der Ranger hat eine sehr hohe Sichtweite, während der Sniper - aus welchem Grund auch immer - manchmal weiter schießen als gucken kann. Diese beiden sind ein gutes Beispiel für die Kombos, auf die ihr mit der Zeit stoßt: Der eine späht das Areal aus, der andere tötet alles mit einem Schuss, was sich darin bewegt. Was uns zu einem der großen Probleme des Spiels bringt: dem Balancing.
Es scheint sich niemand wirklich Gedanken darüber gemacht zu haben. Auf den einfachen drei Schwierigkeitsgraden tötet jeder Fußsoldat alles unterhalb eines Panzers mit einem Schuss, darüber sind wenigstens ein paar Treffer nötig. Im Gegenzug halten eure Leute eine Tonne an Treffern aus, selbst auf den oberen Schwierigkeitsgraden bis in die letzten Stages hinein schlucken sie immer noch mehr als alles, was der Feind zu bieten hat. Statt sich genau zu überlegen, wo die Heilungspäckchen verteilt werden sollten, liegen sie gefühlt willkürlich herum. Ihr bekommt immer genug Prestige-Punkte zum Heilen und Leveln zwischen den Missionen, um ganz gut über die Runden zu kommen. Die unglaublich gute Verlustrate des realen Patton auf seinen Feldzügen wird damit zwar korrekt wiedergegeben, ist spielerisch aber nur bedingt spannend.
Panzer mit Tarn-Technik oder doch der Nebel des Krieges?
Die Taktik selbst ist auch eine recht einfache Variation der bisher immer noch erstaunlich selten erreichten Systeme eines Jagged Alliance 2. Ich will hier gar nicht das Paradespiel des Genres - XCOM - anführen, damit kann Pattons grundlegendes Laufen, Ducken und Schießen eh nicht mithalten. Zwei Angriffsvariationen pro Einheit helfen ein wenig, aber das Grundproblem ist ein schwaches Deckungssystem, das auf der reinen Sichtlinie beruht. Blindfeuer ist nur bedingt möglich, und wie ein Panzer oder auch nur ein Soldat auf freiem Feld verschwinden kann, nur weil der Kriegsnebel sagt, dass 50 Meter Sichtweite genug sind, ist mir eh ein Rätsel. Es entstehen, egal ob ihr in einer Angriffs-, Verteidigungs- oder Such-und-Rettungs-Mission unterwegs seid, immer die gleichen Dynamiken. Haltet eure Leute zusammen, nutzt ihre schnell durchschauten Fertigkeiten, um die scheinbar zufällig verteilten und alles andere als intelligent agierenden KI-Soldaten einen nach dem anderen auszuschalten.
Die Karten lassen ein wenig Flankieren zu, geben ein paar Abkürzungen und mal sichere, mal weniger offensichtliche Routen. Aber die meiste Zeit ist auf einen Blick klar, was wohl der günstigste Weg ist. Zu klein, zu simpel, immerhin wenigstens ganz nett anzuschauen. Es gibt auch recht viele davon, das hier ist ein umfangreiches Spiel. Schade also, dass sich jede Mission weitestgehend gleich und emotional tot anfühlt. Gut, dass die Soundkulisse ordentlich rumpelt, sonst würde man das eher für einen SWAT-Einsatz halten, als für einen Krieg.
Zu klein, zu simpel, immerhin wenigstens ganz nett anzuschauen.
Es gibt einen Offline-Vs-Modus und wie der Rest ist er funktional ohne besondere Vorkommnisse. Man kann es ein paar Runden spielen und sich dann überlegen, ob es nicht weit besser wäre, eine Pizza zu ordern und Patton auf DVD zu gucken. Was übrigens vielleicht nicht die schlechteste Alternative zu diesem Spiel wäre.
Funktional ist das Schlüsselwort. History: Legends of War kann man spielen. Es macht nicht viel Spaß, die Taktik wirkt unausgereift, die Steuerung nie zu umständlich, aber auch nie gut. Die Gegner-KI kriegt nicht viel gebacken und das auch nie mit all den Möglichkeiten, die ihr theoretisch zur Verfügung stehen. Der größte Vorteil ist zum einen die Nähe zum historischen Material, sodass ihr sogar ein paar Dinge über diese Kriegsphase lernen könnt, wenn ihr wollt, und dass es auf der 360 nicht viel Konkurrenz gibt. Das ist in einem Genre, in dem jedes Netbook einige der echten Schwergewichte dieser Spiele-Art zum Laufen bringen kann, kein so toller Vorteil. Also, viel Spiel für relativ kleines Geld und wenn es auch nur für ein Drittel dieser Zeit spannend wäre, dann wäre ich vielleicht auch enthusiastischer. Oder noch wach nach einem Dutzend Missionen.