Hitman 2: "Andere machen Actionfilme, wir inszenieren Theaterstücke"
Zu Besuch bei IO Interactive.
"Wenn es wirklich wichtige Dinge zu besprechen gibt, dann treffen wir uns grundsätzlich in Besprechungsraum D", erklärt mir Theuns Smit, Marketing-Koordinator bei IO Interactive, mit einem fetten Grinsen im Gesicht. Das "D" steht für Dubliner und der Besprechungsraum ist ein urgemütlicher irischer Pub direkt vor der Haustür des Studios.
Hierhin zieht es Geschäftsleitung und Angestellte nach einem langen Arbeitstag, um in geselliger Runde Gedanken auszutauschen und neue Ideen für die mörderischen Aktivitäten von Agent 47 zu entwickeln. Ein bisschen Bier soll ja durchaus förderlich für die Kreativität sein. Die beeindruckende Kneipendichte in der unmittelbaren Umgebung ist aber nicht der einzige Vorteil für die Belegschaft, nachdem das Studio vor ein paar Jahren aus den Randbezirken Kopenhagens in den Stadtteil Indre By, dem Zentrum der dänischen Hauptstadt, umgezogen ist.
Auf drei Etagen eines unauffälligen Geschäftshauses in Downtown Kopenhagen haben sich die Entwickler eingerichtet und gleich die Firmenphilosophie beim Umbau verwirklicht. Es gibt keine Legebatterien, in denen ganze Horden an Programmierern im Kunstlicht Fließbandarbeit verrichten. Man legt bei IO Interactive Wert auf flache Hierarchien, die Chefs residieren nicht hinter verschlossenen Türen, sondern sind jederzeit ansprechbar für die Mitarbeiter.
Familiär soll es zugehen, kleine Teams sitzen zusammen und überall gibt es Nischen und Räume, die zum ungestörten Austausch genutzt werden. Ansonsten trifft man sich auch gerne mal zum Plausch in der Cafeteria oder im Foyer, in dem Vitrinen mit lebensgroßen Figuren von Agent 47, Kane & Lynch und den Mini-Ninjas stehen.
Die zur Schau gestellte skandinavische Gemütlichkeit täuscht ein wenig über die turbulente Zeit hinweg, die das Studio seit der Trennung vom ehemaligen Besitzer Square Enix durchgemacht hat. "Viele denken, wir gehören jetzt zu Warner, aber wir sind nach dem Management-Buy-Out im letzten Jahr wieder ein unabhängiges Studio", sagt Jakob Mikkelsen, der langjährige Game Director der Hitman-Serie. Und weiter: "Wir schätzen die Zusammenarbeit, Warner Interactive hilft uns sehr bei der Veröffentlichung von Hitman 2. Aber es gibt absolut keine Einmischung in die kreativen Prozesse, Hitman ist 100% unser Projekt."
Mittlerweile ist die Belegschaft nach einer Zeit der Ungewissheit und harter, aber notwendiger Einschnitte wieder auf rund 100 Mitarbeiter angewachsen, die mit Hochdruck an den neuen Aufträgen des glatzköpfigen Profi-Killers arbeiten. Diesmal wird es aber ein von Beginn an komplettes Spiel und keine einzelnen Episoden, die in zeitlichen Abständen erscheinen. Der Grund: Fans sollen die gesamte Geschichte in ihrem eigenen Tempo erleben können. Ob jemand Wochen damit verbringen möchte, alle denkbaren Mörderwege auszuprobieren oder möglichst schnell das Ende des Abenteuers sehen und die Identität des Shadow Client erfahren will, das soll eben die Wahl des Spielers sein und nicht durch die Verfügbarkeit eingeschränkt werden.
Ideenlieferanten für die Schauplätze und Geschichten sind nicht nur die Abende im Besprechungsraum D. Mikkelsen und seine Mannen bedienen sich an den gängigen popkulturellen Vorbildern, wie den exotischen Schauplätzen und mächtigen Gegenspielern eines James Bond oder die ausgeklügelten Täuschungsmanöver und originellen Verkleidungen aus Mission: Impossible.
"Wichtig ist es, nicht einfach bloß zu kopieren, sondern sich inspirieren zu lassen, dann bekommt das Spiel auch eine eigene Identität und wird nicht als Abklatsch wahrgenommen. Und das ist uns gelungen.", meint Mikkelsen. Einen Auftrag für Agent 47 zu kreieren ist dabei ein komplexes Unterfangen: steht das grobe Gerüst aus Schauplatz und Ziel, wird die Killer-Sandbox mit Leben gefüllt.
Es wird bestimmt, welche Waffen und welche Verkleidungen nutzbar sind, die unterschiedlichen Möglichkeiten zum gewaltsamen Ablebens der Opfer definiert und im hauseigenen Motion Capture Studio bei Bedarf die passenden Animationen dazu erstellt. Und wenn der eher wortkarge Meuchelmörder was zu sagen hat, kommt der Schauspieler David Bateson vorbei und leiht ihm seine Stimme. Der gebürtige Südafrikaner wohnt schon seit Jahren in Kopenhagen und sieht nicht nur so aus wie der Killer mit dem Barcode auf der Glatze, sondern lebt die Figur geradezu.
Im Gespräch hat mir der charismatische Bateson verraten, dass er sich um die Rolle im ersten Hitman-Kinofilm beworben hat und doch eigentlich viel besser in den Anzug gepasst hätte, als Timothy Olyphant, der letztendlich den Part übernommen hat. Auch beim zweiten Film hat es nicht geklappt und Rupert Friend übernahm die Rolle in dem eher mauen Hitman: Agent 47. Aber alle guten Dinge sind drei, meint Bateson mit einem strahlenden Lächeln.
Sind die Vorbereitungen soweit abgeschlossen, wird die Spielwelt mit über 1000 NPCs bevölkert, die viel mehr als bloße Statisten sind. Die KI lässt sie ein Eigenleben führen, in dem sie ihrer Arbeit oder Vergnügungen nachgehen, Unterhaltungen miteinander führen, aber auch panisch oder angriffslustig reagieren, wenn der Spieler als Mörder in der Mitte enttarnt wird.
"Andere Studios inszenieren Spiele wie Actionfilme, wir sehen die Aufträge in Hitman eher als Theaterstücke, in denen der Spieler größtmögliche Freiheit genießt, seine eigene Geschichte schreiben kann, und der Spaß so richtig anfängt, wenn er sich aus den vorgegebenen Bahnen entfernt und die Grenzen der gescripteten Szenen durchbricht."
Mikkelsen liebt es zu beobachten, welche Kreativität die Spieler an den Tag legen, wenn es ums Morden geht und was mit der Spielwelt geschieht, wenn eine Tarnung auffliegt und sich das halbe Ensemble der Aufführung auf Agent 47 stürzt. Das sind die Momente, in denen die Entwickler nicht bereits die Weichen für den weiteren Ablauf gestellt haben und das Spiel eine eigene Dynamik entwickelt, chaotisch und unvorhersehbar wird.
Sechs Schauplätze rund um die Welt wird Hitman 2 beinhalten, darunter eine Rennstrecke in Miami und das gut gesicherte Hauptquartier eines Drogenbarons in Kolumbien. Mehr will Mikkelsen noch nicht verraten, nur soviel, dass Besitzer von Season One alle alten Missionen in Hitman 2 noch mal angehen können und von der verbesserten Grafik und KI sowie neuen Waffen und Gegenständen profitieren können.
Was nach Agent 47 aus Kopenhagen kommen wird, ist noch ungewiss. Laut Mikkelsen gibt es Planungen für ein Spiel außerhalb des Hitman-Universums. Vielleicht ein neues Freedom Fighters? Immerhin ist IO Interactive, im Gegensatz zu Kane & Lynch und Mini-Ninjas, noch im Besitz der zugehörigen Lizenz.
Entwickler/Publisher:IO Interactive / Warner Erscheint für:PS4, Xbox One - Geplante Veröffentlichung: 13. November 2018 - Angespielt auf Plattform:PS4